An Schlaf war in dieser Nacht keinesfalls zu denken. Ich lag hellwach auf der Strohmatratze, spürte wie der kühle Frühsommerwind über meine Haut strich und erwartete jeden Moment einen Schatten im Rahem unseres geöffneten Fensters.
Chloé hingegen schlief tief und fest, ihr regelmäßiger, ruhiger Atem beruhigte mich ein wenig. Dennoch konnte ich meine Augen nicht schließen, geschweigedenn die Ruhe heraufbeschwören die für den Schlaf nötig war. Die Angst vor Arno war dafür viel zu präsent. Dabei war es eigentlich gar nicht nötig vor ihm Angst zu haben. Er hatte mir nie gedroht, ich war niemals in eine Situation geraten die man als tödlich hätte beschreiben können. Allerdings war vielleicht gerade das gefährlich an ihm.
Ein weiteres mal wälzte ich mich auf die andere Seite, zerwühlte meine Bettdecke und das Kissen unf starrte auf die roten Haare meiner Zimmergenossin, das wie flüssiges Zinn über ihre Schultern floss. Meine Gedanken änderten durch diesen Anblick schlagartig die Richtung und Élise erschien vor meinem inneren Auge.
Sie hatte eine mehr oder minder funktionierende Beziehung mit einem Assassinen geführt, sogar mit gerade dem Assassinen bei dem ich wohnte und dessen Wäsche ich machte. Sollte das heißen dass es durchaus möglich war?
Ich biss mir auf die Lippe und drehte mich erneut auf die Seite, diesmal mit Blick auf das geöffnete Dachfenster.
Warum musste diese ganze Templer-Assassinen Sache nur so kompliziert sein? Wir hatten doch in etwa die gleichen Absichten.
Allerdings musste ich mir eingestehen dass die momentane Umsetzung dieser Ziele nicht ganz meinen eigenen Überzeugungen entsprach.
Erst vor einigen Wochen hatten Templeragenten ein angebliches Nest der feindlichen Bruderschaft angegriffen und dabei mehr als nur die Zielpersonen regelrecht abgeschlachtet. Letztendlich hatte sich herausgestellt dass besagte Zielpersonen einfache Arbeiter gewesen waren, die sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufgehalten hatten.
Wie viele Opfer sollte dieser Fanatismus meiner Familie noch mit sich bringen?Einige Stunden Schlaf hatte ich dann doch noch abbekommen, allerdings fühlte ich mich am nächsten Morgen so ausgelaugt, dass Chloé mich regelrecht aus dem Bett zerren musste.
Mein Plan für den Tag stand jedoch nach wie vor fest. Ich würde ein letztes mal die Kammer des Assassinen infiltrieren und dann abhauen und nie wieder kommen. Ganz sicher.
Madame Roussel knetete gerade den Teig für ein Rosinenbrot als ich die Küche betrat und im Gehen versuchte meine Schürze zu binden.
,,Ah, non ma petite, lass mich das machen!", sagte die Haushälterin auch schon, wischte sich die Mehlweißen Hände an der fleckigen Schürze ab und knotete mit flinken Fingern eine feste Schleife in meinem Rücken.
,,Merci.", seufzte ich und strich eine blonde Locke hinter mein Ohr, die sich einfach nicht bändigen ließ. Madame Roussel lächelte mir herzlich zu und wandte sich wieder dem Teig zu. Sie würde ich vermissen.
Maurice kam durch den Hintereingang geschlendert, mit einem Beutel Tee in der Hand und einem Huhn in der anderen.
,,Morgen, Mesdames.", flötete er und zeigte seine Zähne mit einem schiefen Grinsen. Ich hatte ihn lang nicht mehr gesehen, aber trotzdem war er mir ams Herz gewachsen, dieser Kerl der morgens immer den Tee für den Monsieur brachte und mit den Damen des Hauses plauderte und vor allem von der Arbeit abhielt.
,,Mon Dieu was macht denn das Huhn in meiner Küche!", quietschte Roussel als sie den Gehilfen erblickte, der das flatternde Bündel fest im Griff hielt.
,,Ihr wolltet doch eins, nicht?", erwiederte der Rotschopf und sah hinab auf das Huhn, das empört übet seiner jetzigen Lage nach Maurice' Hand pickte. Ich grinste unf begann ein Tablett mit Geschirr zu bestücken um es später in Arnos Zimmer zu bringen.
,,Ja schon, aber..." In diesem Moment traf das aufgebrachte Huhn sein Ziehl, Maurice zog zischend seine Hand weg und die Henne fand ihre lang ersehnte Freiheit. Wild flatternd und gackernd sauste sie an mir vorbei und in den hell erleuchteten Flur um unter lautem Getöse durch das Herrenhaus zu wüten.
,,Ah mérde!", rief Roussel, doch ich hatte bereits die Verfolgung aufgenommen und rannte hinter dem Tier her. Ich verfolgte das verflixte Vieh durch Gänge, Flure und jagte es durch die verschiedensten Räume ohne ihm auch nur ansatzweise nah zu kommen.
Ich war kurz davor aufzugeben als das Huhn kreischend eine Steintreppe hinab hüpfte und in einem großen, von Kerzen erleuchteten Saal verschwand. Mir stockte der Atem.
Flaggen mit dem unverkennbaren Symbol des Assassinenordens hingen von den grauen Wänden, Bücherregale versperrten die restlichen Wände und ein großer, Kreisrunder Tisch füllte die Mitte des Saals.
Ich war erstaunt dass mir diese Abzweigung vorher noch nie aufgefallen war und ich ausgerechnet durch ein Huhn meinen Weg hinabgefunden hatte. Das Tier hatte mittlerweile aufgehört zu kreischen, stand auf dem Tisch und gluckte leise vor sich hin.
Durch das wilde Flügelschlagen hatte die Henne mehrere Blätter von der steinernen Tischplatte gefegt und ich machte mich nicht ganz uneigennützig daran sie aufzusammeln und ab und zu einen Blick darauf zu werfen.
Und da endlich war er. Ein Meilenstein auf meiner endlosen Suche nach hilfreichen Informationen. In meinen unruhigen Händen befanden sich mehrere Papierbögen auf denen Namen und Orte standen, sowie eine Stadtkarte von Paris auf denen die benannten Orte markiert waren.
Ein Schatz lag in meinen Händen.
Allerdings riss ein Räuspern mich aus dieser Wolke der Euphorie und die Dokumente verschwanden schneller unter meinem Rock als ich mir hätte denken können und drehte mich zu der hochgewachsenen Gestalt um die in einem Torbogen lehnte.
,,Mademoiselle Claire, welch Überraschung.", sagte Arno und ein mysteriöses Lächeln umspielte seine Lippen. Mit der Dunkelheit in seinem Rücken und dem Kerzenlicht auf seiner Haut erschien er um einiges attraktiver als er es eh schon war.
,,Ah, monsieur.", entgegnete ich so unschuldig wie möglich und lächelte.
,,Was verschafft mir die Ehre dich hier anzutreffen?" Ich deutete einfach nur hinter mich auf den überfüllten Tisch und das Huhn in dessen Mitte. ,,Dieses Tier hier."
Nun musste Arno wirklich grinsen und seine angespannte Haltung lockerte sich zunehmend.
,,Möchte Madame Roussel wieder ihr berüchtigtes Hühnerfrikassee kochen?", schmunzelte er, strich an mir vorbei und trug das Huhn nach wenigen Augenblicken und viel gegacker unter dem Arm.
Mit einem auffordernden Blick zur Treppe wartete er auf mich und ich setzte mich in Bewegung, ließ den Raum hinter mir zurück und hatte meine Hände schützend auf die Dokumente gelegt. Arno verabschiedete sich knapp von mir und brachte das rebellierende Huhn zurück in die Küche. Ich hingegen brachte die Dokumente in meine Kammer.Zur Mittagszeit war laut Madame Roussel der Herr des Hauses außerhalb beschäftigt und ich hatte genug Zeit um mich auszutoben.
Wie sich herausstellte war "oben" eine Art offenes Obergeschoss in den Gemächern des Assassinen. Jedoch bestand das erste Problem darin, irgendwie in dieses zusätzliche Stockwerk zu gelangen. Zwar konnte ich eine Stelle erkennen an der normalerweise eine Leiter stand, doch diese befand sich nicht an ihrem normalen Platz sondern irgendwo wo ich sie nicht finden konnte. Also musste ich wohl oder übel nach einer anderen Lösung suchen, die sich schlussendlich aus einer Kommode und dem Geländer am Rande des Stockwerkes zusammenstellte, durch dessen Hilfe ich mich hochziehen konnte und alles andere als elegant im Obergeschoss angelangte.
