Kapitel 25

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Unsanft wurde ich am nächsten Morgen von einem Geräusch geweckt, dass sich anhörte, als hätte jemand neben mir im Bett hilflos versucht nach Luft zu schnappen. Moment mal… neben mir im Bett? Kurz darauf spürte ich etwas, das sich um meinem Bauch schlang. Ich riss erschrocken die Augen auf und sah, dass es sich um einen Arm handelte, der auf mir lag und dieser Arm gehörte jemandem, der sehr nah an mir lag. Und nach meinem Geschmack, etwas zu nah.

Bei dem Gedanken daran, wagte ich es kaum, einen Blick nach hinten zu werfen, um zu sehen, wem genau dieser Arm mit Mensch daran gehörte. Mir schien, als ob ich gestern zu viele Feuerwhiskey hintereinander getrunken hatte, ich konnte mich nämlich an nichts mehr –und zwar wirklich gar nichts mehr erinnern, was in den letzten Stunden passiert war und wer diese Person in meinem Bett war.

Aber dann kam mir ein anderer Gedanke, der jeden Schalter der in meinem Kopf noch funktionierte umklappte und völlig ausschaltete. 
Ohne weiter darüber nachzudenken hob ich hektisch meine Decke an und guckte an mir runter, um zu sehen, ob ich überhaupt bekleidet war. Mit Erleichterung konnte ich feststellen, dass ich komplett bekleidet war.
Gut. Ich konnte also davon ausgehen, dass ich heute Nacht nicht entjungfert wurde und mich, wenn es irgendwann mal soweit war, daran erinnern konnte.

„Keine Sorge Großer, du bist immernoch Jungfrau – also soweit ich weiß. Soweit geht meine väterliche Liebe ja nun auch wieder nicht.“ Jetzt drehte ich mich doch um, denn wenn mein Gehirn mich nicht komplett verlassen hatte, lag ich neben meinem Vater, der scheinbar heute Nacht das Bett mit mir geteilt hatte. Ich sah, wie mein Vater grinste. Er strahlte so sehr, dass er ganz Hogwarts damit hätte beleuchten können.

„Da hab ich dich wohl erschreckt. Du hast wohl schon befürchtet, dass hier jemand anderes in deinem Bett liegt, und ich glaube ich weiß auch schon genau, wer da so in deiner unterdrückten Vorstellung neben dir lag. Das ist übrigens mein Zimmer. Du hast heute Nacht plötzlich neben meinem Bett gestanden. Wahrscheinlich bist du schlafgewandelt“ Sein grinsen wurde noch breiter, während sich mein Blut zunehmend in Richtung Norden verteilte und meinen Kopf Kaminrot färbte. 
„Ja, verdammt… du hast mich erschreckt“, stammelte ich, konnte mir ein Lachen aber nicht verkneifen. „Was ist denn gestern alles passiert. Hab ich viel verpasst? Ich kann mich echt an … nichts mehr … erinnern. Und zwar wirklich garnichts mehr. “

Mein Vater lachte belustigt auf und es kam mir so vor, als würde er mich bedauernd ansehen. „Na ja… viel passiert ist eigentlich nichts… bis auf die eine Sache, dass … Rose und Albus gestern Abend ziemlich viel … Spaß hatten. So gegen halb zwei sind die beiden dann hoch, in irgendein Zimmer gegangen.“

Enttäuscht ächzend atmete ich aus, versuchte aber den Anschein zu erwecken, total locker und die Ruhe selbst zu sein. Aber meinem Vater entging nicht, dass es in meinem Inneren heftig brodelte. Ihm entging nie etwas, selbst das konnte man nicht vor ihm geheim halten. Er war einfach ein Meister, was Gedanken und Gefühle lesen anging. Das musste wohl daran liegen, dass seine Tante ihm vor Urzeiten Okklumentik beigebracht hatte. Ein weiterer Grund weshalb ich diese Frau abgrundtief hasste und am liebsten verflucht hätte, wenn sie denn noch leben würde.

Ich richtete mich in dem Bett, in dem ich lag auf, ohne zu wissen, weshalb ich hier gelandet war.
„Du bist eifersüchtig – stimmt’s? Ich glaub dir wär es lieber gewesen, anstelle einer gewissen Person selbst mit in irgendeins dieser Zimmer zu gehen um Spaß zu haben. Stattdessen wachst du heute Morgen, hier neben deinem öden Vater auf“, versuchte er mich zu trösten, aber das ging gewaltig in die Hose, denn meine Gefühlswelt brach jetzt endgültig zusammen.

„Nein, ich glaub du verstehst mich nicht. Ich wär nicht gern anstelle von Albus gewesen. Ich wünschte… ich wäre …“, meine Kehle schnürte sich bei dem Gedanken zu und ich stammelte nur so vor mich hin. „… an Albus … Seite.“
„Ich hab doch gar nichts davon gesagt, dass du gerne an Albus Stelle gewesen wärst“, sagte er ruhig, fast zu ruhig und leicht ironisch.
Er setzte wieder dieses unverschämt verschmitzte Grinsen auf. Hatte er mir überhaupt zugehört? Ich hatte ihm gerade offenbart, dass ich am liebsten, in genau diesem Moment an Albus Seite wäre und er hat nichts Besseres zu tun, als mich anzugrinsen, als hätte ich ihm gerade gesagt, dass ich Hunger habe.

„Dad, hast du mir überhaupt zugehört? Ich hab dir grade gesagt, dass ich gerne an … Albus Seite wäre, … dass, … also, dass ich ihn … liebe. Ich hab dir damit grade gesagt, dass ich schwul bin.“ Ich sah meinen Vater entgeistert an, der immernoch die Ruhe selbst war. Er legte seinen Arm um meine Schulter und sah mir liebevoll in die Augen, wobei er unglaublich liebevoll lächelte, was bei ihm doch eher seltener vorkam.
„Ich weiß. Das weiß ich doch schon längst.“ Und das sagte er so trocken, dass ich fast unheimlich war. Er musste vollkommen übergeschnappt sein – und vor allem, woher wusste er das jetzt schon wieder. Ich kann mich nicht entsinnen, es ihm irgendwann mal gesagt zu haben. Es sei denn, ich hatte mich gestern im nicht zurechnungsfähigen Zustand dazu geäußert.

Plötzlich kam mir ein Gedanke: So betrunken wie ich gestern gewesen sein musste, würde es mich nicht mal wundern, wenn ich ausgerechnet Albus davon erzählt hätte. Ich glaubte noch nicht so ganz daran, dass Dad verstanden hatte, was ihm ich da anvertraut hatte. Das war doch wohl keine normale Reaktion nach einem... Outing. Fassungslos schüttelte ich den Kopf und begann dann leicht zu glucksen. Daraufhin zuckte er gelassen mit den Schultern und zog mich an sich ran. Leise hauchte er mir ins Ohr: „Wurde auch langsam mal Zeit“
„Womit?“ fragte ich irritiert. Da mein Gehirn immernoch nicht ganz funktionstüchtig war. Wobei ich nicht wusste, ob es daran lag, dass ich noch nicht ganz nüchtern war,  oder ob es die Tatsache war, dass mich mein Vater heute auf eine liebevolle Art und Weise vollkommen fertig machen wollte.

„Damit, dass du mir endlich sagst, dass du nichts mit Mädels anfangen kannst. Ich warte da eigentlich schon seit ein paar Monaten drauf. Mein kleiner dummer Junge“, murmelte er, wobei mir trotz meiner Gehirnaussetzer klar war, dass dieser letzte Satz keineswegs böse, sondern etwas neckend zu verstehen war.
„Danke, mein großer gutmütiger Vater.“

Scorbus | Father And Son - Erbe der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt