Kapitel 3.5

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Erneut ritten sie den ganzen Tag, doch Lillian, inzwischen zu erschöpft von ihrer neuerlichen, diesmal aber sehr kurzen Vision, die ihr immer noch im Kopf herumging, von einer ihr unbekannten jungen und sehr schönen Schottin, die sich auf einer steilen Treppe ohne Handlauf augenscheinlich zu Tode stürzte, döste mehr vor sich hin, als dass sie wachte.

Einige Male rüttelte der Laird sie auf und musterte sie mit harter, grimmiger Miene. Oh, da war keine Sorge in seinem Blick, nur Ärger, dass sie anscheinend den Tag verschlief. Doch er verstand es eben nicht. Er hatte den vollen Anfall nicht erlebt, nur die letzten geringen Ausläufer. Wie konnte er also verstehen, dass sie wahrlich nicht für eine solche Tortour geschaffen war, wie er sie ihr gerade aufzwang?

Dann schließlich hielten sie wieder - es dämmerte noch nicht einmal - an einem großen Teich.

Der Laird sprach rasche Befehle und seine Soldaten stiegen von ihren Pferden, versorgten diese und richteten eine Feuerstelle her. Drei Krieger holten sich ihre Bögen und liefen in den nahen Wald hinein, vermutlich um etwas Wild zu erlegen.

Lillian fröstelte es, während sie sich schon wieder voll geheimer Sorgen umblickte.
Ian sprang nun ebenfalls von seinem Pferd und hob Lillian herab. Einen Moment lang sah er sie äußerst ernsthaft, wenn nicht gar grimmig an, bevor er sie losließ.

„Vielleicht werde ich Euch einfach behalten, Lady Lillian, was sagt Ihr dazu?", stieß er hart hervor, einfach nur, um ihre Reaktion darauf zu sehen.

Lillian sah nur aus großen betroffenen Augen zu ihm auf und sagte kein Wort. Sie konnte nicht, weil sie nicht wusste, was sie nun sagen sollte. Alle Kraft wich ihr aus den Gliedern. Schließlich senkte sie hastig den Kopf, um seinem eindringlichen Starren zu entgehen und erzitterte kurz.

„Mir ist kalt, Mylord.", murmelte sie ausweichend.

Ian seufzte entnervt auf und ließ sie los. Lillian überzeugte sich mit einem raschen Seitenblick, dass er sie auch tatsächlich gehen lassen würde und entfernte sich dann rasch von seiner Seite.

Er wollte sie also behalten?

Wie einen kleinen Hund oder sein prächtiges schwarzes Pferd?

Ihre schlimmsten Befürchtungen würden also tatsächlich wahr werden. Der Highlander war ein Barbar der schlimmsten Sorte. In Gedanken versunken, trat sie zum Feuer hin und zog das Plaid, das ja an der einen Seite nur über ihre Schulter herabhing, auch über ihre andere Schulter, um sich zu wärmen.

„Ihr braucht einen warmen Umhang, nicht wahr, Mylady?", fragte Duncan neben ihr. Sie sah nicht zu ihm hin und antwortete auch nicht. Egal, was sie auch brauchte oder ersehnte, sie würde gewiss keine Forderungen an die Highlander stellen, am allerwenigsten an den Laird, denn das stand ihr nicht zu als seiner Gefangenen.

„Was ist nun? Wollt ihr einen haben? Dann gehen Steven und ich auf die Jagd. Ganz in der Nähe wohnen die Hamiltons. Die haben sicher etwas Brauchbares in ihren Truhen.", erbot er sich brummig.

Lillian brauchte eine volle Minute, um das Angebot zu verstehen, doch dann schnappte sie hörbar nach Luft und starrte den Krieger entsetzt an. „Ihr meint, Ihr wollt mir einen Umhang stehlen?", entfuhr es ihr in einem beseelten Flüstern.

Duncan runzelte kurz die Stirn, doch dann grinste er breit und nickte zustimmend. Lillian schnappte erneut hörbar nach Luft und wurde vor Zorn puterrot. „Sir! Ich schäme mich für Euer Angebot.
Wie könnt Ihr mir vor Gott und Euren Gefährten nur anbieten, eine solche Sünde zu begehen?", fragte sie ihn, bevor sie sich noch zurückhalten konnte. Duncan verging das Grinsen, doch anstatt beschämt zu sein, wie es ihm zugestanden hätte, sah er sie nur an, als wäre Lillian nicht mehr ganz richtig im Kopf.

Sie wand sich zu ihm ab und begegnete dem Blick vier weiterer Soldaten, die bei dem Gespräch ein wenig näher gerückt waren, um ihr zu lauschen.

Sie sahen wie einfältige Riesen aus, so groß und hochgewachsen und verdreckt vom Kampf des Tages. Wahrscheinlich hatten sie darum hier angehalten. Die Krieger mussten sich nun gewiss erst einmal gründlich säubern. Plötzlich legte sich eine große Hand schwer auf ihre Schulter.

„Was ist hier los?", knurrte Ian bedrohlich sanft. Entrüstet wandte sich Lillian zu ihm um, wobei sie darauf achtete, dass seine Hand dabei auch ja von ihrer Schulter rutschte und auch nicht dorthin zurückkehren konnte. Vorsichtshalber trat sie darum noch einen kleinen Schritt weiter vor ihm zurück.

„Euer Krieger hat eben angeboten, eine Todsünde für mich zu begehen, Mylord!", ereiferte sie sich, von seinem düsteren Anblick jedoch schon wieder sehr atemlos geworden. Um Ians Mundwinkel zuckte es leicht, als er Duncan amüsiert ansah.

„Willst du etwa jemanden für sie umbringen?", fragte er ihn spöttisch.

Duncan grinste verlegen zurück.

„Nay, Ian. Ich habe bemerkt, dass sie ständig zittert und ihr Plaid um sich schlingt wie eine Mutter um ihr Baby, darum dachte ich, besorge ich ihr einen Umhang. Doch sie hält stehlen wohl für eine ganz schlimme Sache.", grinste er breit.

Lillian bemerkte mit einem Blick das auch die anderen Soldaten nun breit grinsten. Einer sagte etwas zu einem anderen, darauf lachten alle, ausgenommen Ian, der jedoch immerhin leicht schmunzelte, laut heraus.

„Aber Stehlen ist eine Todsünde!", rief sie in den Kreis der Krieger hinein. Ian schüttelte ernsthaft den Kopf. „Nay, Lillian, ist es nicht. Zumindest nicht hier in den Highlands.", präzisierte er seine ernsthafte Antwort kurz. Herrje, das Weib machte sich über viel zu viele Dinge Gedanken. Diese Marotte würde er ihr wohl noch austreiben müssen.

„Mylady, wenn jemand nicht genügend auf seine Sachen acht geben kann, dann ist er selbst Schuld, wenn man sie ihnen fortnimmt.", nickte einer der jüngeren Soldaten eifrig und grinste sie dabei strahlend an.

„Und ein wärmender Umhang für Euch wäre ja auch nur eine Kleinigkeit.", versuchte Duncan sie erneut zu überzeugen. Doch Lillian verschränkte nun die Arme über ihrer Brust, um, wie sie hoffte, ihr neuerliches Beben schlussendlich zu unterdrücken und schüttelte wieder den Kopf.

„Duncan, ich würde wahrscheinlich augenblicklich vom Blitz

getroffen niedersinken, wenn ich einen gestohlenen Umhang tragen würde, also vergesst es einfach, ja? Außerdem denke ich, dass dann der oder die arme Schottin, welchem ihr den Umhang entwendet, dann an meiner statt frieren müsste. Ich würde bestimmt im Höllenfeuer schmoren, ließe ich das zu.", bekannte sie besorgt.

Ian drehte sie so rasch zu sich um, dass sie keine Chance hatte, ihm zu entkommen und nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, damit sie auch seinem Blick nicht ausweichen konnte.

„Friert es Euch, Lady Lillian?", fragte er sie nun äußerst barsch.

Lillian befürchtete, dass ihr Herz gerade stehen geblieben war und konnte nicht sprechen, nur ein schwaches Nicken brachte sie gerade noch zustande, doch das schien Ian zu genügen. Er grunzte wenig manierlich und nickte dann Duncan und Steven zu, die sofort aufsprangen und ebenfalls im nahen Unterholz verschwanden.


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