Last Minute Einkäufe

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Ich verstehe es ja – man hat Stress, ist bis in den Abend hinein auf der Arbeit und dann erinnert man sich daran, dass man noch schnell, aus welchen Gründen auch immer, ein Buch kaufen möchte. Wieso bis zum nächsten Tag warten, wenn der Laden um die Ecke noch zehn Minuten geöffnet hat, oder fünf, oder eine?


Es ist 18:29 Uhr, in einer Minute schließt der Laden. Da stürmt plötzlich eine Kundin herein.

Kundin: Hallo, Entschuldigung, haben Sie noch geöffnet?

Ich: Wir schließen in einer Minute, aber schauen Sie sich ruhig um.

Kundin: Oh vielen Dank, das ist total lieb! Ich weiß auch schon, was ich will, also geht es ganz schnell.

Ich: Vielleicht kann ich Ihnen ja behilflich sein?

Kundin: Ja, gerne, ich suche ein bestimmtes Kinderbuch für meine Patentochter. Es heißt... Ach Gott, wie heißt es denn... Jetzt fällt mir doch tatsächlich der Titel nicht mehr ein. Ganz kleinen Moment, ich rufe nur kurz ihre Mutter an.

Ich nicke und sie wählt die Nummer. Leider scheint die Mutter ihres Patenkindes nicht erreichbar zu sein, denn nach drei Versuchen ist die Kundin immer noch nicht schlauer.

Kundin: Sie geht nicht ran... Aber ich brauche das Buch bis morgen, was mache ich denn jetzt? (Und sieht mich hilfesuchend an)

Ich: Können Sie sich denn an irgendetwas aus dem Titel oder dem Inhalt erinnern?

Kundin: Es hat irgendetwas mit Tieren zutun...

Ich: Das hilft uns doch schon etwas weiter! Schauen Sie hier, da gibt es die Reihe Die Schule der magischen Tiere, dann schreibt die Autorin Liliane Susewind ganz tolle Kinderbücher über ein Mädchen, das mit Tieren sprechen kann, außerdem gibt es noch die Reihe Warrior Cats, oder falls ihr Pferde gut gefallen, könnten auch die Bücher um Elena und ihr Pferd Fritzi gemeint sein. Ist da irgendetwas dabei?

Die Kundin scheint etwas überfordert zu sein.

Kundin: Hm... Also ich weiß nicht... Ich will ja auch nicht das falsche Buch kaufen.

Ich: Sie dürfen sich gern die Klappentexte durchlesen und schauen, ob Ihnen das weiterhilft.

Sie nickt, nimmt die erwähnten Bücher von mir entgegen und setzt sich auf unseren Lesesessel. Ich bemühe mich um ein unbekümmertes, ungenervtes Gesicht.

Ich (nach 10 Minuten): Und, erkennen Sie eine der Geschichten wieder?

Kundin: Leider nicht. Haben Sie noch ein bisschen Zeit? Dann würde ich nochmal versuchen, die Mutter meines Patenkindes zu erreichen.

Ich: Klar, kein Problem.

Also warte ich erneut, doch die Dame will wohl vehement nicht ans Telefon gehen. Inzwischen ist es zwanzig Minuten nach Ladenschluss. Die Tür geht auf und ein junger Mann tritt herein.

Kunde: Oh, Sie haben noch geöffnet?

Ich: Eigentlich nicht, ich helfe nur noch einer Kundin, dann mache ich Schluss für heute.

Kunde (sieht die Kundin am Telefon): Naja, dann kann ich ja noch kurz schauen – oder vielleicht können Sie mir weiterhelfen, es geht auch ganz schnell...


Es ist ein Teufelskreis: Manchmal kommt stundenlang nicht ein einziger Kunde, doch lässt man den Laden nur eine Sekunde zu lange auf, strömen sie in Scharen hinein.

Achso, das Buch für die Patentochter? Es hatte nichts mit Tieren zutun.

Mein irrer Alltag als VerkäuferinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt