Mein irrer Alltag als Verkäuferin

Verkäufer = Lexikon ?

Es ist sicherlich keine Überraschung, wenn ich euch sage, dass ich sehr gern lese – immerhin habe ich in einem Buchladen gearbeitet. Ich dachte immer, dieses Interesse für Bücher und eine zusätzliche regelmäßige Recherche über die neuesten Veröffentlichungen würden ausreichen, um für diesen Job gewappnet zu sein.

Kundin betritt den Laden.

Ich: Guten Tag!

Kundin: Guten Tag!

Sie schaut sich um, während ich mit Bestellungen beschäftigt bin. Es vergehen einige Minuten, bevor sie mit einem Buch in der Hand zu mir an den Tresen kommt.

Kundin: Entschuldigen Sie, ich habe eine Frage zu diesem Buch, könnten Sie mir kurz weiterhelfen?

Ich: Klar, worum geht es denn?

Kundin: Ich suche ein Geschenk für meinen Mann und habe von diesem Buch schon viel Gutes gehört, aber er ist sehr wählerisch, was das Lesen angeht. Können Sie dieses Buch weiterempfehlen?

Ich werfe einen Blick auf das Buch.

Ich: Ich persönlich habe es noch nicht gelesen, aber eine Kollegin-

Kundin (überrascht): Wie, Sie haben das Buch nicht gelesen?

Ich: Bisher hat es sich leider noch nicht ergeben, aber-

Kundin: Aber Sie arbeiten doch hier, wie können Sie die ganzen Bücher denn verkaufen, wenn Sie nicht alle gelesen haben?

Ich (lächelnd): Meine Kolleginnen und ich geben unser Bestes, uns einen groben, aber repräsentativen Überblick über jedes Genre zu verschaffen. Da ist es leider so, dass nicht jeder jedes Buch lesen kann. Das heißt aber nicht-

Kundin (fassungslos): Also entschuldigen Sie bitte, aber das finde ich jetzt doch unprofessionell. Ich komme extra immer zu Ihnen, weil sie eigentlich so toll beraten, und jetzt war das alles umsonst. Ist Ihre Kollegin heute da?

Ich: Nein, ich bin heute allein, sie kommt übermorgen wieder.

Kundin: Dann spreche ich lieber mit ihr. Sie weiß wenigstens Bescheid. Schönen Tag noch.

Tja, anscheinend muss ein Buchhändler jedes Buch der Welt gelesen haben, so wie jeder Verkäufer in einem Supermarkt jedes Produkt probiert haben muss.

Das nächste Mal bin ich einfach unehrlich, sage ich hätte das Buch gelesen und es wäre ganz toll. Dann bekommt sie zwar keine professionelle Beratung, aber dafür das, was sie hören will.