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Es war kurz nach eins, der Mond leuchtete fahl vom Himmel herab und die Straßen wirkten wie ausgestorben. Manchmal hörte man einen Vogel singen, ansonsten war alles erschreckend, doch zugleich beruhigend still. Autoreifen, welche auf dem Asphalt knirschten, näherten sich langsam, es wurde von Scheinwerfern erleuchtet, bevor der Motor ausgeschalten und die Tür geöffnet wurde. "Bis morgen!", hörte man eine Frauenstimme, welche noch ein letztes Mal ihren Freundinnen zuwinkte, bevor sich das Auto wieder in Bewegung setzte und sie alleine ließ. Sie trug ein enges Kleid, hohe Absätze und ihre Haare waren zu einer Steckfrisur hochgesteckt. In ihrer Hand eine Tasche umklammert hätte man sie vermutlich älter geschätzt, als sie wirklich war, dabei hatte sie noch nicht einmal das 20. Lebensjahr erreicht. Ihre Füße schmerzten, als sie sich auf dem Weg nach Hause machte, sie wurde regelrecht von der Dunkelheit verschlungen, sodass man das leichte Schwanken übersah, welches sich aufgrund einiger Promille im Blut bemerkbar machte. Nur noch zehn Meter trennten sie von ihrer Wohnung, als sie mit einem jungen Mann zusammenrannte und fast zu Boden fiel. Ohne sich zu entschuldigen versuchte sie weiterzugehen, doch er packte sie bestimmt am Arm fest. Sie hätte sich vermutlich losgerissen oder um Hilfe geschrien, hätte sie nicht die Wärme gespürt, welche von ihm ausging. "Was wollen sie?", hatte sie stattdessen gelallt und er sah sie weiterhin einfach nur an, nicht auf ihre Frage eingehend. Einige Sekunden war Stille eingekehrt, bevor sie sich dennoch losriss und ihren Weg fortsetzte, sich von dem Fremden entfernend. Sie musste morgen früh raus, es blieben ihr nur noch um die fünf Stunden Schlaf und sie würde nichts davon unnütz verschwenden. An der Mauer abstützend war sie schon fast angekommen, ihren Schlüssel schon herausgekramt zupfte sie ihr Kleid zurecht, bevor sie leise ein Flüstern hinter ihr vernahm. "Lass mich auf deine Seele malen." Wie angewurzelt blieb sie an Ort und Stelle, wusste nicht, was sie sagen sollte. Auf den Alkohol schiebend drehte sie sich um, und sah direkt in sein Gesicht. Schwarze Augen, welche sie an ein schwarzes Loch erinnerten und ebenso dunkle Haare, die Nacht passte sich ihm an. "Wie bitte?", hakte sie nach, unsicher, ob seine Worte nicht nur eine Produktion des Alkohols waren. "Lass mich auf deine Seele malen." Auf seinen Lippen ein leichtes Lächeln, welches ihn jünger aussehen ließ wartete er ab, wie ein Jäger auf der Pirsch. "Wie soll das gehen?" Die Augebrauen zusammengekniffen und in ihrem Gesicht die Verwunderung geschrieben wurde sein Lächeln umso breiter, bevor er seine Hand ausstreckte und sie dazu aufforderte, die seine zu nehmen. "Vertrau mir einfach."

SeelenmalerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt