Kapitel 3.3

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Sie ritten mehrere Stunden, Lillian aß diesmal während des Rittes und fragte sich dabei mehr als einmal, warum die Krieger es nur so eilig damit hatten nach Hause zu gelangen.

Konnten sie denn wirklich nicht ein wenig langsamer reiten?

Doch sie stellte diese Frage nicht, so wie auch hundert weitere, die ihr an diesem Vormittag auf der Zunge brannten, als sie das manchmal sehr seltsame Gebaren der Soldaten betrachtete.

So ritten sie einmal wirklich sehr dicht, aber leise an einer

kleinen Kriegertruppe in fremden Farben vorbei, wobei sie die festen Wege mieden. Die Soldaten hatten ihre Schwerter blank gezogen und Ian legte ihr vorsorglich auch noch eine Hand über den Mund, damit sie nicht unabsichtlich aufschrie, wenn er plötzlich lospreschen musste.

Seine Hand zuckte auch später mehr als nur einmal zu seinem Schwert, seine Augen waren auf beständiger Suche nach verdächtigen Bewegungen und Geräuschen in der Umgebung und er schenkte ihr so gut wie gar keine Aufmerksamkeit mehr. Zudem bemerkte Lillian, dass er sein Ross nunmehr mit den Knien lenkte.

Indes, die Krieger des wohl feindlichen Clans bemerkten die leise vorbeihuschenden MacAlisters nicht und sie ritten weiter, viel später sogar wieder auf dem Pfad, der sich durch dunkle Wälder und abgeerntete, braungrüne Täler schlängelte.

Dann gegen Mittag kam einer der Späher zurück, die Ian zurückgeschickt hatte, um ihren Rücken zu decken und überbrachte anscheinend eine sehr wichtige und ernsthafte Botschaft. Lillian verstand wie immer nicht, worum es ging, auch wenn die Sprache ihr langsam ins Ohr ging und sie vermeinte einzelne Wörter herauszuhören.

Jedenfalls hieß Ian sie sofort vom Pferderücken hinabsteigen und brachte sie zu einem nahen umgestürzten Baum.

„Verbergt Euch hier, Lillian!", befahl Ian ihr schroff. „Die MacKeith sind uns dicht auf den Fersen. Wir werden gleich in ein kleines Scharmützel geraten und ich will Euch derweil aus dem Weg haben!", erklärte er rundheraus.

Lillian erbleichte sichtlich. Die MacKeith!

„Mylord ... !", wisperte sie verstört auf und sah zu ihm hoch. Er wirkte schon mit den Gedanken beim Kampf und schob sie rasch unter den Baum, bedeckte ihr Versteck noch mit Zweigen und Blättern, bis nichts mehr ihre Anwesenheit verraten konnte.

„Bleibt hier, Lillian, und rührt euch nicht!", befahl er nochmals barsch, ging mit schnellen Schritten zurück zu seinem Pferd und ritt dann scheinbar auf und davon.

Lillian hockte bebend vor Angst und Sorge unter dem gewaltigen Baumstamm und spähte zwischen einigen Zweigen hindurch ins Freie. Der Weg und die kleine Lichtung waren nun vollkommen verlassen. Einzig einige Wintervögel waren noch zu hören, ansonsten war es gespenstisch ruhig.

Sie hörte ihren eigenen Atem überlaut in ihren Ohren und bemühte sich verzweifelt um Ruhe und Gelassenheit. Der Boden unter ihren Knien war kalt und feucht, stellenweise sogar schon ein wenig gefroren.

Je höher sie kamen, desto kälter wurde es. Lillian fragte sich sogar, ob es nicht noch etwas weiter oben bereits schneite.

Plötzlich wurde ihre Aufmerksamkeit von raschen Hufschlägen abgelenkt, die sich bald zu einem Donnern ausweiteten, das von überall her zu kommen schien. Lillian wollte schon die Zweige ein wenig verschieben, um deutlicher sehen zu können, da übersprang ein riesiges Pferd wild schnaubend ihren Baumstamm, unter dem sie hockte.

Weitere bemannte Pferde folgten dichtauf. Lillian hielt vor Schreck den Atem an. Es waren alles MacKeith, wie sie an ihren Plaids bemerkte und sie kamen aus allen erdenklichen Richtungen angeritten.

Lillian gefror das Blut in den Adern. Eine Falle.

Sie hatten die MacAlisters verfolgt, wahrscheinlich irgendwann in der Nacht überholt und sie umzingelt, nur um sie nun alle aus dem Hinterhalt heraus anzugreifen.

Lillian wagte kaum noch zu atmen, als mehrere zornige Rufe laut wurden. Sie hörte den gewaltigen Bariton des MacKeith-Anführers, an den sie sich nur zu ungern erinnerte.

Er sprach gälisch, doch seine Worte waren Lillian absolut klar. Er fragte die Soldaten, wo zum Teufel die MacAlisters geblieben waren und war sehr wütend über den verpatzten Angriff.

Schon bald schwärmten die Krieger der MacKeith wieder aus und durchsuchten die nahe Umgebung.

Lillian duckte sich noch tiefer unter den Baum und zu Boden, weil sie befürchtete, schon bald gefunden zu werden. Einer der Soldaten kam ihr bereits bedrohlich nahe und stocherte mit seinem langen Stecken in den Büschen herum, sowie auch im hohen Herbstlaub.

Dann plötzlich gelten erneut wilde Schlachtrufe durch den Wald.

Der Soldat in ihrer Nähe fluchte und ließ sogleich von seiner Suche ab. Nun waren es die MacAlisters, welche die MacKeith aus dem Hinterhalt heraus überraschten. Binnen weniger Sekunden kamen sie von allen Seiten her angeritten und schwangen ihre Schwerter, ganz wie die Berserker aus Lillians grauenvollsten Fantasien.

Was Lillian vorgestern nur gerade so am Rande erhascht und ansonsten gehört hatte, weil sie ja selbst vor den Angreifern sowie den MacKeith geflohen war, beobachtete sie heute nun mit aller Deutlichkeit.

Obschon die MacAlisters weit weniger Krieger zählten, als die boshaften MacKeith, waren sie denen an Kampfeskraft und Stärke weit überlegen.

Vielleicht lag es ja auch an dem Laird der MacAlisters selbst, der wie ein Satan immer wieder aufbrüllte und mit nur einem einzigen Schwertstreich zwei Soldaten seines Feindes ins Jenseits beförderte.

Es schien ihm regelrecht Freude zu machen, erkannte Lillian zutiefst erschüttert. Blut spritzte über seine Arme und das Gesicht, als seine Klinge die Kehlen und Bäuche seiner Opfer aufriss. Er hatte sich wieder Kriegsflechten in die Haare geflochten, was ihm ein wildes und beinahe animalisches Aussehen verlieh, genauso wie die neuerliche blaue Farbe auf seinem Gesicht.

Lillian stockte schon wieder der Atem. Ihre Kehle wurde bedrohlich eng. Sie konnte kaum glauben, was sie da mit ansah, solch scheußliche Grausamkeit.

Die Soldaten fielen wie die Fliegen, niemand wurde verschont, selbst den Flüchtenden wurde hinterhergesetzt und diese, wenn irgend möglich, zu Fall gebracht.

Pfeile bohrten sich in die Brust, in den Rücken, in die Bäuche von Soldaten, die voll Agonie aufbrüllten und schließlich verstummten.

Lillian war schon bald den Tränen nahe und zutiefst entsetzt. Vor allem von ihm ... Ian, ... der wie besessen auf den Feind eindrosch, bis der sich nicht mehr rührte oder der sein Schwert dermaßen wild schwang, dass ein abgetrennter Kopf fortflog, genauso wie einige weitere Gliedmaßen.

„Lieber Gott im Himmel, hilf!", betete Lillian und schloss erzitternd die Augen. Welch ein abscheuliches, gottloses Massaker. Das konnte sie nicht mehr mit ansehen.
Sie ritt tatsächlich mit dem Teufel persönlich. Ihre Angst kehrte mit aller Macht zurück.

Sie würde nicht mehr nach England zurückkehren, hatte er gesagt. Was mochte er also grauenhaftes mit ihr vorhaben und warum schritt der Herrgott nicht ein und strafte diese wütenden brüllenden Berserker mit seinem Zorn? Inständig betend, dass Gott und die heilige Jungfrau sie beschützen mögen, öffnete Lillian die Augen schließlich wieder, weil sie noch etwas erschreckend anderes bemerkte. - Sie bekam gerade kaum noch Luft! Natürlich versuchte sie trotz des erstickenden Krampfes in ihrer Kehle, der sich zu einem ausgewachsenen Anfall auszuweiten drohte, einfach weiterzuatmen und alles irgendwie zu überstehen.

Sie war so damit beschäftigt zu atmen, dass sie nicht bemerkte, wie der Kampf endete.

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