"Mila, Schätzchen – holst du noch eben die Servietten aus dem Küchenschrank? Die gelben, von links unten."
Mamas Stimme dringt aus dem Wohnzimmer zu mir in die Küche, wo ich gerade damit beschäftigt bin, kleine rosa Cupcakes mit weißem Fondant und kleinen Marzipansternchen zu verzieren. Innerlich seufze ich auf. Ich hasse es, wenn mich jemand bei einer Sache unterbricht, gerade, wenn sie so fizzelig ist. Das Lächeln, mit dem mich Mama ansieht, als ich kurz darauf die Servietten auf den Wohnzimmertisch packe, entschädigt mich allerdings ein bisschen dafür. Sie sieht richtig gestresst aus – kein Wunder, immerhin bereitet sie seit frühem Morgen meine Geburtstagsparty vor.
"Danke, mein Herzchen. Ich wüsste nicht, wie ich das ohne dich schaffen sollte.", sagt sie und nimmt mir die gelb leuchtenden Papiertücher ab. "Es ist wirklich wie verhext, dass deine Brüder gerade heute krank sind."Paul und Lukas sind gestern Abend von Halsschmerzen geplagt, zu denen sich später noch ziemlich hohes Fieber und roter Ausschlag gesellten. Seitdem hüten sie das Bett und ich habe meine Eltern vorhin etwas von wegen Windpocken reden hören.
"Sei froh, dass du das schon hinter dir hast, Mila", meinte Papa nach dem Frühstück, kurz bevor er seine Aktentasche geschultert und ins Büro abgezischt ist.
Bin ich auch! Wer will schon seinen Geburtstag mit eklig juckenden Furunkeln am ganzen Körper verbringen?"Ich habe vorhin mit den Eltern deiner Gäste telefoniert. Die Mädels scheinen die Windpocken schon alle hinter sich gebracht zu haben.", sagt Mama und wischt sich mit dem Ärmel über die Stirn. "Gottseidank. Sonst hätten wir die Party verschieben müssen. Und bis man da wieder einen Termin gefunden hätte..."
"An einem Freitag, den 13ten zu feiern, ist aber auch ganz schön bescheuert!", kommt es plötzlich von der Tür und als ich Paul, der halb im Flur, halb in der Küche steht, wütend ansehe, feixt er mich an.
Mama seufzt.
"Paul! Du solltest doch im Bett liegen. Meinst du, das Fieber geht runter, wenn du die ganze Zeit auf den Beinen bist? Und außerdem – wie kommst du auf so einen abergläubischen Quatsch?"
"Hat mein Freund Rico gesagt. Freitag, der 13te bringt voll Unglück und an so einem Tag zu feiern, da muss man schon ganz schön blöde sein! Außerdem hab ich Durst." Paul grinst und wendet sich Richtung Küche. "Achja und Lukas hat vorhin gekotzt, super eklig!"
"Auch das noch..." Mama sieht aus, als würde sie gleich anfangen, zu heulen. Unsere Blicke treffen uns und ich versuche, aufmunternd zu lächeln.
"Mach nur, Mama – ich decke inzwischen den Tisch und mache die Cupcakes fertig."
Sie streicht mir über die Haare und gibt mir einen schnellen Kuss auf die Stirn. "Danke, Schatz. Ich beeile mich."
Als ich mich eine gute Stunde später auf mein Bett fallen lasse, ist alles fix und fertig. Und so fühle ich mich auch. Die Cupcakes sehen zwar eher experimentiell (wie meine Kunstlehrerin sagen würde) als schön aus, aber schmecken richtig lecker nach Schokolade und Himbeere. Der Tisch ist gedeckt, im Ofen backt eine riesige Spinatlasagne mit ordentlich viel Mozzarella vor sich hin und das ganze Haus ist blitzblank geputzt. Paul und Lukas wurden beide wieder in ihr Zimmer verfrachtet und dürfen Fencheltee und Zwieback futtern. So fies das klingt, aber ich bin froh, dass die beiden heute krank sind und meine Party nicht stören können - wie es an meinen letzten Geburtstagen so gut wie immer der Fall war.
Die kleine Wanduhr über meinem Schreibtisch tickt leise. 16:30 Uhr. In einer halben Stunde kommen meine Gäste. Wir sind nur vier, allesamt Mädchen. Tief in meinem Innersten hätte ich gerne einen bestimmten Jungen eingeladen. Nämlich Elias Morgenstern, der in der Schule neben mir sitzt und einfach ziemlich...cool ist. Okay, er ist mehr als nur ziemlich cool – er ist extrem cool, verdammt nett und gutaussehend noch obendrein. Fast alle Mädchen in unserem Jahrgang (und sogar einige der älteren) stehen auf ihn. Leider. Mit seinen strahlend blauen Augen, den blonden Haaren, die er zu dünnen Dreadlocks gefilzt hat (meine Mum würde mich umbringen), die ihm, immer wenn er sich ein bisschen vorbeugt, ins Gesicht fallen, und den echt lässigen Klamotten mit tausend Festivalarmbändern am Arm, wirkt er nicht wie vierzehn, sondern schon beinahe volljährig. Und neben ihm sehe ich noch mehr als sonst aus wie eine graue Maus.
Aber: Jedes Mal, wenn sich unsere Ellenbogen während des Unterrichts versehentlich auf dem Tisch berühren, fühlt es sich an, als würden ungefähr eine Million hyperaktiver Schmetterlinge in meinem Bauch explodieren. Unsere Namen würden eine traumhafte Kombination ergeben: Elias Morgenstern und Mila Mondlicht. Elias und Mila, Morgenstern-Mondlicht. Und wenn seine hellblauen Augen mit den unglaublich langen, dichten Wimpern mich ansehen, dann....
DU LIEST GERADE
Mila Mondlicht
Tajemnica / ThrillerMila lebt mit ihrer Familie in einem winzigen Dorf am gefühlten Ende der Welt, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, ein total normales Leben. Doch als sie plötzlich anfängt, Dinge zu sehen, die eigentlich definitiv nicht da sein können, dreht s...