~13.2~

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Schon von weiten konnte man helle Lichter und die riesige Rauchwolke aufsteigen sehen. Umso näher wir kamen, umso deutlicher war zu erkennen, dass das Licht von einem riesigen Lagerfeuer stammte, das genau in der Mitte des Friedhofs aufgebaut wurde.

Während wir uns dem näherten, kam mir zum ersten Mal die Erkenntnis, dass ich ein Volk anführte, von dem ich so gut wie nichts wusste. Ich wusste weder deren Traditionen noch deren Kultur. Sogar Attica schien mehr von ihnen zu wissen als ich. Noch nie hatte ich von diesem Fest gehört und es gab bestimmt noch sehr vieles mehr, von dem ich nichts wusste. Ich hatte ja nicht einmal ein Jahr bei ihnen gewohnt. Wie konnten sie mich ihre Anführerin nennen? Das war lächerlich. So gut wie jeder andere hätte bessere Voraussetzungen für diese Stellung als ich.

Viele tanzten ausgelassen um das Feuer, als gebe es nur diesen Augenblick. Als gebe es keine anderen Sorgen. Nur dieser Moment bedeutete etwas. Die Magie dieses Momentes wurde nur manchmal von einzelnen Personen unterbrochen, um einen großen Kelch entgegen zu nehmen, der durch die Menge gereicht wurde. Die Energie die in der Hyse lag war unnatürlich. So etwas hatte ich schon mal gespürt. Es war als wäre eine große Macht hier vertreten. Ich wusste nicht wo ich das gespürt hatte, aber es kam mir so vertraut vor. Wie etwas das mich früher in meinen Alpträumen jagte.

Wir traten näher und die Magie die in der Hyse schien sich langsam zu lösen. Nach und nach wurden unsere Präsenzen allen bewusst. Ein Getuschel ging durch die Runde und viele erschrockene und überraschte Blicke sahen mich an. Die Ausgelassenheit war verpufft, wie der Rauch, der immer weiter gegen Himmel schlich und nicht mehr zurück zu bringen war. Man konnte manche Dinge nicht einfach rückgängig machen. Genauso war auch die Aufmerksamkeit die jetzt auf mir lag. Ich konnte es nicht ungeschehen machen. Aber ich konnte die Lage beruhigen und hoffen, dass sie ihr Fest weiter feierten. Ich war der Lebende Beweis in welcher Lage sie waren. Wie sie eigentlich kämpfen sollten, statt hier Feste zu feiern. In manchen Gesichtern sah ich Scham. Sie dachten wahrscheinlich, dass sie mich im Stichgelassen hatten, nach dem ich für sie gekämpft hatte und nicht zurückgekehrt war. Und das hatten sie in gewisser Weise auch.

»Sie lebt.«, rief jemand.

Auf einmal wurde alles totenstill und niemand wagte es auch nur zu atmen, so als hätte sie die Erkenntnis getroffen, dass ich wirklich am Leben war und sie nicht halluzinierten.

Ich versuchte mir ins Gedächtnis zu rufen, wie ich früher reagiert hätte. Also setzte ich ein strahlendes Lächeln auf. »Es freut mich zu sehen, dass ihr alle wohl auf seid. Ich möchte euch bitten, dass es in dieser Runde bleibt, dass ich noch am Leben bin. Ihr seid mein Volk. Meine Familie. Und ich konnte es nicht mehr ertragen euch im dunklen zu lassen. Aber um Mehyl zu stürzen, musste ich mich in seinen engeren Kreis schleichen und ich muss sein Vertrauen gewinnen. Das ist der einzige Weg.«, log ich. Ich seufzte und blickte hoch, so als würde mein Schicksal in deren Händen liegen. »Werdet ihr mein Geheimnis für euch behalten.« Viele nickten eifrig und einigen liefen sogar Freudentränen übers Gesicht. Sie glaubten mir anscheinend den Schwachsinn den ich ihnen gerade aufgetischt hatte. Ich sah weiter durch die Menge und blickte in Kates Augen. Was zur Hölle hatten diese Augen hier zu suchen? Warum war sie hier? Zu ihrer rechten standen ihre Eltern. Nur Jay war nicht bei ihnen. Ich verstand nicht was sie hier taten. Hatte sich so viel verändert seit ich gegangen war? Das war natürlich verständlich, dass sich innerhalb von einem halben Jahr viel verändern würde, aber diese Veränderung verstand ich nicht. Ich ließ meine Augen weiter schweifen und suchte nach anderen Überraschungen die hier auf mich warten konnten. Fand stattdessen jedoch nur Luc etwas abseits der Menge. Er schaute mich wissend an. Als wüsste er, dass das alles nur ein Akt war.

Das sollte für den Anfang als Begründung reichen. Also ging ich durch die Menge, bis ich in ihr unterging. Die Musik begann wieder zu spielen und die Lage schien sich wieder zu beruhigen. Aber wie ich schon geahnt hatte, war die Magie in der Hyse verschwunden. Einige Neyfrem an denen ich vorbeilief, schenkten mir aufmunternde und anerkennende Worte der Zuversicht und Hoffnung.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt