Kapitel 3.6

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Lillian sah ihnen zutiefst beunruhigt nach.

„Mylord! Ihr setzt das Seelenheil Eurer Mannen aufs Spiel, indem ihr ihnen einen Diebstahl befehlt!", klagte sie ihn erschüttert an.

Ian zuckte indes nur mit der Schulter.

„Duncan und Steven sind unsere besten Diebe. Sie werden schon nicht erwischt. Und die Hamiltons, die übrigens zum MacGregor-Clan gehören, sind reich genug. Sie werden schon nicht erfrieren, Lillian, nur weil sie einen Umhang verlieren."

„Dennoch ist Stehlen eine Sünde, Mylord ...", versuchte sie es erneut händeringend zu erklären.

„Ich hatte Euch befohlen, mich Ian zu nennen!", unterbrach er sie da schon wieder aufbrausend und fuchtelte gleich darauf wütend mit dem Finger vor ihrer, in der Kälte leicht geröteten, Nase herum. „Ich mag es nicht, wenn Ihr mich anders nennt, habt Ihr das nun verstanden, Weib?", fuhr er sie noch zusätzlich an, grunzte ein zweites Mal, als sie wiederum eingeschüchtert nickte, und ging dann mit harschen Schritten an ihr vorbei zum Teich hinüber, wobei er sich in unverschämter Weise seine gesamten Kleider vom Körper zog. Mit blutroten Wagen erhaschte Lillian gerade noch einen Blick auf sein blankes gebräuntes

Hinterteil, bevor es ihr endlich gelang von ihm abzuwenden.

Die anderen Krieger sahen wohl den Aufbruch zum Teich als eine Art Aufforderung an, es ihrem Laird gleichzutun. Nur der junge Erik blieb am Feuer sitzen und lächelte der schockierten Lillian mitfühlend zu.

„Unser Laird ist ein wahrhaft meisterlicher Krieger, Mylady. Nur mag er es nicht, wenn jemand seine Befehle nicht befolgt. Setzt Euch doch ein wenig näher ans Feuer, hier ist es warm, zumindest bis Duncan und Steven zurückkehren.", schlug er ihr freundlich vor.

Hart schluckend vernahm Lillian bereits das laute Aufplatschen im Teich, als die Krieger hineinsprangen und sich vermutlich nun Blut, Schweiß und Farbe von den Armen und Gesichtern abwuschen. Sie alle hätten indes sehr viel mehr als nur einer gründlichen Säuberung bedurft, um nicht länger wie Barbaren auszusehen. Zumindest die Haare waren ihnen verboten lang gewachsen und dann auch noch die Kleider, ja Röcke, die sie trugen, nein, wie seltsam, doch so langsam schien sie sich an den Anblick der bloßen Knie unter weiblicher, viel zu kurzer Kleidertracht zu gewöhnen.

Es war schon fast dunkel, als die Krieger nun mit nassen Haaren, aber sichtlich sauber, ans Feuer zurückkehrten. Bald trafen auch die Jäger ein, die einen jungen Rehbock erlegt hatten, sowie auch Steven und Duncan mit einem fellbesetzten, gewiss sehr kostbaren Umhang aus dicker fester Wolle.

Lillian sträubte sich noch immer dagegen, ihn anzunehmen und sah die beiden breit grinsenden Krieger, die auch noch mit ihrer Tat prahlten, böse an.

„Es war ganz leicht, Mylady.", prahlte Duncan.
„Kegan Hamilton ist so taub wie er dick ist und seine ebenso taube Frau wird den Umhang sicher nicht vermissen. Wir waren in einer Minute rein und wieder raus.", berichtete Steven ihr stolz.

Duncan nickte zustimmend. „Aye, Mylady, und wir haben

den schönsten und wärmsten Umhang mitgenommen, den die alte Vettel in ihrer Kleidertruhe hatte.", fügte er noch stolzer hinzu. Ian sah kurz in Lillian bekümmertes Geicht und nahm Steven dann den Umhang ab. Lillian wich ihm aus, als er ihn ihr um die Schultern legen wollte und sah ihn kopfschüttelnd an.

„Er ist gestohlen, My... Ian! Ich kann ihn nicht anziehen. Ich würde ..."

„Vor Gram sterben, ja, ich weiß.", seufzte der Laird genervt auf, fing Lillian mit einem raschen Griff um ihr Handgelenk ein und zog sie kurzentschlossen zu sich heran. Dann legte er ihr, die ihm immer noch widerstrebte, den Umhang um die bebenden Schultern.

„Nein, das kann ich nicht tun!", rief Lillian erneut empört auf, da zerrte Ian sie noch dichter an sich heran. Seine Miene war eiskalt und hart wie Stein.

„Nun, wenn ihr unbedingt darauf besteht, den Umhang nicht zu tragen, werde ich Euch heute Nacht vermutlich wieder wärmen müssen, Lillian.", warnte er sie rau und legte seine Hand besitzergreifend auf ihre kleine feste Brust, das ihr sprachlos und voller entsetzen der Mund offen stehen blieb.

„So sehr aber, wie es Euch friert, werden wir dabei wohl auch noch unsere gesamten Kleider ablegen müssen. Denkt Euch nur, nackte Haut an nackter Haut, Lillian.", schnurrte er bedrohlich sanft und zuckte dann mit einem boshaften Aufblitzen in den Augen die Schulter, als sie vor Schreck ihre Augen weit aufriss. „Nur so kann ich euch richtig ... wärmen.", fügte er gedehnt hinzu und ließ wirklich keinen Zweifel daran, dass er meinte, was er da gerade sagte.

Entweder sie akzeptierte den gestohlenen Umhang klaglos oder sie würde die Konsequenzen zu tragen haben. Eine Sünde gegen die andere abwägend, faltete Lillian die Hände erbebend vor der Brust.

„Bitte, Ian, tut das nicht!", flüsterte sie so leise, dass nur er es hören konnte. Er nickte leicht spöttisch lächelnd. „Dann akzeptiert endlich, dass ihr hier nicht mehr in Eurem frommen, englischen Kloster seid.", erwiderte er knurrig. „Bei uns sind viele Dinge gänzlich anders als bei euch. Wir sind nicht so verweichlicht wie die Engländer. Wenn wir etwas brauchen oder wollen, holen wir es uns, so einfach ist das."

Lillian senkte betroffen den Kopf, wagte nun aber nichts

mehr zu sagen, während Ian sie in den Umhang einwickelte und deren Schließe vorne einhakte. Das weiche Fell streichelte ihre kalten Wangen und sofort wurde es ihr deutlich wärmer zumute. Trotzdem wartete Lillian voller Angst auf Gottes Zorn, der gewiss sehr bald über sie hereinbrechen würde.

Den restlichen Abend saß sie am Feuer und starrte in die Flammen, als läge darin ihr Heil. Sie aß, was Ian ihr vorsetze, ohne es zu schmecken oder auch nur hinzusehen und trank hernach frisches Quellwasser, dann wollte auch sie zum Teich hinuntergehen, um sich ein wenig zu waschen. Wie leicht doch jene fromme Erziehung der guten Nonnen zerstört werden konnte, überlegte sie sich bange und sah zum schimmernden Mond hinauf, der hinter einer dicken Wolke hervorlugte, während sie schließlich wortlos aufstand und den kurzen Weg zum Teich hinunter nahm.

Die Luft roch nach Schnee, war kristallklar und eisig kalt.

Ja, es würde sicher bald anfangen zu schneien, bangte sie sorgenvoll und es behagte ihr gar nicht. Das Klima in diesem Land war so viel rauer als in England und das hatte ihr schon nicht gutgetan, wie Schwester Alba meinte. Sie hatte gesagt, wärmere Gefilde, wie es sie im Süden Englands gab, wären gewiss besser für sie und ihre Anfälle, die Wärme würden sie bestimmt mildern. Doch nun war sie sogar noch weiter in den Norden gebracht worden. Lillian sah sorgenvoll über den Teich hinweg, während sie ein kleines Tuch im Wasser benetzte und damit ihr Gesicht, Hals und Arme abrieb und auch ihre Ohren hierbei nicht vergaß.

Plötzlich schnaubte es leise hinter ihr. Lillian wandte den Kopf und sah das Schlachtross des Laird, Luzifer, mit gesenktem Haupt hinter ihr stehen und sie betrachten.

Die riesenhaften Ausmaße des Tieres hätten Lillian erschrecken müssen, doch es war nicht so, also wandte sie sich einfach nur wieder ab und sah weiter über den Teich hinweg.

„Bist du auch sein Eigentum?", wisperte sie leise in die Nacht hinaus. Das Ross schüttelte leicht und behäbig den Kopf und stieß mit den Nüstern sanft gegen ihren Rücken. Lillian lächelte unter Tränen.

„Ich ängstige mich vor der Zukunft.", gab sie dem schwarzen Ross gegenüber leise zu. „Dir muss es gewiss ähnlich ergangen sein, nicht wahr? Auch dein Fell ist gezeichnet von Narben und Schlachten. Eigentlich verdienst nicht du diesen Namen, sondern er, der mich zwingt, vor Gott zu sündigen, der mich zwingt, in ein Land zu gehen, das weitab von Wärme und Licht ist, und wo ich vermutlich schon bald meinen Tod finden werde ... "

„Wenn ihr damit auf Euer Lungenleiden anspielt, das heute früh am Tage zum Vorschein trat, so denke ich, Ihr irrt Euch, Lillian.", trat nun auch Ian aus der Dunkelheit zu ihr hin. Luzifers Kopf schoss sogleich hoch. Der Krieger sah sein Ross nur respektvoll an und schnippte dann leise mit der Hand. „Du hältst dich doch sonst von allen Menschen fern, mein Freund. Was hat dieses Mädchen an sich, dass du nach ihrer Nähe verlangst?", fragte er den Hengst sanft. Doch der schnaubte nur, wich seiner Hand aus und galoppierte zurück in die Nacht. Lillian sah ihm sehnsüchtig hinterher, ohne zu wissen, dass Ian ihre Züge im sanften Mondlicht bestens erkennen und lesen konnte.

„Denkt Ihr, er wäre frei, weil er ungebunden herumläuft?", erkundigte er sich spöttelnd bei ihr.

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