Das Funkeln der Hoffnung

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Der Schuss preschte durch die Luft. Ich hatte genau auf die Brust des Mannes mit der vogelähnlichen Nase gezielt. Der Überraschungsmoment war auf meiner Seite und der Vampir erkannte viel zu spät, was ich getan hatte, doch dank seiner übermenschlichen Geschwindigkeit schaffte er es dennoch, einen Ausweichversuch zu starten.

Die Kugel traf nicht seine Brust, sondern seine Schulter. Sie zerfetzte Fleisch, Sehnen und Muskeln, bis sie mit einem hässlichen Geräusch auf den Knochen auftraf. Unter der gewaltigen Kraft des Schusses zersplitterte dieser und die Kugel blieb in dem Körper des Vampirs stecken.

Der Mann jaulte auf. Die Verletzung war extrem schmerzhaft und verhinderte, dass er den rechten Arm benutzen konnte, doch einen Vampir würde eine solche Wunde nicht wirklich außer Gefecht setzen. Sofort stürzte er sich mit einem lauten Gebrüll auf mich, doch bereits im Sprung packten ihn zwei der Silberschwingen an den Armen.

Das Wutgebrüll verwandelte sich in einen hohen Schrei der Qual, als seine Arme unerbittlich festgehalten wurde und die gesamte Kraft des Sprunges auf seine Schultern weitergeleitet wurde. Die Kugel schob sich noch tiefer in das zerklüftete Fleisch des Vampirs hinein. Auch Knochenteile wurden verschoben und stachen durch die Haut des Mannes, sodass es aussah, als hätte man ihn von innen heraus gepfählt.

Der Mann fluchte lauthals und in der Hoffnung, seine Schmerzen zu überspielen, doch sein verzweifeltes Keuchen und der Schweiß, der sich auf seiner Stirn ausbreitete, kündete nur zu gut von der Todesqual, die er durchleiden musste.

Ein erstauntes Schweigen erfüllte mit einem Mal die restlichen Personen in dem Raum, doch etwas der tödlichen Atmosphäre schien genommen worden zu sein.

„Antworte!" Mein Befehl klang ebenso eisig wie Damians Stimme, doch in meinem Tonfall war noch etwas, dass sich fast wie Langweile anhörte. Ich hatte es perfekt geschafft in meine Maske der eisigen, meuchelnden Henkerin zu schlüpfen.

Jeder im Raum starrte mich an, doch als der Mann vor mir immer noch nicht antwortet, sondern sogar hochnäsig auf mich herabschaute, hatte ich keine andere Wahl. Ich musste noch etwas tun, sonst würde ich meine Position vollkommen untergraben.

Ich zielte auf den Vampir, der von den beiden Silberschwingen festgehalten wurde. Mir war bewusst, dass die Kugel wohl nicht ganz genau dort treffen würde wo ich hinzielte, besonders wenn ich auf die untere Hälfte seiner Beine schoss, die er selbst in seiner jetzigen Position einfach noch wegziehen konnte, also entschied ich mich für einen seiner Oberschenkel. Es wäre keine gefährliche Wunde für einen Vampir, aber ganz gewiss sehr schmerzhaft. Er würde viel Blut verlieren und es hoffentlich nicht schnell genug ohne menschliches Blut erneuern können, sodass er möglicherweise geschwächt wäre.

Eine einzige Chance wollte ich ihm jedoch noch geben. Es war ein Risiko, denn möglicherweise konnten die anderen so meine Maske durchschauen, doch selbst jetzt konnte ich mich nicht dazu durchringen ohne weitere Warnung auf einen wehrlosen Mann zu schießen. „Also?", hörte ich mich mit eiskalter Stimme fragen.

„Fick dich", knurrte er wütend zurück und versuchte mir ins Gesicht zu spucken. Er hätte es auch sicherlich geschafft, wäre ich seinem Speichel nicht schnell genug ausgewichen, gleichzeitig schoss ich ihm in den linken Oberschenkel. Zu meiner bitteren Überraschung und zu seinem qualvollen Pech, blieb auch diese Kugel im Fleisch stecken und ich war mir ziemlich sicher, dass sein Oberschenkelknochen ebenfalls in ein dutzend Stücke zerbrochen war.

Ich fühlte mich schmutzig und hätte mich am liebsten übergeben. Mein Körper, der diese kalte Waffe auf den wehrlosen Mann vor mir richtete, fühlte sich falsch an und meine gnadenlosen Gedanken schienen einer Fremden zu gehören.

Gemahlin der Nacht - 2. Band der Tagwandler ReiheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt