An angel once, now a ghost of you

576 22 0
                                    

Dein Vater Aegir war überglücklich, dich endlich wiederzusehen und er schloss dich sofort in die Arme. Katakuri gegenüber war er respektvoll, wenn auch etwas zurückhaltend – wie alle Bewohner der Insel. Sie verurteilten ihn nicht vorschnell, doch dass er ein so hohes Tier in Big Moms Piratenbande war stieß vor allem den älteren Herrschaften sauer auf. Ihr beide ignorierten die feindlichen Untertöne geflissentlich, auch wenn es ein wenig verletzend für dich war.
»Wo ist denn Hannah?«, fragtest du deinen Vater. »Sollte sie nicht lieber lernen? Sich mit Politik auseinander setzen?«
Ein lautes, herzhaftes Lachen von Hilda unterbrach deine Frage und du sahst zu deiner Schwester. Sie lehnte mit einem schiefen Grinsen am Türrahmen, eine Hand an ihrem Schwert und in der anderen einen Apfel. Sie biss in das Obst und schmatzte laut – sie hatte wirklich keinerlei Manieren.
»Hannah und Politik?«, fragte sie mit vollem Mund. »Sie ist hinten auf dem Übungsgelände und trainiert die Küken!«
»Seit wann trainiert denn die kleine Hannah die Kinder?«, fragtest du sofort. Die zierliche, schlaksige Hannah war doch nicht geeignet um den Kindern den Umgang mit Schwert und Schild beizubringen!
»Komm mit.«, Hilda winkte dich und Katakuri herbei, wollte euch zum Trainingsgelände führen. »Du wirst Augen machen!«


Und ob du Augen machtest! Hannah war gerade dabei einen Jungen für seine Unachtsamkeit auszuschimpfen, als ihr sie schon von Weitem grüßtet und sie aufsah. Die schüchterne kleine Heulsuse war fort, stattdessen stand dort eine selbstbewusste, muskulöse junge Frau. In ihrer Hand lag ein schwerer Zweihänder und unter dem Gewicht des Metalls spannten sich die Muskeln in ihren Armen. Mit offenem Mund starrtest du die sommersprossige Hannah an, die bei eurem Anblick schnaubte und den Grashalm in ihrem Mundwinkel zu Boden spuckte.

»Ah, sie sind also angekommen.«, sagte sie und wandte sich an die kleine Gruppe Kinder auf dem Platz. »Kurze Pause. Geht euch etwas zu Essen holen.«
»Hannha!«, rief Hilda fröhlich und verpasste der Jüngsten einen spielerischen, jedoch kräftigen Schlag auf die Schulter. »Ich hoffe doch du packst das Training mit den Küken richtig an?«
»Natürlich.«, erwiderte sie und schlug zurück, so dass beide lachten und sich die schmerzenden Schultern rieben. »Hallo ihr zwei.«
Du warst noch immer geschockt vom Anblick deiner 'kleinen' Schwester und Katakuri beobachtete das Ganze wieder einmal wortlos, doch du spürtest seine Überraschung.
»Wo hast du denn die her?!«, fragtest du dann plötzlich und gestikuliertest wild zu Hannah's beachtlichem Bizeps. »Seit wann bist du denn bitte eine Kriegerin?!«
»Gegenfrage: Warum bist du keine?«, konterte die Jüngste und bekam dafür ein High Five von Hilda, die im Hintergrund lachte. Die beiden sahen so vertraut aus, als hätten sie nach all den Jahren plötzlich eine enge Bindung aufgebaut. Du tratst einen Schritt zurück, fühltest dich von ihnen eingeschüchtert. Du warst doch hier die große Schwester, Hannah hatte doch immer die engste Bindung zu dir gehabt! Es war offensichtlich, dass sie nun mehr an Hilda hielt, dass du inzwischen die Fremde warst und hier nur als Besucherin angesehen wurdest. Deine Schwestern machten klar, dass diese Insel nicht mehr dein Zuhause war.
»Sag bloß du bist noch sauer wegen der Sache mit Floki.«, sagte Hannah und musterte dich kurz. »Ich hätte dich nicht für so nachtragend gehalten.«
Ihr abschätzender Tonfall trieb dir einen schmerzhaften Kloß in den Hals und die Tränen in die Augen. Wann hatte sich deine liebe, kleine Schwester in eine so vorlaute Kämpferin verwandelt? Und seit wann sah sie dich an als wärst du nur eine Fremde, eine Unwürdige in ihren Augen?
»Ich bin müde.«, sagtest du plötzlich und griffst nach Katakuri's Hand. »Lange Reise, das wisst ihr ja.«
»Soll ich dich zur Hütte bringen?«, fragte Hilda sofort, doch du schütteltest den Kopf.
»Hilda, ich bin hier geboren.«, sagtest du mit Nachdruck. »Ich weiß wo die scheiß Hütte steht!«
Du zogst Katakuri mit dir, ließt deine lachenden und tratschenden Schwestern hinter zurück. Tränen brannten in deinen Augen und du konntest den feindlichen Unterton von Hannah einfach nicht verstehen. Was hattest du ihnen denn nur getan, dass sie dich urplötzlich ausschlossen und dich wie eine Fremde behandelten? Nur weil du geheiratet hattest warst du plötzlich nicht mehr Teil ihrer Familie?
»Warte.« Als sich die Tür der Hütte hinter dir und deinem Mann schloss, griff er sofort nach deine Nacken und zog dich in eine Umarmung. »Nicht heulen, komm schon.«
Du schluchztest auf, versuchtest tief und ruhig zu atmen. Er hatte recht, du wolltest gar nicht flennen wie ein Kind – es kam nur alles so überraschend. Er strich die das Haar aus dem Gesicht und du nicktest, wischtest dir die Tränen aus den Augen.
»Ich kann es nicht fassen.«, murmeltest du schwach. »Auf einmal sind die beiden beste Freundinnen. Früher konnten sie sich kaum ausstehen!«
»Sie sind erwachsen geworden.«, versuchte Katakuri eine Erklärung für diese seltsame Wendung zu finden. »Als ich jung war, habe ich mich auch ständig mit Daifuku und Oven gestritten.«
»Das tut ihr doch heute noch.«, warfst du mit einem erstickten Glucksen ein. »Als du von seinem tollen Kuss-Plan damals erfahren hast – ich habe dich mit Gewalt von ihm runter ziehen müssen.«
»Als könntest du mich mit Gewalt von irgendetwas abhalten.«, erwiderte er amüsiert und du bekamst einen kurzen Kuss auf die Stirn. »Ich bin viel stärker als du.«
»Geschwister sind seltsam.«, sagtest du und schautest zu ihm auf.
»Ja, das sind sie.«, stimmte er zu. »Wenigstens hast du nur zwei. Hast du mal versucht dir über 80 Geburtstage zu merken?«
Ein Lachen konntest du dir nun trotz allem nicht mehr verkneifen und dankbar warfst du ihm einen kurzen Blick zu. Distanziert oder nicht, er gab sich alle Mühe für dich da zu sein. Womit hattest du diesen Mann nur verdient?
»Weißt du, die heiße Quelle im Garten gibt es noch.«, versuchtest du das Thema zu wechseln. »Interesse?«
»Heißes Wasser, Entspannung und eine schöne Frau.«, erwidert er und lehnte sich etwas zu dir herab. Du spürtest die Spitzen von seinen Zähnen an deinem Hals und musstest dir auf die Unterlippe beißen um ein erwartungsvolles Seufzen zu unterdrücken. »Wie könnte ein Mann da widerstehen?«


»Kurz vor unserer Abreise hast du schlecht geträumt.«, sagtest du leise. Die heiße Quelle war schon wie beim letzten Mal eine wahre Wohltat und sie beruhigte deine chaotischen Gedanken ein wenig. Katakuri seufzte – die Angewohnheit in entspannten Situationen ernste Themen zu besprechen war nicht unbedingt seine liebste Eigenschaft an dir.

»Woher willst du das denn wissen?«, entgegnete er ungeduldig, doch du hörtest den vorsichtigen Unterton heraus.
»Du schläfst manchmal ziemlich unruhig.« Deine Augen musterten ihn besorgt. Was konnte denn bitte so gravierend sein, dass Katakuri davon Albträume bekam? Hatte es etwas mit seinem Observationshaki zu tun?
»Jeder träumt mal schlecht.«, versuchte er sich herauszureden, doch du wolltest dem nicht nachgeben.
»Ich träume manchmal von meiner Mutter.«, sagtest du leise und er schien überrascht zu sein, dass du deine Mutter ansprachst. Selten verlorst du auch nur ein einzelnes Wort über sie, aber wenn er sich dir nicht anvertrauen wollte war es wohl an der Zeit, dass du den ersten Schritt machtest.
»Du hast mir nie viel von ihr erzählt.«
»Sie ist kurz nach Hannah's Geburt gestorben.«, fuhrst du deine Erzählung fort. »Sie hat den Hafen gegen Piraten verteidigt. Ich denke darum waren auch alle so bestürzt, dass ich habe einen Piraten geheiratet. Es war kurz vor meinem sechsten Geburtstag, Hilda war grade drei Jahre alt und Hannah nur ein Baby.«
»Das tut mir sehr leid.«
Du schütteltest den Kopf.
»Muss es nicht. Sie ist gestorben um uns zu beschützen, eine große Ehre so von uns zu gehen.« Es tat weh darüber zu sprechen, doch du wolltest fortfahren. Du wolltest ihm sagen wie sehr es schmerzte, wie sehr du sie doch vermisstest. »Ich träume sogar ziemlich oft von ihr und manchmal sind es Albträume.«
»Als ich zehn war, da-« Er zögerte, brach mitten im Satz ab. Er wollte seine Unsicherheit überspielen, den Schmerz herunterdrücken. Ihr wart euch gar nicht so unähnlich in diesen Dingen. »Als Daifuku, Oven und ich zehn Jahre alt waren, haben wir die Vorratskammer geplündert. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass Mama das nicht so lustig fand wie wir. Zur Strafe hat sie uns zwanzig Stunden lang in der Ecke stehen lassen. Kein Essen, kein Wasser, kein Schlaf.«
»Katakuri...«, sagtest du leise und legtest eine Hand auf seine Brust. »Das ist furchtbar.«
»Daifuku hat sie noch dazu windelweich geprügelt, ich konnte nichts dagegen tun.«
»Du warst zehn.«, versuchtest du ihn zu beruhigen. Dein Herz wurde schwer und schmerzte vor geballten Mitgefühl für deinen Ehemann. Deine Mutter war zwar tot, doch seine Mutter war ein verdammtes Monster! »Und ich nehme an, dass das nicht der einzige Vorfall in eurer Kindheit war.«
Er schüttelte den Kopf, weigerte sich noch mehr zu erzählen. Du respektiertest den Schmerz und dass es nicht leicht war über solche Dinge zu reden. Dass er dir davon erzählt hatte war schon Vertrauensbeweis genug, du wolltest ihn nicht zu mehr drängen.
Prompt spukte dir wieder der Zorn über deine Schwestern im Kopf herum und deine Laune sank erneut. Irgendetwas sagte dir, dass viel Ärger auf euch zukam. Es war ein seltsames Gefühl in deiner Magengegend und es ermahnte dich zur Vorsicht.

The Taste of Copper: Black WeddingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt