Stone Guard [German]

Der Tesserakt

Die Lichtung sah nicht so aus wie die anderen Lichtungen, die man kannte. Sie war kreisrund, in der Mitte stand ein Baum und um den Baum waren sechs Steine gleichmäßig verteilt. In den Steinen war eine ovale Einkerbung zu erkennen. Der Baum sah auch nicht normal aus: es sah so aus, als wenn eine quadratische Tür eingebaut war. Sie war vielleicht zehn Zentimeter hoch und ebenso breit. Langsam und vorsichtig näherte ich mich dem Baum. Ich zögerte. Sollte ich wirklich diese Klappe öffnen? Entschlossen umklammerte ich den kleinen hölzernen Knauf – und öffnete die Tür.

In dem Baum war ein leuchtender, blauer Würfel versteckt. Ich zog die Ärmel über meine Hände und zog den Würfel aus dem Baum. Ich kippte den Würfel auf meine rechte Hand, doch da meldete sich meine Wunde am Oberarm wieder. Ich biss auf die Zähne und atmete tief durch. Langsam gewöhnte sich mein Arm ans Gewicht. Neugierig wie ich bin, berührte ich den Würfel. Er erhob sich und schwebte über meiner Hand. Ein kleiner, ovaler Stein schwebte heraus und ‚fraß' sich in mein linkes Handgelenk. Wieder durchzuckte ein Schmerz meinen Körper. Ich bemühte mich, nicht laut loszuschreien. Der ovale Stein lugte noch etwas aus meinem Handgelenk raus. Ihn umrahmte ein Goldring.

Plötzlich hörte ich eine weibliche Stimme in meinem Kopf. Mein ganzes Auge leuchtete bläulich. „Cara! Beruhige dich! Ich will dir helfen!" „Wer bist du?" „Ich bin das, was du jetzt bist – die Wächterin!" „Wächterin von was?" „Die Wächterin der Infinitysteine!" „Die Infinitysteine?", fragte ich verwirrt. „Die Infinitysteine sind mächtige Artefakte, die in den falschen Händen eine Bedrohung sind. Es gibt sechs verschiedene Infinitysteine: den Stein der Seelen, den Stein der Macht, den Stein des Raumes, den Stein der Zeit, den Stein der Realität und den Stein der Gedanken. Jeder von ihnen besitzt Fähigkeiten, von den Menschen nur träumen können. Mit dem Stein der Seelen kannst du Wunden heilen und anderen die Seele rauben. Mit dem Stein der Macht bist du stärker und kannst andere ‚verbrennen'. Mit dem Stein des Raumes kannst du Dinge wieder aufbauen und fliegen. Mit dem Stein der Zeit kannst du die Zeit kontrollieren. Mit dem Stein der Realität kannst du Menschen das Herz zerquetschen. Mit dem Stein der Gedanken kannst du Gedanken kontrollieren und lesen. Es gibt selbst verständlich noch viele Fähigkeiten zu entdecken.
Doch Schluss mit Erklärungen! Hier findest du den nächsten Stein:
Tief im Wald, im Schein der Mittagssonne,
eine Blume wächst, dessen Kern ist der Schatz.
Finde die Steine und hüte sie gut!
Niemand darf sie in den Händen halten!"

Ich schluckte. Sollte ich ihr vertrauen?
Ich meine, ich wusste nicht, wer sie genau war und wo sie herkam.
Ach, ich hatte ja eh nichts zu verlieren, also: was soll's?
Gähnend sah ich in den Himmel. Mist, es war Mitternacht. Ich sollte mich in ein Gebäude verkriechen. Mit einem zufriedenen Lächeln ging ich nach Norden, wo sich Bronx befindet.

Einige Minuten später kam ich endlich in der Innenstadt an. Ich steuerte auf einen kleinen Laden zu. Es war so dunkel, dass ich nicht erkennen konnte, was das für ein Laden war. Ich legte eine Hand auf die Scheibe, um mich auszuruhen. Die Scheibe unter meiner Hand explodierte. Die Splitter schossen in meiner Hand, Blut floss aus den Wunden und tropfte auf dem Bürgersteig. Meine Augen leuchteten wieder bläulich. Vorsichtig betrat ich den Laden. Die Scherben auf dem Boden knirschten bei jedem Schritt. Ich tastete nach einem Lichtschalter. Das Licht ging an und ich sah mich um. An der linken Wand hängen eine Menge Spiegel und vor den Spiegel standen Tische. An den Tischen standen große, bequem aussehende Stühle. Auf einem der Tische lagen ein Notizbuch, ein Stift, Färbungmittel, eine Schere und ein Kamm. Zuerst nahm ich mir das Notizbuch und öffnete es. Auf der ersten Seite stand ein Zitat:

Bist du so, wie du bist, bleib so.
Veränderst du dich, verändere dich.

Ich überlegte kurz. In letzter Zeit hatte ich mich tatsächlich verändert. „Also muss ich mich auch ändern!" Ich blickte auf das restliche Zeug auf dem Tisch. Ich schnappte mir die Schere – und schnitt mir die Haare bis zu den Schultern ab. Anschließend färbte ich meine Haare schwarz und kämmte sie mir noch mal gründlich durch. Dann sah ich in den Spiegel. So, das sieht doch wirklich anders aus.

Ich nahm mir das Notizbuch und den Stift und setzte mich auf einen der Stühle. Dann fing ich an zu schreiben:

Fähigkeiten der Infinitysteine

Macht: Stärke, Verbrennen
Raum: Schweben, Reparieren, Schallwellen
Zeit: Zeit manipulieren
Realität: Herzen zerquetschen
Gedanken: Gedanken kontrollieren und lesen
Seelen: Seelen rauben, heilen

Ich klappte das Buch zu und stopfte es mit dem Stift in die Tasche meines Pullis. Ich stand auf und suchte nach einem Sanitätskasten. Ich ging auf die gegenüberliegende Wand zu und öffnete den weißen Kasten mit einem grünen Quadrat drauf, in dessen Mitte sich ein weißes Kreuz befand. Ich holte mir eine Pinzette und zwei Verbandsrollen raus. Mit der Pinzette zog ich mir die Scherben aus der Hand. Als ich fertig war, nahm ich mir eine Verbandsrolle und wickelte sie um meine verletzte Hand. Mit der anderen Verbandsrolle wicklte ich meine blutverschmiert Hand ein. Ich ging zum Lichtschalter und knipste das Licht aus. Dann taste ich mich zum Stuhl vor und lehnte mich zurück. Nach einigen Minuten schlief ein und befand mich in einem gruseligen Traum.