Wir alle lehnten uns auf unseren Stühlen zurück. Ich massierte mir meine Schläfen. Hatten wir irgendwelche Chancen? Ich konnte keine erkennen. Es musste doch eine Möglichkeit geben! Wir mussten die Zukunft ändern! Blut und Gewalt würden sonst die Welt mit eiserner Hand umschließen!
Ich dachte an meine Vision vom Tod; an Maya und Wolf die bereits sinnlos gestorben waren. Sie waren nicht die ersten Opfer in der Geschichte der Vampire und würden ganz sicher nicht die letzten bleiben. Doch wenn wir uns nicht gegen das Schicksal wehrten, würden tausende, nein Millionen Tode die Erde unter sich begraben. Niemand würde ihnen nachtrauern. Sie wären nichts weiter als Unrat, der die zerstörten Reste einer vergangenen Zivilisation begrub.
Man musste das Schicksal doch irgendwie aufhalten können!
In den Köpfen der restlichen Anwesenden schien sich dasselbe Szenario abzuspielen. Alexios hatte die Augen geschlossen, so als überdenke er alle Möglichkeiten. Auf seiner Stirn lagen winzige Sorgenfalten und er stieß einen kleinen Seufzer aus. Jane griff vorsichtig nach seiner Hand. Er öffnete die traurigen Augen und schenkte ihre einen tiefen Blick voll Verzweiflung. Langsam hob er ihre Hand zu seinen Lippen und setzte einen winzigen Kuss auf ihre Fingerspitzen. Auf Janes Gesicht stahl sich ein schwaches Lächeln. Es erhellte ihre Züge und doch schaffte die liebevolle Geste nicht die Trauer und Furcht aus ihren Augen zu verbannen.
Antonius ballte wütend die Hände zu Fäuste und ließ sie auf den Tisch niedersausen. Er knurrte zornig. Jeder Muskel seines Körpers war angespannt. Er wirkte, als wolle er aufzuspringen und aus dem Zimmern stürmen. Ein hartes Training, um den Stress und die Verzweiflung abzubauen, würde uns allen gut tun. Zuvor musste jedoch ein Plan auf den Tisch und es schien sich nicht einmal ein Hauch davon in unseren Köpfen zu bilden.
Damian strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Augen blickten jedoch abwesend in die Ferne. Immer wieder verdüsterten sie sich, so als spielten sich zahlreiche Möglichkeiten in seinem Inneren ab. Jedes Szenario schien unweigerlich zu Tod und Verderben zu führen.
„Es muss doch eine Möglichkeit geben!", schrie Antonius plötzlich auf. Wütend krallte er seine Fingernägel tief in das Fleisch seiner Handfläche. Rote Blutstropfen quollen aus der Faust hervor und tropften auf den Tisch.
„Wenn du eine Möglichkeit erkennst, teile uns diese bitte mit. Ich bin sicher wir alle wären dir dafür sehr dankbar", erklärte Alexios mit höflichster Diplomaten Stimme. Wir standen alle vor einem tiefen, dunklen Abgrund, der drohte uns mit samt Seele zu verschlucken. Die höflichen Worte waren nicht mehr als Floskeln um Antonius an diese Tatsache zu erinnern.
Dorn knurrte nur als Antwort zurück: „Ich habe keine Idee, doch es muss es eine Möglichkeit geben! Ich bin mir sicher!"
„Habt ihr es schon mit Verhandlungen versucht?", fragte Damian mit einem Zähneknirschen.
Alexios wollte antworten, doch Antonius kam ihn mit höhnischer Stimme zuvor: „Verhandlungen?! Was, glaubst du, hat Alexios als allererstes und danach immer wieder versucht?! Glaubst du, er würde hier einfach herumsitzen?! Er hat jeden einzelnen friedlichen Weg abgeklappert! Bis zu Letzt hat er die Hoffnung auf eine friedliche Lösung nicht aufgegeben! Du hast ihn doch früher als „zu menschlich" beleidigt, glaubst du, ein solcher Mann von Ehre würde einfach daneben sitzen, während die Welt den Bach runtergeht?! Das kann man wohl eher vom Fürsten der Finsternis, dem ach so perfekten vampirischen Exoberhaupt des anderen Clans sagen! Und nun siehe da wer eben kriechend um Asyl betteln musste!"
Der General schien sich noch weiter in Rage reden zu wollen, doch Alexios unterbrach ihn mit sanftem, aber zugleich sehr warnendem Tonfall: „Antonius, bitte. Wir sitzen alle im selben Boot und sind ebenso verzweifelt. Niemandem ist geholfen, wenn wir unserer Wut freien Lauf lassen." Dieser verdammte Mistkerl Alexios! Mir war eben aufgefallen, dass ich schon viel zu lange nicht mehr über ihn geflucht hatte. Selbst jetzt war meine Beleidigung halbherzig. Auch der Grund war eigentlich bemitleidenswert. Ich fluchte lauthals in Gedanken über ihn, weil ich seine ruhige Art und Weise im Angesicht des drohenden Weltuntergangs bewunderte. Er musste der Sohn des Teufels sein, wenn er selbst mich um den kleinen Finger winkeln konnte! Schließlich war auch er ein Feind! Seinetwegen hatte Jane unsägliche Qualen erlitten!
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Gemahlin der Nacht - 2. Band der Tagwandler Reihe
VampireEndlich hat es Kate alias Polarfuchs geschafft. Die Missverständnisse zwischen ihr und dem Vampiroberhaupt Damianos sind geklärt, er hat ihr seine Liebe gestanden und die letzte Phase ihrer Ausbildung kann nun beginnen. Gemeinsam mit ihren persönlic...