♠ 20. Kapitel

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Die erste Woche war schleppend vergangen. Luca hatte bis jetzt kein Wort gesagt und hatte sich auch nie wirklich gefreut. Egal, was wir mit ihm gemacht hatten. Wir waren im Park gewesen, doch sobald er einen Hund gesehen hatte, sah er noch trauriger aus, als vorher. Wir waren in der Spielehölle gewesen. Einer Halle, mit unzähligen Computerspielen, Spielzeugautomaten und sonstigen Spielen. Doch auch das hatte ihn nicht begeistert. Wir waren sogar einmal im Kino gewesen um den neusten Film zu sehen, doch auch den hatte er nicht sonderlich toll gefunden. So viel also zum Thema. Einmal hatten wir den Nachmittag einfach in einem Park verbracht und hatten Spiele mit ihm gespielt, die konnte er zwar, aber er hatte keinen Spaß daran. Irgendwann hat Aaron ihn gefragt, ob er mit ihm Basketball spielen möchte, doch auch das hat er verneint. Heute war Samstag und somit mein liebster Tag der Woche. Aaron und ich hatten ihn gestern gefragt, was er gerne machen möchte, doch wie immer war seine Antwort nur ein unbeteiligtes Schulterzucken gewesen. Als Aaron und ich vor dem Waisenhaus ankamen herrschte erdrückende Stille. Wir beide sorgten uns um Luca. Denn am Ende musste jedes Kind einen Zettel über unsere Mühe und Arbeit ausfüllen. Und wir mussten unsere Arbeit auch selbst bewerten. Was sollten wir sagen? Wir haben alles versucht, aber Luca hatte auf Nichts Lust? Seufzend stieg ich von Aarons Maschine und zog nun meinen eigenen Helm ab. Aaron hatte darauf bestanden, mir einen neuen Aufkleber machen zu lassen und nun sah er wieder wie der Alte aus. Und wenn ich ehrlich war, ich genoss es, dass mein Helm wieder wie der alte aussah. Es fühlte sich, na ja, richtig an.

»Vielleicht gehen wir heute in die Stadtbücherei«, schlug ich vor, als auch Aaron seinen Helm abgezogen hatte. Er musterte mich verwirrt. »Denkst du, dass das was bringt?«

»Weiß nicht. Vielleicht. Vielleicht auch nicht«, sagte ich und zuckte mit den Schultern. Jedes kleine Kind mochte es doch, wenn einem jemand aus einem Buch vorlas. Bei mir war das jedenfalls so gewesen. Dad hatte mir jeden Abend aus meinem Lieblingsbuch vorgelesen. Ferdinand der Stier. Ich glaube man merkte, dass ich es immer noch liebte, wenn mir jemand vorlas. Allerdings mochte ich nur noch Aarons Stimme, wenn es darum ging.

»Okay, versuchen wir es. Dieser Kerl muss doch mal eines Tages sprechen«, seufzte Aaron. Es war ein klägliches Seufzen und man hörte den Schmerz darin. Auch ihm tat es weh, den kleinen Luca so zu sehen. So wie mir. Zusammen liefen wir nach drinnen und begrüßten Mike und Stella, die damit beschäftigt waren, mit ein paar Kindern zu spielen. Luca saß wie immer am Fenster und starrte auf die Straße hinaus. Doch diesmal war etwas anders. Er stand auf und winkte uns kurz zu, bevor er schon in den Gang lief und sich etwas anzog. Die Strickjacke, die er sich überzog, schien alt zu sein und war ihm etwas zu groß, denn die Ärmel hingen weit über seine Hände hinaus. Doch er kuschelte sich in sie, als wäre sie sein Ein und Alles. Doch sein Verhalten deutete für mich nichts Gutes. Es schien, als wolle er das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen. Mein Herz zog sich zusammen und Aaron sah traurig aus. Stellte lächelte uns aufmunternd zu, doch man merkte, dass auch sie traurig war. Da traf ich innerhalb von ein paar Sekunden einen Entschluss. Einen Entschluss, den ich vielleicht bereuen konnte, doch ich musste es versuchen.

»Mike?« Der Name kam schnell über meine Lippen, bevor ich es mir noch einmal anders überlegen konnte. Mike blickte auf. »Ja, Hailey?« Ich schluckte und legte mir die Worte zurecht. Jetzt oder nie. »Darf äh Luca vielleicht die Nacht über bei uns bleiben?« Jetzt war es raus und es gab kein Zurück mehr. Aaron runzelte die Stirn, da er damit nicht gerechnet hatte und selbst Luca zeigte eine kurze Regung. Doch nur ganz kurz. Stellas Augen leuchteten auf. Mike schien zu überlegen und blickte zu Luca.

»Wäre das okay für dich, Luca?«, fragte er ihn. Lucas Miene wurde bei Mike etwas weicher und man konnte einen kurzen Blick auf seine Gefühle erhaschen. Doch nur kurz. Luca nickte, sah aber nicht begeistert aus. Gut, das tat er auch sonst nie.

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