Kapitel 1

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Mit pochenden Brustkorb und einen dumpfen hämmern im Schädel wache ich auf. Es ist noch dunkel draußen. Man kann noch ein paar lichter von draußen sehen, die durch die verdreckte Scheibe scheinen. Mühsam setze ich mich auf. Ich schiebe vorsichtig mein top hoch und betrachte die schmerzhafte stelle. Sie ist etwa faustgroß und lila, blau, grün, ich glaube sogar ein bisschen gelb zu sehen. Alles in allen nicht schlimmer als sonst. Nicht angenehm, aber erträglich.

Ich muss wohl wieder eingenickt sein, denn als mich das poltern der Treppe wieder aufschrecken lässt, zeigen sich schon die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster. Sofort springe ich aus den Bett. Das poltern lässt nichts gutes verheißen. Und wie auf Kommando fliegt just in diesen Moment die Tür auf und das Monster, dass ich ohne Stolz als meinen Vater bezeichne, donnert in mein Raum. Ich weiß, was er von mir verlangt und mir wird schon vom Gedanken daran übel. Für ihn bin ich nicht seine Tochter. Noch nicht einmal einen namen habe ich. Wenn es sein muss ruft er mich mit einer Nummer: 2-3. Meine bezeichnung. Wofür das steht weiß ich nicht. Auch sonst fühle ich mich eher als putzfrau, die nebenbei noch seine Arbeit macht, als eine Verwandte des Ungetüms, welches gerade vor mir steht und mich dreckig angrinst. Willenlos, wie eine Sklavin, beginne ich mich zu entkleiden, um sein Bedürfnis zu stillen. Wie schon so oft davor.

Wenn er wiederkommt, muss ich fertig sein. Mit Einen flüchtigen Blick auf die Uhr wende ich das Fleisch, dass gemächlich in der Pfanne vor sich hin bruzelt. Wie konnte es nur so weit kommen? Seit Mama, mein Schutzengel, Tod war, musste ich ihren Platz einnehmen. Ich muss kochen, putzen und ihn halt auch körperliche Leistung entgegenbringen. Er behauptet, dass es normal sei. Als ob ich ihn so was glaube... Mein größter Wunsch ist es wegzunehmen. Weg von den Schlägen, weg von den Monster. 
Plötzlich höre ich, wie ein Schlüssel ins schloss gesteckt wird. Fuck! Er ist schon zurück! Hastig krame ich einen Teller und Besteck aus den Schrank und klatsche das halbfertige Fleisch und die nur lauwarmen Nudeln drauf und donnere sie noch hektisch auf den gemischten Tisch. Gerade noch rechtzeitig. Genau in den Moment betritt Vater die Küche. Dass er Hunger hat ist mir klar, genauso wie mir klar ist, dass es ihn nicht schmecken wird. Vorsorglich verkriechen ich mich schon in die ecke, versuche mich zu verstecken, obwohl ich weiß, dass es umsonst ist.
Schon nach den ersten bissen hält er inne. Mit lodernden augen sucht er den Raum ab. Nach mir. Als er sich erhebt und langsam auf mich zukommt, drücke ich mich weiter in die ecke, als ob ich hoffte, dass sich ein Loch auftäte, in den ich der drohenden Strafe entgehen könne. Aber nix da. Die wand bleibt so stabil wie eh und je. Dann trifft mich der erste Schlag. Direkt in den Bauch. Die gesamte Luft wird aus meinen Lungen gepresst, weshalb ich mich zu einer röchelnden Kugel zusammenrolle. Weitere Schläge prasseln auf mich ein, treffen mich überall. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie schmerzhaft die Verletzungen morgen sein würden. Die Prügel ließ ich ohne Tränen und schreie über mich ergehen, ich weiß, dass es dadurch nur verschlimmert würde. Sanft beginnt sich der lang ersehnte, dunkle Schleier über meine Sicht zu legen um die Schmerzen für eine kurze Zeit verblassen zu lassen. Kurz vor der Ohnmacht kann ich nur noch einen klaren Gedanken fassen: Fort. Ich muss von hier fort.

Freiheit   (Auf streife die Spezialisten)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt