Kapitel 1

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Es war ein Spieltag wie jeder andere. Ich war heute wieder in der Startelf.
"Na Milli, heute rocken wir den Platz." Jule klopfte mir auf die Schulter. Ich fühlte mich topfit. Es war an der Zeit dem Trainer zu zeigen, dass ich einen Stammplatz verdient hatte. "Die Leverkusener machen es uns bestimmt nicht leicht. Aber die Punkte holen wir uns.", grinste ich zurück. Wir mussten hier unbedingt Punkte holen, schließlich lief es in letzter Zeit alles andere als berauschend. Die Fans waren stink sauer und forderten die Ablösung des Trainers. Ich schob das alles beiseite, denn ich wollte nur spielen und natürlich einen Stammplatz erarbeiten.
Nach dem Anpfiff lief der Ball hin und her. Ich kam bereits nach einigen Minuten gut ins Spiel. Ein Ball kam in meine Richtung. Ich sprang zusammen mit Jonathan Tah danach und knickte bei der Landung um. Ein tierischer Schmerz im Knie durchzuckte mich und ich stürzte zu Boden. Boah Scheiße, das war doch jetzt nicht wahr. Mir liefen Tränen über das Gesicht und ich krümmte mich vor Schmerzen.. Alles lief in Zeitlupe um mich ab. Die Sanitäter trugen mich mit der Trage vom Feld. "Milli, das wird schon.", hörte ich den Trainer mir zurufen. Und schon fand ich mich im Krankenwagen auf dem Weg ins Krankenhaus wieder. Dort wurde ich untersucht und mit einer Schiene versorgt. Schließlich hatten sie mich noch  so mit Schmerzmittel zugedröhnt, dass ich jeden Junkie am Bahnhof Zoo in den Schatten gestellt hätte. Ich lief also auf Krücken und rosa Wolken durch die Katakomben im Stadion."Und wie ist es gelaufen?", fragte ich Jule. "Unentschieden. Frag nicht nach Sonnenschein.", kam die angepisste Antwort.Die Stimmung war ziemlich bescheiden.
"Hey Milli, und weißt du schon was ist?", fragte mich Roman mitleidig und umarmte mich. Ich kannte Bürki noch aus Freiburg. Dort hatten wir uns eigentlich gut verstanden und auch ab und zu etwas zusammen gemacht. In Dortmund waren wir noch nicht dazu gekommen, weil er kaum Zeit hatte. Ständig erzählte er von so einer Tussi, der er hinterher stalkte. Das konnte ja nur wieder so ein Pornosternchen sein. Seit er Single war, konnte ich seinen Frauengeschmack nicht mehr wirklich nachvollziehen.
"Keine Ahnung, muss morgen erst noch richtig abgeklärt werden. Könnte  was am Kreuzband sein.", antwortete ich resigniert. Das wäre echt der Horror. Es würde für mich das Saisonende bedeuten. Er klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. "Wird schon wieder." Der hatte gut reden. Ich wartete darauf, dass wir endlich mit dem Bus nach Hause fuhren. Mir reichte das hier alles so langsam. Ich wollte eigentlich nur meine Ruhe und nicht diese dämlichen Aufbausprüche, die sowieso nur alle dahin plapperten. Ehrlich meinte das ja doch keiner.

Ich hatte eine ziemlich bescheidene Nacht hinter mich gebracht und saß jetzt schon seit Stunden in diesem blöden Krankenhaus und wartete auf meine Diagnose.
"Herr Philipp, wir können nach den abschließenden Untersuchungen eine Kreuzbandverletzung ausschließen. Es handelt sich um......." Ich hörte nur keine Kreuzbandverletzung und atmete erst einmal auf. Dieses ganze Medizinchinesisch verstand ja doch kein Mensch also konnte ich auch weghören. Mein Knie tat immer noch wie Hölle weh, wenn ich nicht gerade eine von diesen Wunderpillen intus hatte.
"Sie werden also konventionell behandelt. Das heißt erst einmal ruhig stellen und dann Reha. Ich stelle Ihnen da einen ungefähren Zeitplan auf." Wie jetzt ruhig stellen und Reha? Was sollte die Scheiße? Ich wollte so schnell wie möglich wieder auf den Platz. Aber Zeitplan war ja schon interessant.
"Wann kann ich wieder trainieren?", schoss es mir raus. Der Arzt sah mich mitleidig an als wäre ich geistig ein wenig minderbemittelt.
"Ich sagte doch gerade, dass ich Ihnen einen ungefähren Zeitplan aufstelle. Sie müssen schon Geduld haben. Ich denke, wenn alles positiv verläuft, können Sie in drei bis vier Monaten wieder trainieren."
Wollte der mich rollen. Drei bis vier Monate. Das ging ja gar nicht. Ich schnaufte sauer auf und schüttelte den Kopf. Mir schossen wieder die Zahlen drei und vier durch den Kopf. Bei Torschüssen kein Problem. Bei Treffern noch weniger aber bei Monaten Ausfallzeit unmöglich. Das ging gar nicht. Ich musste schlucken. Nicht mit mir. Das musste schneller gehen. Ich würde mich da reinhängen. Drei bis vier Monate wäre gleichbedeutend mit die Saison wäre für mich gelaufen. Das war meine erste Saison beim BVB und ich wollte voll durchstarten. So hatte ich mir das nicht vorgestellt nach der U21 Europameisterschaft. Ne, nicht mit mir, dachte ich bockig und humpelte mit meinen Krücken und der Schiene Richtung Taxi.

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