Auch hier war es gemütlich eingerichtet, mit klassischen Gemälden an der Wand und niedrigen Bücherregalen neben schnuckeligen Ohrensesseln. Stil hatte der Assassine ja.
Viel Zeit diese Einrichtung zu inspizieren hatte ich allerdings nicht, denn ich stürzte mich direkt aif die Bücher und Schriftrollen, die ordentlich sortiert in den Regalen schlummerten. Glücksgefühl durchströmte mich als ich die Bände durchblätterte und all die Geheimnisse der Assassinen schwarz auf weiß vor mir sah. Alle Bücher konnte ich unmöglich mitnehmen, also musste ich mich wohl für ein ganz besonderes entscheiden. Und das hatte ich bereits gefunden.
Man konnte es durchaus als Kodex bezeichnen unf es enthielt die Grundgedanken des Ordens sowie einige frische Einträge aus Arnos Feder zum heutigen Handeln seines Ordens.
,,Du bist kein gewöhnliches Dienstmädchen, oder?", ertönte die nur allzu bekannte Stimme leise hinter meinem Rücken und augenblicklich verkrampften sich meine Finger um das dicke, in Leder gebundene Buch in meinrn Händen. Ich konnte seine Präsenz deutlich spüren, wie sich sein Blick in meinen Rücken bohrte und die ausgehende Anspannung quasi greifbar wurde. Meine Finger zuckten und ich dachte an den Dolch der in meinem Strumpf steckte. Er war mein einziges Mittel für die Verteidigung, doch ich wusste genau dass ich keine Chance gegen ihn hatte wenn er mich wirklich umbringen wollte.
,,Nein bin ich nicht.", sagte och wahrheitsgemäß aber ohne mich umzudrehen. Es war sinnlos dies jetzt noch abzustreiten, Arno wusste es ja sowieso schon. Eine unangenehme Stille breitete sich aus und die Spannung erschien unerträglich.
Doch sie wurde mit einem stillen Einverständnis gebrochen als ich das Buch fallen ließ und meinen Dolch zog, das typische Klicken einer versteckten Klinge im Ohr. Ich wirbelte herum und stieß nach vorne, die Klinge blitzte im Licht der Nachmittagssonne. Der Assassine parierte meinen Stoß geschickt mit der Armschiene und setzte selbst zum Angriff an. Die einzige Ausweichmöglichkeit bestand darin hinab in Arnos Hauptgemach zu springen, und so glitt ich durch die Lücke im Geländer, gerade als sein Arm an mir vorbeischoss. Der Aufprall verschaffte mir etwas Zeit und ich umfasste den Ledergriff des Dolches noch etwas fester. Adrenalin jagte durch mich hindurch und als Arno vor mir landete war ich bereit.
Die anfängliche Leichtigkeit die der Assassine inne hatte schwand mit jedem Stoß der in die Luft ging und bei dem er realisierte dass ich nicht so leicht zu schlagen war wie er gedacht hatte ein wenig mehr.
Wie lange wir durch den Raum tänzelten wusste keiner von uns aber der Schweiß lief uns über Nacken und Rücken und langsam aber sicher ging uns die Puste aus, die Schläge wurden halbherziger und unsere Bewegungen träge.
,,Du bist eine Templerin, nicht wahr?", keuchte er und hieb mit seiner Hand nach meiner Flanke. Ich hüpfte zur Seite und prustete ein ,,Ja" bevor mein Dolch ohne Erfolg über seinen Oberschenkel strich.
,,Du solltest hier spionieren?" Wieder ein Stich der an meinen Hals gerichtet war.
Erneut bejahte ich und stieß in einer wirbelnden Bewegung nach seiner Brust. Erfolglos.
Dieser Schlagabtausch zog sich immer weiter in die Länge, ohne dass einer von uns den anderen auch nur ansatzweise berührte, geschweigedenn verletzte.
Bis wir uns schließlich in die Augen sahen, zwei Raubkatzen die jede Bewegung des anderen verfolgten und in perfekter Synchronität darauf reagierten.
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Assassin's Creed - Wenn Der Frühling blutet
FanfictionOnce upon a time, an angel and a devil fell in love. It did not end well. -*-*-* Julie Lévesque ist die jüngste Tochter eines mächtigen Templers und gerade mit ihrer Familie nach Frankreich zurückgekehrt. Kaum zu Hause beherrschen bereits erste Intr...