chapitre dix

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Auch wenn mich der Gedanke beunruhigte, dass Arno möglicherweise meiner wahren Identität bewusst war, ließ ich im Arbeitszimmer des Vorgesetzten von allen Bediensteten einen Zettel mit meinen Personalien auf den Schreibtisch zurück, bevor ich meine persönliche Kleidung aus dem Fach nahm und mich auf den Rückweg zum Hotel Rosé machte. Zwar hatte Madame Roussel mir angeboten eines der kleinen Quartiere im anliegenden Nachbarhaus für mich herzurichten, doch mir war es lieber die heutige Nacht in einer eigenen Wanne und einem breiten Federbett zu verbringen als neben der Residenz eines Assassinen zu verweilen der wusste wer ich war. Oder zumindest dachte ich dass er es wusste. Es konnte nicht anders sein. Ein Schauer überkam mich als ich mit schnellen Schritten über die Brücke stolperte und die schlammigen Straßen passierte die zu meinem Appartement führten. Schnelle Blicke über die Schultern vergewisserten mich immer wieder dass ich nicht von einem Schatten verfolgt wurde, doch das Gefühl ließ mich einfach nicht los und so begann ich Abzweigungen zu nehmen, durch schmale Gassen zu wandern die den nach Hause Weg nur verlängerten, potentielle Verfolger allerdings abhängen könnten. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt als ich endlich an die Pforte des Hotels kam und in die wohltuende Wärme des Foyers trat, umhüllt von dem warmen Licht der Kerzen in den unzähligen Kronleuchtern und Kerzenständern. Einige der Angestellten warfen mir seltsame Blicke zu, als ich in meiner Uniform die gepolsterten Stufen hinaufschritt und mich in meine kleine Wohnung begab. Es war ungewohnt still und dunkel in dem Salon, den ich als solchen nur mit Kerzenschein und Kamingeprassel kannte, nicht aber mit gähnender Leere. Doch anstelle all die Kerzen selbst anzuzünden, ging ich direkt in den anliegenden Raum der das Schlafzimmer beherbergte und entledigte mich meiner Dienstkleidung. Das Bad musste warten. Müde und ausgelaugt von den Geschehnissen des Tages ließ ich mich in die weichen Federkissen fallen und schlief auf der Stelle ein.

Trotz all der unguten Gefühle in meinem Bauch, zwang ich mich am frühen Morgen des nächsten Tages aus den wohltuenden Kissen des Bettes und hinein in die schwarz-weiße Kleidung die ich gestern achtlos in einem Knäul auf dem Boden zurückgelassen hatte. Die Strähnen die mich am meisten störten band ich hinter dem Kopf zusammen, den Rest der blonden Locken ließ ich mir achtlos über die Schultern fallen und verschloss das silberne Band meiner Kette im Nacken. Mir war das Risiko dieser Kette vollkommen bewusst und vielleicht war es gerade dieser Reiz der mich dazu brachte das Templerkreuz unter dem weißen Stoff zu verstecken der meine Brust verdeckte. Waffen konnte ich keine mitnehmen und so verließ ich schutzlos das Hotel als die ersten blassen Sonnenstrahlen über den Dächern von Paris hervorkamen. Ich beeilte mich frühzeitig in der Villa anzukommen und so sah ich noch wie die Bediensteten gerade die knarrenden Türen des Café Théatre öffneten bevor ich durch den Torbogen huschte und auf die offenstehende Tür zueilte. Sie schien immer offen zu stehen. Aus der Küche kam der Duft frischer Croissants und backenden Brötchen und so folgte ich dem Geruch in den Raum, in dem für die frühe Tageszeit schon reger Betrieb herrschte. Auf dem Holztisch der schon viele Arbeitsspuren trug, stand ein großes Tablett auf das gerade ein zierliches Mädchen einen Teller voller Brötchen und Croissants platzierte, gefolgt von einigen Töpfchen Marmelade und Honig. „Sehr schön dass Ihr schon hier seid.", ertönte die volle Stimme von Madame Roussel in meinem Rücken und ich drehte mich zu ihr, mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. „Etwas müde, aber dennoch hier.", entgegnete ich und die füllige Frau zwinkerte mir zu. „Es wäre einfacher mit einem Quartier nebenan.", bemerkte sie und überprüfte die Frühstücksplatte auf dem Tisch. In mir zog sich etwas zusammen als ich daran dachte wo ich mich gerade befand, doch ich schluckte den Knoten in meinem Hals hinunter und nickte meiner Vorgesetzten nur zu. „Merde Wo bleibt Maurice mit dem verdammten Tee?", fluchte die Dame leise mit den Blick auf das Tablett dass sicher für Arno gedacht war und schüttelte aufgebracht den Kopf. „Er verspätet sich immer ein wenig, aber Madame Roussel regt es noch immer so auf wie am ersten Tag.", flüsterte mir das Mädchen mit der zierlichen Figur zu und kicherte amüsiert hinter hervorgehaltener Hand, allerdings nicht so leise als das Madame Roussel es nicht hören konnte. „Was soll das gekichere? Los, geh zurück an die Arbeit Michelle!", befahl sie dem Kind mit strengem Ton allerdings mit weichem Gesicht, das ihrer Stimme Lügen strafte. Auch wenn dies mein erster Morgen in dieser Villa und in dieser Gesellschaft war, so fühlte ich mich doch augenblicklich wohl als ich diese eingeschworene Gemeinschaft betrachtete die sich gegenseitig Scherzte und Neckte. Ein Schatten fiel durch die Tür die hinaus auf einen weiteren Hinterhof führte, als ein Hochgewachsener Junge in die Küche trat, sein Sommersprossiges Gesicht verzerrt von einem breiten Grinsen das seine gelben Zähne zeigte. „Der Tee Madame.", sagte er mit unglaublich hoher Stimme und reichte Madame Roussel einen kleinen Beutel voller getrockneter Blätter. „Ah endlich! Der Monsieur wartet bestimmt schon auf sein Mahl. Herrgott nochmal Maurice, ist es denn so schwer pünktlich zu kommen?", seufzte die Frau und eilte zu meinem Tablett auf dem bereits eine große Tasse voll heißem Wasser auf besagten Beutel wartete. Der schlaksige Junge zuckte nur die schmalen Schultern und fuhr sich durch die kurzen orangeblonden Haare, die strubbelig von seinem Kopf abstanden. „Entschuldigt 'dame aber Ihr wisst ja wie das ist, mit Kindern im Haus.", murmelte er grinsend und verließ die Küche auch schon wieder, ohne ein weiteres Wort. Madame Roussel schüttelte nur fassungslos den Kopf und wandte sich wieder mir zu, die die Szene mit erstauntem Gesicht verfolgt hatte. „Seid so gut und bringt das dem Monsieur. Er wartet sicher schon.", sagte sie zu mir, drückte mir das Tablett in die Hand und rauschte auf den Hinterhof, vermutlich um Maurice zu folgen.

Sie hatte Recht behalten, Arno wartete tatsächlich schon auf sein Frühstück das sich umständlich mit mir durch die Tür zu seinen Gemächern quetschte und schließlich auf dem Tisch vor seinem Bett seinen Platz fand. Es hatte noch etwas Zeit gebraucht bis ich überhaupt sein Zimmer gefunden hatte, doch schließlich strich ich mir ein paar gelöste Strähnen aus der Stirn und lächelte zufrieden auf das verzierte Tablett hinab. „Ah bien!", gab der Hausherr von sich als er durch eine offenstehende Balkontür trat und sein wachsamer Blick auf das abgekühlte Mahl richtete. „Und Ihr habt sogar auf den Tee geachtet!", fügte er begeistert hinzu als er die dampfende Tasse ergriff und an dem würzigen Getränk nippte. „Mit Verlaub Monsieur, das war auch nicht wirklich zu vergessen.", erwiderte ich bevor ich daran denken konnte, dass ich ja nur eine Bedienstete des Hauses war. Merde. Ich machte meine Aufgabe jetzt schon nicht richtig – und es war der erste Tag! Doch Arno warf mir nur einen amüsierten Blick über den Rand des weißen Porzellans zu und griff nach einen der Croissants. „Das wäre nun erstmal alles.", sagte er mit ruhiger, aber bestimmter Stimme und ich verneigte mich flink bevor ich aus den privaten Gemächern des Assassinen schlüpfte. Es steckte noch kein Dolch in meinem Rücken. Das war schon mal ein Anfang.

Assassin's Creed - Wenn Der Frühling blutetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt