Die schönen Seiten des Verkäuferlebens (1)

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Bisher habe ich mich nur über Kunden beschwert, die ungehalten wurden, verrückte Erwartungen an mich hatten oder mich in irgendeiner Art und Weise genervt oder von der Arbeit abgehalten haben. Doch auch wenn all diese Geschichten den Eindruck erwecken, dass das der Alltag eines jeden Verkäufers ist, so sieht die Realität etwas anders aus: Der Großteil der Kunden hinterlässt überhaupt keinen Eindruck, weil sie sich neutral verhalten. Ein kleiner, aber schwerwiegender Teil wird von den Kunden erschaffen, um die es hier meist geht – und der Rest besteht aus lieben, süßen, dankbaren und überdurchschnittlich höflichen Kunden, die man wirklich gern berät.


Eine ältere Dame betritt den Laden.

Ich: Guten Tag!

Kundin: Ah, guten Tag!

Sie schaut sich eine Weile lang um, dann spreche ich sie an, weil ich gerade nichts anderes zu tun habe.

Ich: Darf ich Ihnen behilflich sein?

Kundin: Oh, sehr gerne! Ich suche ein ganz bestimmtes Buch...

Sie nennt mir den Titel des Buchs und ich zeige ihr, wo im Regal es steht. Sie freut sich sehr darüber, dass wir es auf Lager haben. Dann kommt sie an die Kasse, um es zu kaufen.

Kundin: Falls es nicht zu viel verlangt ist, würden Sie das Buch vielleicht schön verpacken? Es soll ein Geschenk sein.

Ich: Natürlich, sehr gerne.

Wir suchen gemeinsam das passende Papier und eine Schleife aus, und dann verpacke ich das Buch.

Kundin (erfreut): Oh, das sieht aber toll aus! Vielen lieben Dank, was bekommen Sie denn dafür?

Ich (lächelnd): Gar nichts, das machen wir gern für Sie.

Kundin (überrascht): Nein, wirklich? Das ist ja klasse, nochmals vielen Dank! Es sieht wirklich schön aus!

Ich: Danke!

Sie verstaut das Buch in ihrer Tasche und wendet sich zum Gehen, als sie noch einmal stehenbleibt.

Kundin: Das klingt jetzt bestimmt total blöd und ich entschuldige mich im Voraus dafür, aber ich hätte eine Bitte an Sie. Ich habe zu Hause noch drei Bücher, die mein Mann bei Ihnen gekauft hat, die ich gern verschenken würde. Sie haben das gerade so toll gemacht, so schön habe ich in den letzten Jahren keine Geschenke mehr verpacken können, weil ich Arthrose habe. Wenn ich Ihnen die Bücher und den Kassenzettel als Beweis mitbringe, würden Sie sie mir vielleicht auch noch verpacken?

Sie ist eine so nette alte Dame, dass ich nichts dagegen habe, also stimme ich zu. Sie sagt, sie würde in einer Stunde wiederkommen und die Bücher vorbeibringen. Das tut sie dann auch, und weil es ein ruhiger Tag ist, kann ich ihr die Bücher gleich verpacken. Sie ist begeistert und dankt mir mindestens einhundert Mal, und ich sage ihr, dass es mich freut, ihr helfen zu können.

Kundin: Ich habe Ihnen eine Kleinigkeit für Ihre Mühen mitgebracht. (Sie reicht mir eine Schachtel Pralinen)

Ich (überrascht): Was? Ach, das wäre wirklich nicht nötig gewesen, das kann ich nicht annehmen!

Kundin: Davon will ich gar nichts hören. Sie haben mir wirklich weitergeholfen, und meine Kinder werden sich über diese wundervoll verpackten Bücher sehr freuen. Und jetzt muss ich auch los, nochmals vielen Dank!

Und damit verlässt sie den Laden.


Es sind Kunden wie diese Dame, die mir über alle weniger Freundlichen hinweghelfen.

Mein irrer Alltag als VerkäuferinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt