Lost Control

232 25 38
                                    

Verwirrt blinzle ich und versuche mich zu orientieren. Warum liege ich nicht in meinem Bett?
Langsam ordnen sich meine Gedanken und ich erinnere mich an gestern Abend beziehungsweise heute Nacht.

Frank liegt friedlich schlafend neben mir, seine Hand baumelt vom Sofa hinab in das DVD-Meer. Vorsichtig nehme ich meinen Arm, den ich im Schlaf anscheinend um ihn geschlungen habe, von ihm. Frank hat sich so nah am Rand der Couch gequetscht, dass er ohne den 'Sicherheitsgurt' garantiert runtergefallen wäre.

Anscheinend sind wir beide während dem Film eingeschlafen. Komisch, normalerweise schlafe ich nicht einfach so ein... Franks beruhigendes Atmen hat mich wohl auch langsam eingelullt.

Knurrend meldet sich mein Magen zu Wort. Deshalb bin ich also aufgewacht, ich habe seit zwei oder drei Tagen kein 'richtiges' Essen mehr zu mir genommen, nur Menschenfraß.

Meine Sinne erwachen auch langsam. Ich kann Franks Blut rauschen, sein Herz schlagen hören. Sein sanfter Duft steigt mir in die Nase. Er riecht so gut... nach Rauch, Shampoo und Fleisch.

Genießerisch schließe ich die Augen, um ihn noch stärker mit meinen anderen Sinnen wahrnehmen zu können. Lautlos bewegt mein Kopf sich immer näher zu seiner Kehle, meine Gedanken sind wie mit Nebel verhangen. Mein Gesicht ist seiner Haut so nahe, dass ich die Wärme, die er ausstrahlt, auf meinen Wangen und auf meinem Nasenrücken spüren kann.

Geschockt reiße ich meine Augen auf und zucke ruckartig nach hinten. Schmerzhaft drücken meine verlängerten Eckzähne gegen meine Unterlippe, als ob sie Blut verlangen würden. Wie von der Tarantel gestochen springe ich auf und stolpere zum Kühlschrank, den ich panisch aufreiße.

Ich muss etwas mit Blut finden. Ich muss etwas finden, um meinen Hunger und Durst zu stillen. Ich darf Frank nicht beißen, ich will ihn nicht töten.

Mit zitternden Fingern durchwühle ich sämtliche Fächer und Schubladen.

Nichts.

Fuck.

Frank ist Vegetarier.

Ich habe ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend, mit jeder Sekunde wird es stärker und ich panischer, in meinen Bewegungen unkontrollierter.

Mit meinen letzten rational denkenden Gehirnzellen schnappe ich mir einen Zettel und kritzele eine kurze Nachricht an Frank drauf. Ein letztes Mal blicke ich zu seinem schlafenden Körper, jetzt kann ich ihn sogar schon aus der Küche riechen.

Verkrampft balle ich meine Faust zusammen und drücke meine kurzen Fingernägel in meinen Handballen.

Reiß dich zusammen, Way!

So schnell wie möglich sprinte ich das Treppenhaus hinunter und versuche den Drang, einfach irgendeine Tür aufzureißen und die dahinter schlafenden Menschen zu fressen, zu unterdrücken.

Endlich stehe ich vor der Tür, es ist noch stockfinster, die Straßenlaterne ist ausgefallen und nicht einmal der Mond spendet etwas Licht.

Mein Sichtfeld wird immer verschwommener, an den Rändern sehe ich nur noch schwarz. Bald kann ich mich nicht mehr kontrollieren.
Etwas unbeholfen torkele ich weiter weg von der Eingangstür.

Blut. Ich brauche Blut.

Wie erstarrt bleibe ich stehen und lausche angestrengt in die Nacht. Da hat sich etwas bewegt. Etwas kleines und flinkes.

Lautlos schleiche ich näher zu einem alten Baum, der auf einer kleinen Wiese steht. Ich blicke hinauf in die Krone und kann das Eichhörnchen trotz des fehlendes Lichts problemlos erkennen.

__________________________

Angeekelt wische ich meinen Mund an einem Ärmel meines Pullis ab. Die kleinsten Tiere machen immer die größte Sauerei.

My Personal SunWo Geschichten leben. Entdecke jetzt