Kapitel 12

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„Professor!“, rief plötzlich eine junge Stimme, es war Albus. „Wenn Sie Scorpius suchen - eigentlich wollte ich schon mit Ihnen darüber gesprochen haben, dachte aber, es hat eine logische und harmlose Erklärung, weshalb er verschwunden ist.“

Draco schrie voller Angst auf. „Verschwunden? Mein Sohn ist verschwunden? Aber, dass – das kann doch nicht sein. – Minerva, WO IST MEIN SOHN?“, schrie er sie mit purer Verzweiflung an, dass es einem das Herz brach.

Durch den Aufschrei wurden auch die anderen Schüler wach und bekamen mit, dass Scorpius am letzten Abend nicht in den Schlafsaal zurückgekehrt war. Draco stützte sich an Neville ab, da er sich kaum auf den Beinen halten konnte. „SCORPIUS!!!!!“, schrie er noch verzweifelter.

„Was ist passiert? Warum ist Draco hier?“, fragte jetzt auch Albus mit zitternder Stimme.
„Minerva, wir müssen ihn suchen!“, warf jetzt auch Neville ein. „Albus, wo hast du ihn zuletzt gesehen und vor allem wann?“
„In der Eulerei. Es wurde gerade dunkel. Er hat Draco einen Brief geschickt, ist dann aber alleine zurück zum Schloss gegangen, weil Rose mit mir reden wollte. Er…, er sagte, dass er in der großen Halle auf mich warten wollte. Aber da war er nicht. Ich hab die ganze Schule abgesucht.“
„War er irgendwie verändert, ist dir was Ungewöhnliches aufgefallen?“, fragte Minerva verunsichert.
„Scorp hat irgendwas davon gesagt, dass Professor Korrglock ihn kurz vorher beleidigt hatte. Deswegen hat er ja auch den Brief geschrieben“, fügte Albus hinzu.

Minerva wand sich an Draco und sah, wie kraftlos dieser war, er blickte in die leere und seine Beine zitterten. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und versuchte ihn zu besänftigen. Dabei atmete sie tief ein. „Wir werden Scorpius finden. Vielleicht handelt es sich hier wirklich nur um einen ganz unangenehmen Zufall und alles stellt sich als Missverständnis heraus.“
"Sie haben ja keine Ahnung wozu dieser Mann fähig ist!", erwiderte Draco.
Dann drehte sie sich um, verließ den Schlafsaal, um die Suche nach Scorpius zu beginnen. „Draco, kommen Sie, wir werden ihn finden. Und Albus – Sie kommen bitte auch mit, Sie wissen am besten, wo er sich aufhalten könnte.“
Albus sprang aus dem Bett und rannte Draco, Minerva und Neville hinterher. Sie verließen in zügigem Schritt das Schloss und gingen den Weg zur Eulerei ab.

„Scorpius!“, riefen alle. Sie suchten den ganzen Weg ab, aber er war nirgends zu finden. Sie liefen zu Hagrids Hütte, zum schwarzen See und zum Bootshaus.
Dann fiel Albus plötzlich etwas ein: „Der Umweg!!! Scorpius und ich gehen manchmal einen Umweg. Vielleicht hat er den genommen“ Er rannte los und alle anderen hinterher. Abrupt blieb Minerva wie angewurzelt stehen. „Draco“, sie zeigte in den Wald und da lag etwas. „Da, das – das könnte Scorpius sein.“
Als Draco in die gezeigte Richtung sah, erstarrte er. Zusammengekrümmt und steif am Boden liegend, sah er seinen Sohn. Draco rannte verzweifelt schreiend auf ihn zu. Scorpius bewegte sich nicht. Sein Vater ließ sich vor ihm auf die Knie fallen und nahm ihn in die Arme. Schreiend drückte er ihn an seine Brust. „Neeeeein!!! – MEIN JUNGE; WARUM MEIN EINZIGER JUNGE? Scorpius, bitte – bitte sei nicht Tod – bitte!“

Er legte seinen Sohn behutsam auf den kalten, feuchten Boden zurück. Neville, der inzwischen ebenfalls angeeilt kam, kniete sich neben Draco und sah sich Scorpius genau an. „Er ist nicht tot, Draco. Aber er muss hier schon seit Stunden bewusstlos liegen. Wir müssen ihn sofort in den Krankenflügel bringen“, beruhigte Neville Draco.

Behutsam nahm Draco seinen Sohn auf die Arme und hielt ihn so fest, dass er sicher in seinen Armen lag. Scorpius rührte sich keinen Millimeter, auch seine Atmung war kaum spürbar, so dass Draco immer wieder nachsah, ob er überhaupt noch lebte.
Kurz bevor sie die Schule erreichten, stellte Neville sich vor Draco. „Draco, ich kann ihn auch tragen, wenn er dir zu schwer wird. Du musst es nur sagen.“
Draco zögerte nicht lange und meinte mit leiser und schon kraftloser Stimme: „Nein. Ich möchte meinen Sohn tragen, ich schaff das schon. Aber trotzdem danke. Ich seh es als meine Pflicht, mich jetzt um mein Kind zu kümmern und ich will ihn jetzt einfach nicht loslassen. Es ist ja nicht so, dass ich kein Vertrauen in dich hätte, nur, dass es meine Aufgabe als Vater ist.“

Im Gang zum Krankenflügel atmete Scorpius leicht aus, so dass es Draco in seinem Gesicht spüren konnte. Draco lockerte seinen Griff, um seinem Sohn ins Gesicht zu sehen, aber dessen Augen waren immernoch fest verschlossen. Also drückte er ihn wieder fester an sich. Minerva öffnete die Tür zum Krankenflügel und zeigte auf das freie Bett am Ende des Raums. Auch Madame Pomfrey kam angelaufen und sah sich das Geschehen an. „Legen Sie ihn dort hin“, forderte ihn Minerva auf. Behutsam, so als wäre er aus zerbrechlichen Glas, legte er ihn auf das vorgesehene Bett. „Wird er wieder gesund, Madame Pomfrey? Kann man – also ich, kann ich ihm helfen?“, fragte Draco, dem man in seiner ganzen Ausstrahlung unverkennbar anmerkte, dass er sich die größten Sorgen um Scorpius machte. In seinen Augen war ein detliches flimmern von Angst zu sehen und das fiel auch allen anderen auf.

„Mr. Malfoy, ich will aufrichtig und unverblümt mit Ihnen reden. So gerne ich Ihnen auch das Gegenteil vermitteln würde, aber ich kann Ihnen unmöglich versprechen, dass Ihr Sohn wieder auf die Beine kommt. So leid es mir auch tut, aber wie es mir scheint, wurde er mit dem Cruciatus-Fluch belegt, und das nicht nur einmal. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, wie oft er diesen Fluch ertragen musste, aber es waren bestimmt mehr als vier sehr starke Flüche direkt hintereinander, wenn nicht sogar weitaus mehr“, teilte Madame Pomfrey mit ernster Miene mit. Dracos Augen weiteten sich, denn diese Aussage hatte ihn sichtlich geschockt, immerhin musste er selbst am eigenen Leib spüren, wie unfassbar quälend es war, diesen unverzeihlichen Fluch mehrere Male zu spüren.

Erneut musste er versuchen, gegen die Tränen in seinen Augen anzukämpfen, aber es waren einfach zu viele Emotionen, die er unterdrücken musste. Er bemühte sich nicht mit zittriger und schluchzender Stimme zu reden: „Wieso tut man das? Er – er ist doch noch ein Junge – mein Junge! Warum hat dieses Schwein sowas getan. Scorpius hat doch mit der ganzen Geschichte nichts zu tun. Wieso – wieso rächt er sich an einem unschuldigen Jungen und – nicht an mir? Und dann bezeichnet er uns als feige…Minerva, dieses Mann muss hier verschwinden!“

Minerva war Zwiegestalten und versuchte nun zu handeln. „Bitte versuchen Sie, auch uns zu verstehen. Ich kann ihn nicht einfach entlassen. Es gibt keine Beweise, dass es Korrglock war. Allerdings wird er von nun an unter strenge Beobachtung gestellt. Wir müssen warten, bis Scorpius aufwacht, er ist der einzige, der weiß, was wirklich passiert ist.“
„Und wer garantiert mir, dass mein Kind wieder aufwacht?“
„Außerdem kann niemand sagen, ob er sich überhaupt an irgendetwas erinnern kann, immerhin kann er ja auch einen Vergessenszauber abbekommen haben“, mischte sich Albus nun auch ein, der immernoch besorgt neben dem Bett stand.
„Albus, Sie gehen jetzt bitte in Ihren Schlafsaal. Sie haben hier gar nichts mehr zu suchen, es ist viel zu spät für Sie. Und ja, es stimmt, niemand weiß, ob er jemals wieder aufwacht. Es tut mir so unendlich leid. Draco, ich denke, Sie können aufjedenfall diese Nacht bei Scorpius bleiben. Er braucht Sie jetzt“, bot Minerva Draco voller Mitgefühl an. „Wir lassen Sie beide nun erst mal allein. Madame Pomfrey wird aber immer wieder schauen, wie es Scorpius – und natürlich auch Ihnen geht. Denn auch Sie sollten jetzt zur Ruhe kommen.“
Daraufhin verließen alle den Krankenflügel.

Albus ging nachdenklich zurück in den Slytherin-Gemeinschaftsraum, Minerva und Neville unterhielten sich noch gemeinsam in ihrem Büro und Madame Pomfrey ging hinaus, um die nötige Medizin zu beschaffen. Draco war jetzt allein mit seinem Sohn. Er setzte sich auf den schmalen Bettrand und hielt mit seiner linken Hand, die eisige und steife Hand von Scorpius. Die andere Hand legte er an Scorpius Wange. Auch jetzt machte Scorpius keine Anstalten, irgendwelche Lebenszeichen von sich zu geben, was Draco natürlich noch weiter beängstigte.

In seinem ganzen Leben musste Draco Angst verspüren. Durch den dunklen Lord, seinen Vater und viele andere. Man kann also sagen, dass er einiges an Angst gewöhnt war, aber das hier – das war schlimmer als alle Ängste, die er bisher spüren musste.  Die Angst, die er jetzt um seinen Sohn hatte, war das Schlimmste, was er bisher erfahren musste. Es reißte ihn förmlich in Stücke. Er saß hier, bei seinem Sohn, aber konnte nichts machen, um ihm zu helfen. Diese Hilflosigkeit war erdrückend. Scorpius lag vor ihm, vollkommen regungslos und niemand wusste, ob er jemals wieder aufwachen würde. Draco war sich sicher, dass selbst sein eigener Vater, Lucius, in einer solchen Situation nicht eiskalt geblieben wäre. Soviel war sicher.

Scorbus | Father And Son - Erbe der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt