Viper -IV-

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Leise summend wackelte ich mit dem Stuhl hin und her. Seit sie mich in den Verhörraum gebracht hatten, wartete ich darauf, dass irgendetwas passierte oder irgendjemand etwas tat. Die Wachen schienen genauso gelangweilt zu sein wie ich, wenn auch um einiges angespannter. Zwar hatte ich ihnen angeboten, ein wenig für Unterhaltung zu sorgen, immerhin war ich erstklassig im Handstand, doch sie hatten mich nur verwirrt und verängstigt angestarrt und mich angeschnauzt, ich solle die Klappe halten. Gerade, als mir wieder langweilig zu werden begann, stürmte ein bereits rotgesichtiger Marcus Wright durch die Tür, der eindeutig schon mit den Nerven am Ende war. Sein Anzug war ziemlich zerknittert, sein Haar war jedoch immer noch mit einem ordentlichen Seitenscheitel gestylt. Bevor er sich hinsetzen konnte, atmete er noch einmal tief durch und setzte ein merkwürdiges Lächeln auf sein angespanntes Gesicht.

Langsam ließ er sich auf dem Stuhl gegenüber von mir nieder und verschränkte die Hände auf dem Tisch: „Also, Julia, würde es dir etwas ausmachen, mir einige Fragen zu beantworten?" „Wenn es um den Sinn des Lebens geht, ja. Ich habe selber keine Ahnung. Immerhin sind wir alle doch nur irgendwie Raupen, die es nicht schaffen, zu Schmetterlingen zu werden und langsam aber sicher die wunderschöne Blume auffressen, die wir Mutter nennen können. Und wenn die letzte Wurzel gefressen wurde, dann sieh nur die Vögel, die einzigen, die..." „Jaja, das wollte ich eigentlich gar nicht wissen. Ähm, ich wollte dich fragen, ob du so freundlich wärst, mir so manche Frage bezüglich eures Abenteuers zu beantworten?", unterbrach er mich nicht besonders freundlich. Es fiel ihm sichtlich schwerer, freundlich zu bleiben und ich konnte mir den Grund dafür nicht erklären, auch, wenn es mehreren Menschen so ging, wenn sie Zeit mit mir verbrachten. Da ich gerade meiner philosophischen Ader freien Lauf ließ, antwortete ich melancholisch: „Das ganze Leben ist ein Abenteuer." Der alte Mann biss die Zähne zusammen und schnitt eine Grimasse, die ziemlich lustig aussah: „Ich meine jetzt aber euer letztes Abenteuer in Kentucky."

Sofort hellte sich mein Gesicht auf und ich richtete mich aufgeregt in diesem unbequemen Stuhl auf. Endlich konnte ich es noch jemanden erzählen. Dadurch, dass Roadkill meine einzige Freundin war, war die Anzahl meiner Gesprächspartner ziemlich begrenzt. Besonders, seit wir im Gefängnis saßen, denn Zuhause warteten doch meine Schlangen. Plötzlich wurde ich wehmütig und ich hatte tausend Bilder von meinen Schlangen und mir im Kopf, wie zum Beispiel das eine Mal, als wir im Kino oder in einem Restaurant schön essen waren. Auf meinem Gesicht breitete sich ein seliges Lächeln aus, als Marcus mich auch schon mit einem Räuspern aus den schöneren Gedanken riss.

Sofort erinnerte ich mich wieder an das, was ich ihm eigentlich erzählen wollte: „Also, es war ein sonniger Tag an einem Maimorgen in Kentucky, Staat der Pferde, als meine wunderschöne und beste Freundin Roadkill auf die fantastische Idee kam, mit mir auf den Jahrmarkt zu gehen, um mir eine Freude zu machen. Ach, wie lieb sie doch ist!". Ich seufzte gedankenverloren. „Und dann war da so ein Stand, mit einem ziemlich hässlichen Mann dahinter. Er hatte einen buschigen Schnurrbart, das weiß ich noch genau! Und hinter dem Mann waren wirklich die tollsten Preise, die man sich nur vorstellen kann. Das Beste war natürlich ein gigantisches rosa Plüscheinhorn! Ich wollte...neinneinnein...ich musste es haben! Deswegen, hab ich gespielt und...verloren. Aber dann hab ich nochmal gespielt...und nochmal verloren. Aber beim dritten Mal, hab ich zwar, ach verloren, aber Liz hat den Schnurrbartmann bedroht und der war wirklich soooo nett und hat es mir dann geschenkt! Es gibt wirklich nette Menschen auf der Welt, auch wenn er ziemlich entstellt war."

Erleichtert atmete ich aus, da mir aufgefallen war, dass ich während meines ganzen Monologs nicht einmal Luft geholt hatte. Marcus zuckte mit einem Auge und fragte leise: „Ein rosa Plüscheinhorn?" Stolz grinste ich ihm mitten ins Gesicht: „Ich bin ein rosa Plüscheinhorn." „Natürlich bist du das. Aber wie kommt man auf die Idee, auf den Jahrmarkt zu gehen, wenn man auf der Flucht ist? Ihr seid gerade mal fünfzig Kilometer von Fort Knox entfernt gewesen, nachdem ihr dort...176 Millionen unmarkierte US-Dollar...entwendet habt." Sein Kopf wurde immer röter und ich fragte mich, ob er bald platzen würde. Das wäre echt lustig. „Man kann den Jahrmarkt nur dann wirklich genießen, wenn man auf der Flucht ist, stimmts? Außerdem haben wir das Geld nur geliehen!" Mein Gegenüber runzelte die Stirn. Ob er wusste, dass man davon Falten bekam? „Was meinst du mit 'geliehen'?" Siegessicher musste ich kichern: „Wir haben es nur geliehen, bis es uns gehört." Verwirrt starrte er mich: „Was?" „Na, wegen unseres Masterplans!", meinte ich logisch.

Poisonous RoadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt