Kapitel 23

493 35 10
                                    

Zuhause angekommen, wollte Scorpius seinen Koffer auf sein Zimmer tragen, was ich sofort unterband, ihm den Koffer aus der Hand nahm und mit meinem Kopf in Richtung Wohnzimmer zeigte, womit ich andeutete, dass er sich aufs Sofa legen sollte. „Albus kommst du mit hoch? Du kannst da deinen Koffer abstellen", sagte ich.

Albus folgte mir wortlos in Scorpius Zimmer und stellte dort seinen Koffer neben den von Scorpius. „Soll ich noch eine Matratze holen, wo du liegen kannst?", fragte ich ihn.
Albus nickte etwas verlegen und fragte mich dann, ob er mir dabei helfen sollte. Ich stimmte zu und wir gingen gemeinsam auf den Dachboden, um die Matratze zu holen. Ich dachte mir, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, ihm mal ein wenig auf den Zahn zu fühlen.

„Sag mal Albus, wie ist das eigentlich? Hast du eine Freundin?"
Er lachte auf und musste schmunzeln. „Ne. Das liegt auf meiner Prioritätenliste auch ganz weit hinten. Hab nicht so das Verlangen nach einer Beziehung."
Diese Antwort konnte alles bedeuten. Es konnte sein, dass er keine Beziehung mit einem Mädchen eingehen würde, aber mit einem Jungen, was meine bisherigen Vermutungen bestätigte. Allerdings konnte es genauso heißen, dass er generell keine Lust auf eine Beziehung hatte, vollkommen unabhängig, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Das einzige was ich wusste, war, dass ich jetzt genauso schlau war wie vor zwei Minuten.

Als wir die Matratze in Scorpius Zimmer gelegt hatten, gingen wir nach unten ins Wohnzimmer, wo Scorpius gerade auf einen Hocker stand, um an ein Buch im Bücherregal zu kommen. „Scorpius, leg dich sofort hin. Ich hab keine Lust dich wieder vom Boden aufzusammeln", sagte ich in einem scharfen autoritären Ton.
„Ich will mir doch nur ein Buch holen. Ist das jetzt verboten? Ja ich bin vielleicht müde und etwas geschwächt, aber ich lebe noch. Und solange ich lebe, werde ich aufstehen und mir mein Buch selber aus dem Regal holen und zwar dann, wenn es mir passt", sagte er mürrisch.
„Solange du unter meinem Dach lebst, bleibst du liegen, wenn du kurz vorher nur knapp dem Tod entkommen bist. Haben wir uns da verstanden?", fragte ich ihn.

Er verdrehte die Augen, ging zum Sofa zurück, mit dem Buch, welches er sich aus dem Regal geholt hat, in der Hand. „Dad, manchmal übertreibst du echt total. Ich kann ja wohl noch selbst entscheiden, ob und wann ich aufstehe, oder willst du mich jetzt hier festbinden?", sagte Scorpius provokant.
„Es reicht! Du weißt genau, was Madame Pomfrey gesagt hat. Du hast dich zu schonen und nicht umherzulaufen. Ich hab einmal erleben müssen, wie schmerzhaft es ist, jemanden zu verlieren. Tu mir das nicht nochmal an. Deine Mutter hat gereicht!" Mit diesen Worten drehte ich mich um und verließ den Raum. Scorpius hatte scheinbar keine Vorstellung, was ich in den letzten Tagen wegen ihm durchmachen musste. Ich wusste jedenfalls, dass ich so etwas nicht nochmal miterleben wollte.

Astorias Tod war damals die pure Hölle gewesen und mir war klar, wenn das mit Scorpius passiert wäre, hätte ich noch mehr mit mir kämpfen müssen.
„Ganz ehrlich, mach langsam", hörte ich Albus sagen. „Du fühlst dich vielleicht fit, aber das bist du noch nicht. Keineswegs. Dein Vater hat Recht und wenn dir etwas zustoßen würde, ich glaube das könnte er nicht verkraften."
„Und du? Du könntest es scheinbar verkraften, oder wie?"
„Sag mal Scorp. Hörst du uns überhaupt zu? Du sollst langsamer machen. Und das würde ich bestimmt nicht sagen, wenn du mir nichts bedeuten würdest", entgegnete Albus, doch Scorpius sagte nichts mehr.

--------------------------------

Es war ruhig im Wohnzimmer, als ich etwas später den Raum betrat. Albus saß mit einem Buch im Sessel vor dem Kamin. Als ich hinter ihm stand bemerkte ich, dass er es überhaupt nicht laß, sondern einfach nur starr auf die Seiten des Buches schaute.
„Albus, alles okay bei dir?"
Er zuckte zusammen, als er bemerkt, dass ich hinter ihm stand, klappte das Buch zu und sagte ohne sich umzudrehen: „Hm... ich mach mir Sorge wegen Scorp. Meinen Sie, er ist bald wieder komplett fit?"
„Ganz sicher. Er muss sich nur eben noch schonen. Wenn er aber so weiter macht wie bisher, dauert es noch eine Weile."

Scorpius schien jetzt aber endlich eingeschlafen zu sein, denn er lag ruhig atmend auf dem Sofa. Ich ging auf ihn zu und legte ihm die Decke, die zusammengefaltet am Fußende lag über die Beine. Ich strich ihn noch einmal über den Kopf bevor auch ich es mir auf einem Sessel mit Buch gemütlich machte.

Kaum hatte ich mich hingesetzt, flog etwas gegen das Fenster. Es war eine sehr alte Eule, die scheinbar die Orientierung verloren hatte und somit gegen die Glasscheibe geflogen war. Die Eule hatte etwas im Schnabel, offensichtlich ein Brief. Also stand ich auf, öffnete das Fenster und die Eule reichte mir den Brief.

„Albus Severus Potter und Familie Malfoy" stand auf dem Brief.
„Er scheint an uns alle gerichtet zu sein. Ich gehe davon aus, dass es ein Brief von deinem Vater oder deiner Mutter ist."
Von dem Knall, den die Eule durch ihren Sturz verursacht hatte, war auch Scorpius wieder aufgewacht.
„Ne, der ist nicht von meiner Mutter oder meinem Vater. Das ist die bescheuerte Eule von... Ach ist ja auch egal. Was steht drin?"
„Er ist von deiner Tante. Rose kann Anfang Januar nirgends unterkommen. Deine Tante möchte sie für ein bis zwei Tage hier unterbringen. Das kann ja noch lustig werden. Drei pubertierende Teenager in meinem Haus. Mir reicht ja in den Ferien schon mein eigener. Naja, das bekomm ich schon irgendwie gestemmt", berichtete ich.

„Oh nein. Nicht Rose. Sie ist furchtbar... zumindest manchmal", sagte Albus.
„In eurer großen Familie wäre es ja auch nicht normal, wenn du dich mit allen belendend verstehen würdest. Bei meiner Familie gibt es da nicht so die große Auswahl. Cousins hab ich keine, wenn überhaupt Teddy. Aber der ist ja nur der Großcousin von Dad. Die einzige Familie die bei mir übrig bleibt, ist Dad, zwei meiner Großeltern, eine Tante, zu der ich keinen Kontakt habe und das war's dann auch schon", sagte Scorpius.
„Naja. Ein paar Tage ohne sie haben wir ja noch. Dann müssen wir es uns in der Zeit gemütlich machen", sagte Albus.

Scorpius war offensichtlich wieder im Begriff aufzustehen, was mir auch dieses Mal missfiel. „Was hab ich eben gesagt? Wenn du in irgendeiner Form vorhast, gesund zu werden, bleib endlich mal liegen und schlaf."
Er verdrehte genervt die Augen, wendete den Blick von mir ab und ging aus dem Wohnzimmer, ich hinterher. „Dad, ich brauche keine 24 Stunden Betreuung. In Hogwarts hätte ich die Überwachung auch nicht. Und schon gar nicht auf der Toilette. Ich hoffe, dass ich wenigstens da jetzt alleine hin gehen kann."
Daraufhin ging er durch den Flur zum Badezimmer, wo er die Tür hinter sich abschloss.

Nach ein paar Minuten kam er wieder aus dem Bad und kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo ich inzwischen wieder auf dem Sessel platzgenommen hatte. Er legte sich ohne weitere Aufforderung wieder hin, sagte aber kein Wort. Kurze Zeit später war er erneut eingeschlafen. Scheinbar war er doch noch nicht so fit, wie er sich das selbst die ganze Zeit versuchte einzureden.

-------------------------------

Als Scorpius einige Stunden später aufwachte, war das Wohnzimmer leer. Ich war in der Küche, wo ich gerade den Tisch für das Abendessen gedeckt hatte. Albus war, wenn ich es richtig mitbekommen hatte, nach draußen gegangen. Ich drehte mich um, als ich meinen Sohn hinter mir, locker am Türpfosten gelehnt, bemerkte.
„Gut geschlafen?", fragte ich schmunzelnd.

Als Antwort bekam ich nur ein müdes knurren, was ich als „geht so" einordnete.
„Wo ist denn Albus?", fragte er mit einem unterdrückten gähnen.
„Dein Freund ist draußen. Wollte scheinbar ein wenig an die frische Luft. Wenn du dich draußen auf die Bank setzt, könnte dir das bestimmt auch nicht schaden."
„Er ist nicht mein Freund. Wir sind nur gute Freunde. Mehr nicht", sagte er etwas verlegen.
„Das weiß ich doch. Und ich hab das jetzt auch nicht in der romantischen Form gemeint", entgegnete ich lachend.
„Achso, okay. Ja, ich bin noch nicht ganz wach", versuchte er sich rauszureden.
Er setzte sich an den Tisch und schenkte sich ein halbes Glas Wasser ein, was er in einem Atemzug leertrank.
Auch Albus war inzwischen wieder drinnen, denn er erschien gerade im Türrahmen, als Scorpius sein Glas zurück auf den Tisch stellte. „Albus, du kannst dich auch schon mal setzen. Es gibt jetzt Abendessen."
Er setzte sich neben Scorpius an den Tisch und wir begannen gemeinsam zu essen.

Scorbus | Father And Son - Erbe der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt