chapitre cinq

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Die Gedanken rasten in meinem Kopf. Panik stieg in mir hoch, drohte mich zu ersticken doch ich bekämpfte sie erfolgreich und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, was sich als schwieriger herausstellte als gedacht.

Instinktiv fasste ich an meinen Knöchel und massierte das Gelenk mit schmerzverzerrtem Gesicht. Dabei berührte ich den verdreckten saum meines Kleides und ich musste schlucken um nicht ein Geräusche des Ekels auszustoßen.

„Oh, endlich!", keuchte ich stattdessen und versuchte den besten, hilflosen Blick aufzusetzen den ich gerade aufbringen konnte.

Der hochgewachsene Mann vor mir starrte noch immer mit undeutbarer Miene auf mich hinab und ich wandte meinen Blick wieder dem vermeintlich gestauchten Knöchel zu.

„Ich hätte auf die Worte meiner Mutter hören sollen, als sie meinte ich solle diese Schuhe nicht tragen! Eines Tages bringen sie mich noch um!"

Der Mann blinzelte, die erste Regung seit Minuten, und schien sich langsam aus seiner Starre zu lösen.

„Verzeihung Mademoiselle, doch wie kommt es dass Ihr hier auf meinen Stufen liegt?", seine Stimme drückte pure Höflichkeit aus, doch meine geübten Ohren konnten die Spur Misstrauen die darin mitschwang ganz einfach heraushören. Ich verzog erneut das Gesicht und lehnte mich an den kalten Stein. „Oh nein, nicht doch, Ihr müsst Euch nicht entschuldigen! Ich hätte nicht einfach herkommen sollen, ich dummes Kind.", stolz flammte in mir auf als ich meine eigene hohe Stimme hörte, die perfekt das Jammern eines verwöhnten Adelsmädchen imitierte. „Es ist nur...hach diese Schuhe! Ich bin einmal wieder umgeknickt und jetzt schmerzt mein Knöchel furchtbar. Ich hatte nach einer Magd gesucht die mir eine Paste oder ähnliches anbieten kann um die Schmerzen zu lindern und nun warte ich hier seit geraumer Zeit auf eine solche Hilfe." Der Mann sah nachdenklich auf mich hinab, noch immer konnte ich nicht hinter seine Augen blicken und das ärgerte mich zunehmend. „Nun, dann kommt erst einmal von diesen kalten Stufen, sonst fangt Ihr Euch noch weit schlimmeres als einen gestauchten Knöchel ein.", sagte er mit weicher Stimme und bot mir eine helfende Hand an. Ich, als Prinzessin in Not, blinzelte ihn aus großen Reh Augen an und legte die meine in seine, die sich sofort um meine verhältnismäßig kleine Hand schloss und mich mit einem sanften Ruck nach oben zog.

Um meinem Theaterstück Nachdruck zu verleihen, stolperte ich und konnte mich gerade noch an dem breiten Geländer festhalten.

„Ich danke Euch Monsieur!", keuchte ich und ordnete meinen Rock. „Braucht Ihr noch immer eine Paste?", hakte der Fremde nach und ich belastete Vorsichtig meinen vollkommen gesunden Fuß, machte einen leichten Probeschritt und schüttelte vornehm den Kopf. „Es geht wieder, doch ich danke Euch trotz allem.", galant neigte ich den Kopf und hatte Zeit ihn genauer zu betrachten. Er wirkte wie ein einfacher Kammerdiener, mit dem zerschlissenen Hemd das in einer fleckigen Hose steckte und der dunklen Weste die er locker darüber trug. Auch er verneigte sich und deutete mit der Hand auf die Tür durch die ich auch hineingekommen bin. „Dort hinaus, wenn ich bitten dürfte.", murmelte er und ich humpelte graziös zurück in den stickigen Raum des Cafés. Es war noch immer so voll wie zuvor doch ich ließ mich diesmal nicht für eine weitere Tasse nieder sondern verließ auf direktem Wege den Raum und trat in die kühle Mittagssonne.

Ich hatte sowieso keine Chance mehr mich umzusehen, denn wenn ich diesem Kammerdiener erneut über den Weg laufen würde, wüsste ich nicht was ich diesmal als Ausrede verwenden sollte.

Der Himmel war noch dunkler als am Morgen, die Wolken flogen tief und ihre Bäuche waren schwer vor Regen.

Eilig hastete ich zu dem abgemachten Treffpunkt, an dem die Kutsche auf mich warten sollte und glücklicherweise stand sie bereits an Ort und Stelle. Mir wurde die Tür geöffnet, ich zwängte mich ein zweites Mal in den engen Raum und wir rumpelten los, zurück zu dem stattlichen Herrenhaus. Während ich mich langweilte, begann der düstere Himmel zu weinen und dicke Tropfen klatschten auf das hölzerne Dach des Gefährts und liefen die dünnen Scheiben hinab. Zu mindestens hatte ich nun Zeit mir Gedanken darum zu machen, wie ich Vater von dieser Mission berichten sollte, schließlich konnte ich ja nicht einen einzigen Hinweis ausfindig machen die unserem Orden nützlich sein könnten. Seufzend wandte ich mich wieder der Landschaft hinter den Fenstern zu und beobachtete wie die Menschen vor dem Regenguss flüchteten.

Diesmal erwartete mich kein Empfangskomitee als ich frierend in die warme Halle trat, den tropfenden Mantel von den Schultern löste und einer heraneilenden Magd überreichte. Ein Teil meiner grünen Seide war dunkel vor Nässe und noch schwerer als zuvor und ich wünschte ich könnte sie hier und jetzt von meinen Schultern streifen. Es war erst früher Nachmittag, doch draußen war es dunkel wie die Nacht. Ein typisches Frühlingsgewitter. Ich war froh um die warmen Kerzen die überall im Haus verteilt waren, sodass ein schummriges Licht die Flure und Räume erhellte. Ein Diener hastete an mir vorbei und ich konnte gerade noch sein Ellenbogen erwischen. „Verzeihung, aber könnt Ihr mir sagen wo ich meinen Vater finde?" der Mann neigte schnell den Kopf als er sah wer ihn da von der Arbeit abhielt und deutete mit dem Finger auf den Gemeinschaftsraum. „Dort, Mademoiselle.", entgegnete er und hastete sogleich wieder von dannen. Mit schnellen Schritten durchmaß ich das Foyer und trat durch die geöffnete Tür in den herrlich warmen Raum in dem Papa, Madame Jéanne, Marie und Pierre Denaux in den weichen, gepolsterten Sesseln saßen und die Wärme des Feuers im Karmin genossen. Ich räusperte mich leise und augenblicklich wandten sich alle anwesenden Gesichter mir zu, die ich da triefend und zitternd im weißen Türrahmen stand und mit hastigen Schritten auf einen der Polstersessel zutrat, der in der Nähe des flimmernden Karmins stand und seufzend ließ ich mich an der Wärmequelle nieder, die meine feuchten Wangen trocknete. Die stille im Raum war erdrückend, doch ich wollte nicht die erste sein die eben diese zerbrach.

Schließlich beugte sich mein Vater mit leisem knarren nach vorn und ich konnte seinen Blick in meinem freien Nacken spüren.

„Nun, Julie.", begann er mit ruhiger Stimme, zerbrach damit das kostbare Schweigen, das ich so genossen hatte.

„Da du wieder hier bist, würden wir uns freuen wenn du uns die gesammelten Informationen mitteilen könntest." Ich schwieg noch einige Augenblicke lang, sog die Hitze in mir auf, bevor ich meinen Blick zu Papa wandte. „An das Café Théatre grenzt ein großes Herrenhaus, das ohne Umwege durch den Schankraum erreichbar ist. Ich habe mir erlaubt diesen Weg zu erforschen und bin auch ohne große Hindernisse in das Foyer dieses Hauses gelangt, allerdings...", ich brach ab und senkte den Kopf, war mir der bohrenden Blicke Denaux' und Maries unangenehm bewusst.

„Allerdings begegnete ich dem Personal des Hauses das mich ohne Umschweife hinaus geleitet hat. Ich hatte keine weiteren Möglichkeiten mehr in das Haus zu gelangen und bitte darum inständig um einen weiteren Versuch." Dieser Satz triefte vor kühler Höflichkeit und ich nickte respektvoll in die Richtung von Denaux. Dieser betrachtete mich von oben herab, das matte Kerzenlicht fing sich in seinen dünnen, blonden Haaren und die wässrigen Augen grübelten. Maries Hand lag auf seinem Knie, als wären sie schon seit langem ein vertrautes Ehepaar. Waren sie das vielleicht auch? Hatte meine Schwester bereits vor der Verkündung ihrer Vermählung mit diesem Pierre geliebäugelt? Dieser Gedanke versetzte mir einen Stich und ich sah wieder zu Vater.

„Uns war bewusst, dass es vermutlich mehrere Anläufe braucht um an die gebrauchten Informationen zu gelangen.", setzte Denaux an und strich mit den langen Fingern über sein glattes Kinn. „Also denke ich dass es nicht so tragisch ist das der erste Versuch gescheitert ist."

Obwohl seine Worte Selbstbewusst klingen sollten, konnte ich sehen wie seine Augen immer wieder unsicher zu Papa huschten um sich Sicherheit zu schaffen. Papa nickte und seufzte einmal schwer, bevor er sich aus dem Purpurnen Polstern erhob und Jéanne es ihm gleichtat. „Nun entschuldigt mich bitte.", sagte er mit leichter Verbeugung. Die orangenen Flammen des kleinen Feuers tauchten seinen Weinroten Rock in ein blutiges Rot. „Ich habe ein Fest vorzubereiten."

Der Rest der Gemeinschaft folgte seinem Beispiel und verließen den Salon mit würdevollen Schritten bis ich alleine vor dem prasselnden Feuer saß und merkte wie der Stoff auf meiner Haut trocknete.

Ich hatte versagt, das wusste ich auch, aber dennoch hatte ich keinerlei Schuldgefühle. Ich war einfach nur erschöpft und wollte mich nie wieder aus diesem Sessel erheben.

Die Aussage des Großmeisters, dass ich noch eine weitere Chance verdient habe, gab mir Hoffnung auch meine eigenen Erforschungen durchzuführen.

Denn nicht nur der Assassine fiel in mein Interessengebiet. Ich wollte endlich Klarheit in der Angelegenheit von Élise de la Serre schaffen, auch wenn nur ich diejenige war die sich wirklich für sie interessierte.

Mein Kopf fiel zurück auf die weiche Polsterung des Sessels und ich schloss die Augen.

Das schlimmste war, ich vermisste meine Schwester. Meine Schwester so wie sie war bevor Pierre sich in unser Leben gedrängt hatte. Mein Leben nahm eine seltsame Wendung und ich hatte keine Idee wie ich damit umgehen sollte. Doch ich versuchte es. Und ich musste unbedingt zurück nach Paris.

Assassin's Creed - Wenn Der Frühling blutetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt