6. Von ersten Küssen

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Es war kurz nach 17 Uhr und Taekwoon war gerade auf dem Weg von seiner Arbeit am Kiosk zurück nach Hause, als er Sanghyuk an der Bushaltestelle sah. Taekwoon konnte nicht anders, als einige Minuten einfach dazustehen und seinen Freund, der vertieft in sein Smartphone an einem Fahrradständer lehnte, mit klopfendem Herzen zu beobachten.

Sie hatten sich nun schon seit einem Monat nicht mehr gesehen. Sanghyuk hatte ihn ein paar Mal angerufen, aber Taekwoon hatte nie abgehoben und in den letzten beiden Wochen hatte er dann gar nichts mehr von dem Jüngeren gehört.

Unwillkürlich musste er sich an das letzte Mal erinnern, als sie miteinander gesprochen hatten. Das war zwei Tage nach Sanghyuks Geburtstagsfeier gewesen. Taekwoon war vorbeigekommen, um sich mit einer notdürftigen Ausrede bei Sanghyuk für sein frühes Verschwinden von der Party zu entschuldigen. Sie hatten einige Minuten schweigend nebeneinander vor der Spielkonsole gesessen und Taekwoon hatte sich gefühlt wie ein Alien. Ein Außenseiter, der es nicht wert war, von Sanghyuks erster fester Freundin zu erfahren, obwohl es doch so offensichtlich war, dass sich etwas in dem Leben des Jüngeren verändert hatte.

Eine Stunde lang hatten sie sich durch belanglosen Smalltalk gequält bis Sanghyuk dann angefangen hatte, nervös an seinem Bettbezug herumzufummeln.

„Hyung?", hatte er stockend begonnen.

„Ja?", hatte Taekwoon erwidert, der bereits geahnt hatte, was sein Freund gleich sagen würde.

„Ich... ich habe jetzt eine Freundin", hatte Sanghyuk schließlich gesagt.

Taekwoon war auf diese Worte vorbereitet gewesen und natürlich tat es weh, aber was das Ganze noch unerträglicher machte, war, dass Sanghyuk so lange gebraucht hatte, um sie auszusprechen. War Taekwoon in Sanghyuks Augen etwa wieder der unheimliche Hyung aus seiner Kindheit geworden? Die Vorstellung schmerzte Taekwoon. Es war in diesem Moment, als wären all die Jahre umsonst gewesen, als hätten sie die Zeit zurückgedreht und alles kaputt gemacht.

„Das freut mich, Hyukkie", hatte Taekwoon nach einer Weile gesagt, ohne den Jüngeren dabei anzusehen.

„Okay... cool", war es verkrampft von Sanghyuk gekommen.

An diesem Tag hatte Taekwoon sich furchtbar einsam gefühlt, als er neben seinem Freund auf dem Bett gesessen hatte. Sanghyuk war da, aber zugleich war er nicht mehr da. Er hatte jetzt eine Freundin und einen großen Freundeskreis, mit dem er mehr Gemeinsamkeiten teilte, als mit Taekwoon. Er fühlte sich überflüssig, ungewollt.

Er wurde in die Gegenwart zurückbefördert, als Sanghyuk sich ihm plötzlich zuwandte und die Hand hob. Vor lauter Schreck zuckte Taekwoon zusammen und wollte sich schon abwenden, da kam der dunkelhaarige Junge schon mit schnellen Schritten auf ihn zu.

„Hey, Hyung. Wie... wie geht es dir?", begrüßte Sanghyuk ihn zunächst freudig, doch noch ehe er das letzte Wort ausgesprochen hatte, konnte Taekwoon sehen, wie sich seine Freude zu Unbehagen wandelte. 

„Ich komme gerade von der Arbeit", sagte Taekwoon, statt dem Jüngeren eine richtige Antwort zu liefern.

„Cool!"

Taekwoon musste sich zusammenreißen, um nicht die Miene zu verziehen, denn irgendwie wirkte Sanghyuks gute Laune nicht aufrichtig.

„Und wo willst du hin?", fragte Taekwoon und deutete auf die Bushaltestelle.

„Oh. Zu meiner Freundin", antwortete Sanghyuk und prompt war die Atmosphäre noch angespannter. Taekwoon hatte keine Ahnung, wer genau das Mädchen war, und irgendwie stand diese Tatsache wie der erste Stein einer unüberwindbaren Mauer zwischen ihnen. Sonst hatte Sanghyuk ihm immer alles erzählt und irgendwie hatte der Jüngere auch aus Taekwoon immer die wichtigsten Informationen herausgequetscht. Doch nun war alles so anders, so fremd.

Leo/Hyuk: Sommerspiegel [VIXX Fan-Fiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt