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~<>~

Remember the time, you've gone away
Remember the sentence, you're asked to stay.
Remember the birds, in the air so free
More free than you'll ever be.

~<>~
~ Perspektive 1 ~

Ich weiß, dass du niemals aufgegeben hättest. Egal was passiert ist, du hast immer eine Lösung gefunden.
Doch jetzt bist du fort und ich bin nicht wie du. Ich habe nicht einmal jemanden, der mir helfen kann, alle wurden sie mir genommen und nun bin ich ganz allein.
Ich weiß noch, wie du mir immer erzählt hast, dass ich es schon schaffen würde. Wie du mir vor dem einschlafen immer Geschichten von früher erzählt hast. Wie du immer hinter mir standest, selbst dann wenn es bereits aussichtslos war.
Ich vermisse dich mehr als in all den anderen Jahren, in denen ich Mutter Nachts weinen gehört habe und in denen alle mich immer bemitleidet haben.

Ich habe noch eine letzte Bitte an dich. Bitte hilf mir in dieser not, hilf mir das alles zu überwinden. Bitte Vater, stehe ein letztes mal zu mir und helfe mir in dieser Not. Ich warte auf dein Zeichen,
in Liebe

Aria

Schweigend sitze ich am Feuer und warte, dass Zettel in Flammen auf geht. Es bleibt nur ein Haufen Asche von meinem Brief übrig und ich bin wieder allein.

~Perspektive 2~

Die Drachenklippe ist längst in keinem guten Zustand mehr. Die Hütten sind eingefallen, die Farbe ist abgeblättert. Manche der Terrassen sehen instabil aus.

Als wir vor dem Clubhaus landen weiß ich bereits, dass ich nicht lange bleiben werde. Dieser Ort ist voll mit alten Erinnerungen. Unzählige Male sind wir hier gelandet, immer auf dem Weg in neue Abenteuer. An manchen Stellen kann man auch noch die Schäden der Angriffe erkennen. Meine Hütte ist nicht mehr intakt - seine auch nicht. Es war eine dumme Idee hierher zu kommen, aber daheim kann ich einfach nicht mehr bleiben.

Sie glauben, dass ich es nicht mehr mitbekomme, wenn sie mit dem Finger auf mich zeigen.
„Sie hat alles verloren", sagen sie dann.
„Sie ist längst nur noch ein Schatten der Person, die sie früher war". Manchmal höre ich auch, wie sie ihren Kindern Geschichten von früher erzählen.

Von dem Jungen, der den Frieden mit den Drachen brachte.
Von der Gruppe, die für die Drachen kämpfte. Diese Geschichten erinnern mich selbst an die Zeit, in der alles in Ordnung war.

Ich setze mich auf den Boden und lasse die Beine baumeln. Auch eine schlechte Idee, denn genau an dieser Stelle haben wir uns das erste Mal geküsst.
Damals erschien es mir wie der Start in ein neues, wunderbares Leben.
Heute kann ich diese Euphorie nicht mehr nachvollziehen.
Viel zu lange ist er bereits weg. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Aria eines Nachts mal wieder zu mir gekommen ist.
Damals hat sie das noch manchmal gemacht.
„Ich vermisse ihn", hat sie geflüstert und eine Träne ist ihre Wange hinunter gerollt.
„Ich weiß und er kommt sicher bald zurück", habe ich damals geantwortet, obwohl ich es bereits besser wusste. Ich hatte den Brief bereits gelesen, der am Morgen davor bei mir ankam. Ich wusste bereits, dass er nie wieder zurückkommen würde. Aber das habe ich ihr nie gesagt, nie hat jemand erfahren, dass ich es bereits wusste, als alle anderen noch hofften.

Mir war bewusst, dass ich stark sein musste. Als einzige aus unserer Gruppe bin ich geblieben. Ich war jahrelang stark, für ihn, für unser Volk und für unsere Tochter. Aber zum Schluss hat es auch mich zerstört, denn auch ich kann die Last aller nicht tragen. Ich schaue in die Ferne, wo die Sonne gerade im Meer versinkt und es versetzt mir einen Stich, dass er es nie wieder sehen wird.

~ Perspektive 3 ~

Sie ist auf der Drachenklippe. Unterbewusst hat sie meinen geheimen Rückzugsort gefunden. Es tut mir weh sie so zu sehen.

Am Anfang dachte ich, dass ich irgendwann zurückkommen könnte. Doch die Jahre vergingen und unsere Tochter wurde immer größer. Irgendwann war die Schlacht geschlagen, die ich alleine führen musste. Mir wurde klar, dass es längst kein zurück mehr gab. Die Leute waren ohne uns besser dran, niemand schien mich und meinen Freund zu vermissen.

Nur die einst so großen Drachenreiter zerstreuten sich nach und nach in alle Himmelsrichtungen. Fischbein ging zu den Berserkern, Rotzbacke zu den Verbannten und wer weiß, wohin die Zwillinge gegangen sind. Nur sie blieb und auch wenn ich ihr die Trauer immer ansah, so hat sie doch gelächelt.

In diesen Momenten habe ich mich selbst dafür gehasst, dass ich ihr das angetan habe. Es hat mich zu Verzweiflung getrieben, dass ich sie nicht trösten konnte.
So wie früher.
Aber es gab kein zurück mehr, ich hatte eine Entscheidung getroffen und sie mussten die Konsequenzen tragen.

Irgendwann habe ich aufgehört sie zu besuchen. Doch jetzt, wo sie wieder so nah ist frage ich mich, ob es die richtige Entscheidung war. Ich könnte jetzt aus der Deckung kommen und sie in den Arm nehmen, sie küssen und ihre Wut über mich ergehen lassen, die sie haben wird. Ihre Wut, die ich verdient habe und der ich mich gerne Stellen würde. Ich liebe sie immer noch und meine Gefühle sind in all der Zeit nicht schwächer geworden.
Aber mir fehlt der Mut dazu und so verschwinde ich wieder in den Wolken ohne, dass sie mich bemerkt hätte.

~Perspektive 1/ Aria ~

Noch immer knistert das Feuer leise, es erinnert mich an das, das an seiner Trauerfeier brannte. Viel zu deutlich erinnere ich mich an das traurige Gesicht meiner Mutter. Sie war schon die ganze Woche so komisch gewesen, diese Sache hatte ihr den Rest gegeben.

Im Nachhinein denke ich, dass sie es bereits gewusst hat. Doch sie hat es nie jemandem erzählt, immer ist sie stumm geblieben.

Auch die anderen Besucher der Feier sind mir noch gut in Erinnerung. Während meine Mutter nicht weinen konnte, hat seine Mutter viel zu viele Tränen vergossen. Erst hat sie ihren Mann verloren, dann ihren Sohn.

Auch seine Freunde waren alle da, ich weiß noch, wie Rotzbacke krampfhaft versucht hat positiv zu denken und wie Fischbein sich Tagelang in Büchern vergraben hat.
Selbst den Zwillingen ist kein Scherz eingefallen, der die Situation aufgelockert hätte. Vermutlich, weil es keinen gab.
Dagur und Heidrun waren da, Mala und noch ein paar andere Leute von früher. Alle hatten diese traurige Miene, Wochenlang konnte niemand lachen.

Irgendwann ging das Leben weiter, aber für manche ist es an diesem Tag stehen geblieben. Ich wollte nie eine von ihnen werden, ich habe immer darum gekämpft. Aber es ist mir nie ganz gelungen.

Willkommen zu einer neuen, eher traurigen Geschichte. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. Eure
jolannasa

Kalte NächteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt