Kapitel 8- Was sind Gefühle schon?

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Kapitel 8- Was sind Gefühle schon?

“Manchmal wissen die Leute nicht, was sie versprechen, wenn sie es versprechen.” -John Green

Allys Sicht

Die Sonne schien in mein Gesicht und langsam öffnete ich meine Augen. Geblendet von den warmen Sonnenstrahlen, versuchte ich mich an den letzten Abend zu erinnern. Alles was ich noch wusste was, dass ich Gefühle zugelassen habe. Ich wusste es wird Folgen haben, wenn ich diese Gottverdammten Gefühle raus lassen würde. Gefühle. Was sind das schon? Ich konnte gerade keine tiefgründige Definition für dieses so simple Wort finden.

Plötzlich traf es mich wie ein Schlag. Ich war nicht in meinem Zimmer. Ein fremder Geruch umspielte meine Nase. Die weißen Wände und der sterile Duft, ließen mich auf ein Krankenzimmer schließen. Verdammt. Habe ich wirklich so viel getrunken? Es war vorherzusehen, dass ein Mensch wie ich, der all seine Gefühle verdrängt, bei plötzlichem Gefühlsausbruch seine Grenzen überschreitet. Und ja mittlerweile bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich schon immer Gefühle hatte und immer welche haben werde und sie nur verdränge.

Daraus folgt, dass ich mich Jahrelang selbst belogen habe. Jahrelang habe ich sowohl mir, als auch all den Menschen in meiner Umgebung nur etwas vorgespielt. Im Endeffekt habe ich mich so sehr in meine Lüge rein gesteigert, dass ich selbst nicht mehr wusste was Wahr und was Lüge ist. Aber so ist das mit dem Leben. Manchmal liegt nur ein schmaler Fad zwischen Wahrheit und Lüge. Manche schaffen es auf diesem Fad zu balancieren, aber andere, wie ich, schaffen es nicht und hüpfen zwischen Wahrheit und Lüge hin und her.

Aber so sind wir Menschen. Wir haben mehr Angst vor der Wahrheit als vor einer Lüge. Jetzt fragt sich nur, wie ich mit dieser Wahrheit umgehen soll. Mit der Wahrheit, dass ich Gefühle wie Reue, Angst, Hilflosigkeit, Trauer, Verzweiflung, Furcht und sogar Liebe besitze. Für mich gab es immer nur Mut, Treue, Arroganz, Selbstständigkeit, Selbstgefälligkeit und Furchtlosigkeit. Von Emotionen ganz zu schweigen.

Seien wir mal ehrlich, wie Glaubwürdig wäre ich auch schon wenn ich eine Waffe in der Hand halte, aber meine Augen pure Angst ausstrahlen? Richtig ich würde untergehen wie Sand im Meer.

Mein Gedankengang wurde durch ein Klopfen unterbrochen. Im nächsten Moment betraten Dave und Mäki das Krankenzimmer. „Du bist endlich wach“, fing Dave überrascht an. Trotzdem hörte ich auch Erleichterung raus. Da es nur eine Feststellung seinerseits war, sah ich mich nicht gezwungen antworten zu müssen. Mäki war sich dessen vermutlich schon bewusst und sprach weiter: „Willst du vielleicht erklären, warum du so viel getrunken hast?“

Ich glaube Mäki war sich auch hier schon bewusst, dass ich ihm nicht antworten werde. Ich weiß nicht woran es liegt, aber dieser Mäki wusste einfach zu gut über mich Bescheid. Und was wusste ich über ihn? Mäxi Mäkery. Ein junger Mann, der sein perfektes Leben für ein absurdes Leben weggeworfen hat. Er hat sich aufgearbeitet. Nun gut unschuldig an seinem Erfolg war ich nicht. Ich mochte Mäxi Mäkery schon von Anfang an. Er war mir sympathisch, also habe ich immer und immer wieder ein gutes Wort für ihn eingelegt.

Er hat mich Mathematik und Englisch gelehrt, als mein Vater darauf bestand, dass ich wie jedes andere Kind eine gute Schulbildung genießen solle. Wobei nebenbei bemerkt genießen in diesem Kontext eine andere Bedeutung hat. Ich habe nie viel mit Mäki geredet, er wusste immer alles ohne dass ich ihm etwas erläutern musste. Manches Mal hatte ich Angst er könne meine Gedanken lesen. Dabei ist er einfach ein Menschenkenner und hat Psychologie studiert. Er könnte an einem kleinen Husten erkennen was mich bedrückt. Genau das ist der Grund, warum ich in seiner Gegenwart manchmal etwas nervös werde. Eine falsche Bewegung und er liest dich wie ein offenes Buch.

Mäki bat Dave raus. Nebenbei bemerkt, Dave und ich kennen uns seit Kindestagen und trotzdem wird er mich wohl nie so gut kennen wie Mäki es tut. Er wird mich nie so sehen wie Mäki es tut.

„Wann hast du dich das letzte Mal lebendig gefühlt?“, fragte Mäki nach langem unangenehmen schweigen. An sich war dieses Schweigen nicht unangenehm. Erst die Tatsache, dass nach solch einem Schweigen seinerseits, immer ein tiefgründiges Gespräch folgt.

„In Australien“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Es würde nichts bringen ihn anzulügen. Er weiß genau wann ich lüge. „Ich meine wann warst du dich deinem Leben bewusst und hast dich trotzdem frei und unbeschwert gefühlt?“. Schon wieder dieses Psychologie Gelaber. „Was meinst du mit meinem Leben bewusst?“, wollte ich wissen. „Wann warst du dir deiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewusst und warst trotzdem Glücklich?“, antwortete er mich leicht her. Ich beneide ihn um seine leichte Art.

In meinem Kopf ging ich mein Leben langsam noch mal durch. Jede Gefangenschaft bei Feinden meines Vaters. Jeden Schuss einer Waffe. Jeden Schlag von anderen Mafiaarbeitern. Jede noch so kleine Verletzung. „Bei Cato“, flüsterte ich. Denn bei ihm habe ich mich schwerelos gefühlt. Als hätte vor ihm nie etwas Sinn ergeben. Bei ihm fühlte sich alles so leicht an. Leben meine ich. Leben hat sich leicht angefühlt. Es gab keine Vergangenheit oder Zukunft. Es gab nur ihn und mich. Uns.

„Du solltest dein verdammtes Ego endlich beiseitelegen und mit ihm reden! Ich weiß, dass du getrunken hast weil all deine Gefühle dich mit einem Mal überrumpelt haben. Also hör auf mit der Scheiße. Du kannst nicht für immer so tun als wärst du Gefühlskalt und lass endlich mal diese verdammte Liebe zu. Er liebt dich! Ich weiß es, er weiß es und auch du weißt es. Nur weil du Angst hast, heißt es nicht, dass es Falsch ist!“

Er schaute mich noch einmal eindringlich an und ich flüstere ein einfaches „Okay“. „Wie bin ich eigentlich ins Krankenhaus gekommen?“, wollte ich wissen. „Dein Vater kam früher von der Arbeit und fand dich bewusstlos auf dem Wohnzimmerboden. Du solltest dich bei deinem Vater entschuldigen, er hat sich Sorgen um dich gemacht. Er wird die Bilder von die damals nie wieder los“, sprach er ernst. „Welche Bilder?“, wollte ich überrascht wissen. „Wie du halbtot im Krankenbett hingst, kreidebleich und dem Tod nahe“. Ich nicke nur.

Mein armer Vater. Im nächsten Moment kommt Dave mit einem Arzt in den Raum. Er schaute nur auf all die komischen Geräte um mich rum und meinte ich könne gehen. Nach unterschreiben der Entlassungspapiere wollte ich so schnell wie möglich Nachhause. Dave und Mäki setzten mich zum Glück Zuhause ab.

„Dad?“. Sofort kommt mein Vater auf mich zu und drückt mich an sich. „Bitte Alicia mach sowas nie wieder. Ich hatte schreckliche Angst um dich“, flüsterte er. Und da wurde mir etwas bewusst. Dad ist zwar der starke und kalte Mafiaboss, aber zuhause ist er der fürsorgliche Vater. Wieso soll die Mafia mein gesamtes Leben bestimmen, wenn ich Zuhause ich selbst sein kann. „Ich verspreche es“, flüstere ich. „Es tut mich so leid, Dad“, sprach ich weiter. „Es ist schon okay, aber rede beim nächsten Mal mit jemand. Ich zwinge dich nicht mir alles zu erzählen, aber irgendjemand. Auf dieser Welt kommt man nicht allein zurecht, meine Tochter“. Und er hatte Recht. Egal wie sehr ich mich auch vor anderen Menschen abschotten wollte, jeder braucht liebende Menschen an seiner Seite.

In meinem Zimmer angekommen, räumte ich erst mal das Chaos, dass ich gestern veranstaltete habe, auf. Auf dem Boden fand ich mein Handy. Es hatte einige Risse, da ich soweit ich mich erinnern kann es gegen die Wand geschmissen habe. Aber solange es funktioniert ist es auch egal. 1 Neue Nachricht von Cato. Verflucht. Ich muss mit Cato reden.

„Mir ist bewusst, dass du Zeit brauchst, aber bitte werde nicht wieder die kalte Mafiatochter. Ich habe eine andere Ally kennen und lieben gelernt. –Cato“

Ich las mir die Nachricht einige Male durch. Sie war kurz, aber auf den Punkt gebracht. Und ich habe genau diesen Cato kennen und lieben gelernt. Fürsorglich und ehrlich.

„Ich glaub wir müssen über einiges reden. Ich hoffe es ist ok für dich, wenn ich morgen 14 Uhr zu dir komme. –die Ally versucht sich selbst wieder zu finden“

Mein verdammtes Leben 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt