Mit einem immer noch feuchtem Gesicht rannte ich Liz hinterher durch die Gänge. Anscheinend wusste sie wohin oder sie gab es wenigstens vor. Sie war besser als ein Navi, nur, dass bei ihr diese nervige Stimme fehlte, die mir befahl, wann ich wo abzubiegen hatte. Irgendwie kam ich mir vor wie eine Maus in einem Labyrinth auf der Suche nach Käse. Obwohl es sich bei dem Käse in diesem Fall um einen Haufen Handgranaten und anderer unserer Habseligkeiten handelte. Als plötzlich eine Laute Sirene ertönte, wollte ich mich natürlich sofort auf dem Boden werfen und alles gestehen, doch aus Prinzip rannte ich weiter brav hinter meiner Freundin her, die beim plötzlichen Ertönen der Sirene nicht einmal zusammengezuckt war.
Zu beiden Seiten des scheinbar nicht enden wollenden Ganges, schienen die dunklen Wände auf mich zuzukommen. Es wäre spaßig, wenn sie mich zerquetschen und das Blut überall hin spritzen würde. Überhaupt fand ich Blut im Allgemeinen interessant...und lecker. Das erinnerte mich an das eine Mal zu Hause, als ich mich im wahrsten Sinne des Wortes auf unserem hölzernen Couchtisch festnageln wollte, um nachzuvollziehen, wie Jesus sich zu einem Drittel gefühlt haben musste, wenn ich denn an den glauben würde.
Ich wollte gerade den Nagel, den ich aus Liz' Folterkammer stibitzt hatte, mit einem Hammer durch die rechte Handfläche schlagen, als Liz in letzter Sekunde in das Wohnzimmer gestürmt kam mit den Worten: „Spinnst du? Was hast du vor?" Schuldbewusst hielt ich ihr den gestohlene Nagel entgegen und schob meine Unterlippe vor. Normalerweise war sie dann nicht mehr wütend auf mich. Diesmal jedoch stürzte sie sich auf mich und riss mir Nagel, sowie Hammer, aus den Händen und zischte: „Was fällt dir ein, so was im Wohnzimmer zu machen? Hast du überhaupt an unser weißes Samtsofa gedacht? Die Flecken würden nie wieder rausgehen! Geh in den Keller oder nach draußen!" Erleichtert atmete ich aus, während sie mir Hammer und Nagel wieder in die Hand drückte. Gerade, als ich nach draußen gehen wollte, rief sie mir hinterher: „Den Nagel will ich nachher wiederhaben...sauber!" Scheibenhonig, sie hatte es trotzdem gemerkt. Verkniffen nickte ich und schnappte mir von unserem Holzhaufen vor dem Kamin einen Scheit. Gedankenverloren ballte ich meine rechte Hand zur Faust, dort, wo die Narbe war und immer sein würde. Ich konnte gar nicht verstehen, wieso Liz' Opfer immer schrien, wenn sie sie nagelte. Und ja, dieses Wortspiel war beabsichtigt. Zwar hatte es am Anfang etwas weh getan, diese Hand zu bewegen, jedoch war es einmal etwas Neues.
Völlig in die damalige Zeit zurückversetzt, hatte ich gar nicht richtig realisiert, wie Liz vor einer mit einem Fingerscanner gesicherten Schiebetür stehen geblieben war. Nachdenklich verschränkte sie die Arme vor ihrer ausladenden Brust und grummelte. Ich, als Genie, erkannte das Problem natürlich sofort und fummelte in den Taschen meines Overalls herum, von denen ich bis vor ein paar Minuten noch gar nichts gewusst hatte, bis ich das fand, was ich gesucht hatte. Ich hatte erstaunlich lange nach etwas gesucht, was der einzige Inhalt der Taschen war.
Zu Späßen aufgelegt, legte ich ihr eine Hand, die nicht die meine war, auf die Schulter. „Darf ich dir eine Hand reichen?", kicherte ich lustig. Genervt drehte sie sich um und starrte verwirrt auf die abgetrennte Hand, die wirklich sauber abgetrennt worden war, weswegen ich mir geistig auf die Schulter klopfte. Man konnte gut erkennen, wo Fleisch, Sehnen und Muskeln durchtrennt worden waren. Zwar blutete sie leider nicht mehr, dafür war meine Overalltasche ziemlich rot. Liz' Blick huschte von „meiner" Hand zu meinem Gesicht, wieder zur Hand und wieder zu meinem Gesicht, bevor sie die Augenbrauen nach oben zog und fragte: „Wieso?...Genau seine...wusstest du davon?...Okay, gib her." „Thomas hatte wirklich schöne Hände", lachte ich, während ich ihr die Hand reichte. Mit den Augen rollend über meine wirklich lustigen Späße ergriff Roadkill die Hand und drückte sie auf das Panel. Nach einem Surren öffneten sich die Türen in dem Glauben, Thomas Waters würde eintreten.
Zu unserem Glück schienen alle Forscher beim Alarm das Weite gesucht zu haben, denn wir kamen uns vor wie in einer Geisterstadt. Der ganze Raum war in sterilem Weiß gehalten. Labortische standen überall herum und beinahe schon im Weg. Darauf waren Mikroskope, Phiolen, Skalpelle, Petrischalen und weitere Instrumente positioniert, auf denen man aber nicht spielen konnte. Auf manchen der Tische brodelte es in verschiedensten Farben und Dämpfe umspielten mein Gesicht. Als ich daran vorbeiging und aus Versehen eines der Gläser zu Boden stieß, überkam mich ein Erinnerungsfetzen.
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Poisonous Road
Science FictionRoadkill und die Viper: zwei Namen, die in den USA berühmt-berüchtigt sind. Es heißt, sie wären verrückt und gefährlich, sie könnten nicht bluten, fühlen keinen Schmerz und essen Menschenherzen. Wenn man ihre wahren Namen nennt, ist man schon so...