Sanji's Geschichte

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Ein vertrauter Geruch stieg ihm in die Nase. Nur langsam öffnete Sanji die Augen. ‚Hm...?'

Vorsichtig hob Sanji seine Hand, hielt sie sich dicht vors Gesicht und betrachtete sie. ‚Ich lebe noch...Aber warum? Wo bin ich überhaupt?'
Kraftlos ließ er seine Hand sinken, sah sich um. Es dauerte einen Moment, ehe Sanji erkannte, dass er in der Kombüse lag. Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, warum er in der Kombüse lag, hörte der Smutje, wie leise die Tür geöffnet wurde. Probehalber versuchte er sich aufzusetzen, das ihm sogar halbwegs gelang.
„Sanji, endlich bist du wach." Erfreut trat Chopper an den Koch heran. „Wie fühlst du dich?"
„Ganz okay." Der Koch sah sich um. „Wie spät ist es?"
„Elf Uhr", antwortete der Arzt, während er seinen kleinen Rucksack holte und daraus eine kleine braune Flasche hervorkramte. Konzentriert träufelte der Elch ein wenig vom Inhalt des Fläschchens auf einen Löffel. „Hier, schluck das bitte."
Brav schluckte Sanji und verzog angewidert das Gesicht. „Igitt. Was ist das für ein Zeug?"
Chopper lächelte. „Ein Mittel, das deinen Kreislauf stabilisiert."
„Chopper, du bist ein toller Arzt, aber könntest du das Zeug nicht wenigstens so herstellen, dass man nichts schmeckt?", fragte Sanji, schüttelte sich dabei leicht. Die Medizin hatte einen üblen Nachgeschmack. „Das töten mir ja meinen Geschmackssinn ab und ich bin euer Koch."
„Hier, trink einen Schluck Wasser, dann geht der Geschmack weg." Chopper war noch während Beschwerde zum Kühlschrank getrippelt und hatte ein Glas Wasser eingeschenkt. Begierig nahm der Smutje das Wasser entgegen und trank es in einem Zug leer.
„Puh, danke." Sanji ließ das Glas sinken. „Sag mal, warum ist es so still?"
„Oh..., die anderen wollten dich nicht wecken. Was machst du denn da?"
„Ich möchte aufstehen." Der Koch hatte bereits die leichte Zudecke zurück geschlagen.
„Nein, du musst noch liegen bleiben", versuchte der Elch den Blonden aufzuhalten. Vergeblich, stur wie Sanji war, stand er auf und blieb tatsächlich, wenn auch wacklig, auf den Beinen. Prüfend tastete der Koch über sein Hemd. „Wo sind meine Zigaretten?"
Seufzend schüttelte der Arzt den Kopf. Das war wieder so typisch Sanji, noch nicht wieder richtig gesund, aber schon nach Zigaretten fragend. Plötzlich bemerkte Chopper, dass Sanji zusammen zuckte. „Was ist?"
Besorgt kam Chopper näher. Verwundert knöpfte Sanji sein Hemd auf. Ein großer blauer Fleck hob sich deutlich auf seiner Brust ab. „Und ich dachte, ich hätte nur geträumt." Dunkle Augen richteten sich auf den Elch. „Chopper, ihr ward im Labor und...?" Sanji schluckte. „Ihr wisst alles?"
„Na ja, ein paar Fragen hätten wir schon noch." Ein wenig unsicher scharrte der kleine Kerl mit den Hufen. „Aber mach dir keine Gedanken, es ändert sich nichts, du bist du."
„Hm." Ohne hinzusehen knöpfte der Koch sein Hemd wieder zu. „Ich möchte die anderen sehen."
„Klar, ich kann sie rufen." Chopper eilte zur Tür.
„Schon gut, ich komme mit."

Ruffy, Zorro und Lysop saßen unter dem Mast und spielten Karten, während Nami und Robin unweit neben ihnen saßen. Während Nami eine Seekarte in den Händen hielt, hatte Robin ein aufgeschlagenes Buch auf ihrem Schoß liegen. Allerdings schien sie sehr unkonzentriert zu sein, las nun seit geschlagenen fünf Minuten die gleiche Seite.
„Och Mensch!", fluchte Ruffy laut, warf missmutig die Karten auf die Planken.
„Pst!", mahnte Lysop sofort. „Nicht so laut."
„Ich will endlich wieder mit Sanji reden", beschwerte Ruffy sich. „Es ist so langweilig ohne ihn. Und das Essen macht auch keinen Spaß mehr."
„Das klingt aus deinem Mund irgendwie unheimlich", sagte jemand.
„Na ja, Hunger habe ich schon..." Ruffy blickte auf. „SANJI!!!"
„Woah, Ruffy, nicht...!" Sanji hob abwehrend die Arme, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass der Strohhutjunge seine Gummiarme um ihn schlang.
„Sanji!", riefen auch Lysop und Nami begeistert.
„Schön dich zu sehen, Herr Koch." Robin lächelte erfreut, selbst Zorro war aufgestanden, konnte ein erleichtertes Lächeln nicht aus seinem Gesicht bannen.
„Ich freue mich auch dich zu sehen...Ruffy...aber bitte...lass mich los." Mit beiden Händen schob der Koch den Gummijungen von sich, der weiterhin wie ein Honigkuchenpferd strahlte. Erleichtert zog Sanji sein Hemd zurecht, ehe er seine Freunde ansah. Aufmerksam studierte er ihre Gesichter, suchten in ihren Augen nach Ablehnung, aber in allen Gesichtern konnte er Erleichterung lesen.
„Hört mir bitte zu." Sanji atmete tief durch, ehe er mit der Hand seine Ponyfransen zur Seite schob, so die Tätowierung sichtbar machte.
„Ich bin eines von Hundert künstlich erschaffenen Wesen der Marine, Nummer Zweiunddreißig", begann der Koch ohne Umschweife. „Ich wurde nicht von einer Menschenfrau geboren, sondern in einem Reagensglas gezüchtet."
Bei diesen Worten verdunkelten sich die Augen kurz. „Ich bin kein Mensch wie ihr."
Tief holte Sanji Luft, wartete auf eine Reaktion seiner Freunde. Diese starrten den Koch alle an.
„Ja, und?", fragte Ruffy schließlich. „Das wissen wir schon längst."
„Und ich dachte, jetzt kommt irgendwas Wichtiges", ließ sich Zorro vernehmen.
„Hey, ich bin auch kein Mensch", rief Chopper. Der kleine Arzt lächelte sanft. Er verstand wohl am besten, wie Sanji sich nun fühlte. Auch er hatte lange Zeit geglaubt ein Monster zu sein, er war kein Elch, er war kein Mensch, nirgendwo gehörte er hin, aber dann hatte er Doc Bader kennen gelernt, der ihm das Gefühl gab, kein Monster zu sein. Als Chopper dann Ruffy und seine Freunde traf, hatte er sich erst gefürchtet, aber dann bemerkt, dass er sich bei ihnen wohlfühlte. Chopper wusste, dass er anders war, aber er wusste auch, dass anders sein, nichts schlimmes bedeutete. Sanji musste dies aber noch lernen.

Sanji starrte seine Freunde an, schob dann ein wenig beleidigt die Unterlippe vor. „Also, ihr könntet wenigstens so tun, als würde euch das irgendwie beeindrucken."
„Wieso sollte es das?", fragte Zorro, setzte nach einer kurzen Pause hinzu: „Du bist doch immer noch du."
„Genau, Sanji ist Sanji", krähte Ruffy. „Sanji, ich habe Hunger!"
Sanji grinste. „Das war mir klar."
„Ruffy ist eben Ruffy", schmunzelte Nami.
„Gut, dann koche ich etwas Leckeres." Sanji streckte sich.
„Bist du dafür schon kräftig genug?", fragte Chopper, trippelte besorgt neben den Smutje her.
„Natürlich." Sanji tat einen Schritt, blieb dann aber stehen. „Warum fragt ihr eigentlich nichts? Wieso nehmt ihr das alles einfach so hin?" Sanji verkrampfte sich. „Ist es euch egal?"
„Nein, um Gottes Willen, nein, Sanji", sagte Nami sanft. „Wir wollten nur nicht..."
„Sie dachten, dass du nicht reden willst, weil du dadurch ja traurig werden könntest", meldete sich Zorro ruhig zu Wort. „In Wirklichkeit interessiert sie deine ziemlich."
Sanji blickte über die Schulter zurück. „Darf ich sie euch erzählen? Meine ?"
„Ja!", rief Ruffy sofort. „Erzähl uns alles."
„Na, na, alles muss er ja nun auch nicht erzählen", bremste Lysop den Eifer des Kapitäns. „Erzähl uns nur das, was du willst, Sanji."
„Du könntest hiermit anfangen." Zorro kramte in seiner Hosentasche herum. „Hier, das hat mir dieser Jones für dich gegeben."
Überrascht nahm Sanji den kleinen Gegenstand entgegen, den Zorro ihm reichte. „Aber das ist ja..."
„Jones meinte, du würdest diese Murmel kennen." Zorro ließ sich gegen die Reling fallen und blickte den Koch aufmerksam an.
„Ja, sie war das erste Geschenk, das ich bekommen habe." Sanji hielt die Kugel ins Licht, in dem sie wunderbar zu funkeln begann. „Ich bin in so einem Labor aufgewacht, das dem ähnelte, wie dem auf Colour. Das erste was ich sah, war diese seltsame blaue Flüssigkeit und das erste was ich fühlte, war das kalte Glas des Behälters. Ich war bereits voll bei Bewusstsein und habe alles genau mitbekommen, Geräusche, Gesten und Worte."
„Was ist dieses blaue Zeug eigentlich?", fragte Lysop, als der Smutje schwieg.
„Eine Nährflüssigkeit, sie ersetzte den Mutterleib und schützt den Organismus." Sanji warf die Murmel in die Luft und fing sie wieder auf. „Genau wie richtige Babys brauchten auch die künstlich geschaffenen Wesen neun Monate um heran zu reifen. Auch sonst wachsen wir ganz normal. Das fanden die Wissenschaftler übrigens nicht lustig, immerhin sollten wir zu der perfekten Einheit für die Marine werden. Von den hundert Embryonen, die sie gezüchtet hatten, hatten nur fünfzig die ersten neun Monate überlebt." Sanji schüttelte leicht den Kopf. „Ich habe sie gesehen, in den unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Tot trieben sie in den Reagensgläsern, dienten der Marine als Forschungsobjekte. Aber vielleicht hatten sie es noch am besten getroffen. Diejenigen, die überlebt hatten, wurden verschiedenen Wissenschaftlern zugeteilt, die sich ihrer annahmen, aber nicht, um sie liebevoll großzuziehen, sondern an ihnen Experimente durchzuführen. Ich wurde Professor Garder zugeteilt."
„Garder?!", wiederholte Lysop entsetzt. „Aber das ist doch dieser schreckliche Typ den Ruffy platt gemacht hat."
Der Blonde grinste schief. „Ja, eben der. Er war damals noch sehr jung, ein ehrgeiziger Wissenschaftler halt. Außerdem hatte er ziemliche viele verrückte Ideen. Nachdem ich meine Tätowierung erhalten hatte, die mich als Marineeigentum kennzeichnete, musste ich viele Tests über mich ergehen lassen. Man testete die Belastbarkeit der künstlich erschaffenen Wesen, setzte uns unglaublicher Hitze aus, heißer als die Wüste Alabasters. Kaum war dies überstanden, sperrte man uns in eine Kältekammer, eisiger als auf Drum. Waren sechs bei der Hitze verdurstet, starben zehn in der Kälte. Sie sind einfach eingeschlafen. Während die Wissenschaftler uns durch eine dichte Glasfensterscheibe beobachteten, dabei aßen und tranken, kämpften wir ums Überleben."
„Wie grausam." Chopper standen die Tränen in den Augen. „Wie kann man das nur einem Lebewesen antun?"
„Diese Mistkerle." Es war deutlich zu hören, dass Ruffy wütend war. Auch Zorro war der Eckel anzusehen.
„Furchtbar." Nami hatte die Hand vor den Mund geschlagen. „Wie können sie das einem kleinen Kind antun? Du warst doch höchstens ein Jahr alt."
„Nicht einmal, ich war acht Monate alt. Eigentlich hätten die Wissenschaftler die Tests schon früher gemacht, immerhin waren wir künstlich und keine Lebewesen. Aber einer der leitenden Wissenschaftler, Professor Jones Senior, wollte uns das nicht zumuten."
„Sehr menschlich", spottete Zorro. Sanji zuckte mit den Schultern. „Professor Jones war eigentlich nett. Er hat uns wie Lebewesen behandelt, uns auch einmal zugelächelt. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Ich wusste gar nicht, dass man so etwas konnte." Sanji kicherte. „Ich weiß noch genau, wie ich mitten in der Nacht, wenn Garder schlief, in meiner kleinen Zelle vor der Glasscheibe saß und versuchte meine Lippen so zu verziehen, wie ich es bei Jones gesehen hatte. Ihr könnt euch wahrscheinlich nicht vorstellen, wie sich das anfühlte, als ich sah, dass ich auch Lächeln konnte."
„Wie süß." Nami lächelte sanft. Sie hatte sich neben Ruffy auf den Boden gesetzt, die Beine angezogen und ihr Kinn auf den Knien gebettet. Aufmerksam lauschte die Navigatorin den Worten des Blonden.
„Garder hat es gar nicht gefallen, als ich ihn am nächsten Morgen zur Begrüßung angelächelt habe. Er hat mich in den Kälteraum gesperrt, damit meine Gesichtsmuskeln einfrieren, wie er sagte." Sanji ließ die Murmel über seine Hand tanzen. „Da wusste ich, dass ich nicht lächeln darf, dass ich keine Regung zeigen durfte. So übte ich immer heimlich, versuchte mich an den verschiedensten Gesichtsausdrücken. Es vergingen zwei Jahre, inzwischen waren von uns nur noch fünfzehn übrig, alle anderen hatte die Tests nicht überstanden. Da uns die Wissenschaftler aber sehr isoliert hielten, bekam ich nur ganz selten etwas davon mit, was mit den anderen war. Nur durch Professor Jones' Sohn bekam ich ab und an Informationen zugetragen. Jones Junior und ich hatten uns irgendwie angefreundet, auch wenn alle glaubten, dass ich so etwas nicht könnte."
„Warum?", fragte Ruffy. Aus großen Augen sah er zu seinem Smutje.
„Weil man der Ansicht war, dass wir nicht fühlen, jedenfalls nicht so wie ihr Menschen", erklärte Sanji ruhig. „Trauer, Wut, Freude, all dies sollte fremd für uns sein. Wir sollten nur Befehle ausführen und das ohne zu fragen. Ziemlich schnell habe ich gelernt, dass es besser war, nicht zu behaupten, dass ich sehr wohl etwas fühle. Eines Tages jedoch, es war mitten in der Nacht, übte ich wieder mal die verschiedensten Gesichtsausdrücke. Aufmerksam hatte ich Garder und Jones beobachtet und den verschiedenen Gesichtsausdrücken Namen gegeben, wobei mir die von Jones wesentlich besser gefielen. Ich wusste nicht, wie sie wirklich hießen, da Garder mir so etwas nicht beibrachte. Plötzlich war jemand auf der anderen Seite der Scheibe und lächelte mich an. Damals war ich wirklich erschrocken."
„Wer war es denn?", fragte Chopper neugierig.
„Eine Frau, aber das wusste ich damals nicht." Sanji schmunzelte. „Schwer vorzustellen, nicht wahr? Casanova Sanji kannte den Unterschied zwischen Mann und Frau nicht. Luka, so war der Name der Frau, hat mir diesen Unterschied erklärt. Sowieso war sie von da an sehr oft bei mir. Immer wenn Garder weg war, kam Luka zu mir. Am Anfang unterhielten wir uns nur durch die Scheibe, aber irgendwann kam sie zu mir rein, nahm mich in den Arm und erzählte mir n."
„Luka war deine Pflegemutter, nicht wahr, Herr Koch?", erkundigte Robin sich behutsam.
„Genau, sie war die Assistentin von Professor Jones, noch sehr jung, aber sehr klug." Ein warmes Lächeln legte sich auf die Lippen des Kochs. „Sie hat mir viel von der Welt draußen erzählt, die ich noch nie gesehen hatte. In mir reifte irgendwann der Wunsch auch das alles zu sehen, aber natürlich traute ich mich nicht Garder diesen Wunsch vorzutragen."
„Verständlich." Lysop hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Dem hätte ich auch nicht getraut."
„Ja, aber Luka habe ich es erzählt", fuhr Sanji fort. „Ich werde nie ihren traurigen Blick vergessen. Am nächsten Abend hat sie mir eine Blume mitgebracht. Das war eines der tollsten Erlebnisse in meinem dreijährigen Leben. Jetzt wo ich die Blume gesehen hatte, konnte ich auch viel besser die Tests ertragen, die von Tag zu Tag schlimmer wurden." Sanji schüttelte sich. „Bald waren wir nur noch zu sechst, die anderen hatten die Tests einfach nicht geschafft. Ich wäre auch gestorben, wenn Luka nicht gewesen wäre. Sie gab mir Kraft, sie gab mir Mut und sie zeigte mir das Lachen. Bisher kannte ich nur Lächeln, aber Lachen war etwas viel schöneres." Lächelnd hielt der Koch seinen Freunden die Murmel entgegen. „Das war mein erstes Geburtstagsgeschenk. Luka hat in meinen wissenschaftlichen Daten nachgesehen und festgestellt, dass ich am zweiten März aufgewacht bin. Das erzählte sie mir und schenkte mir an einem zweiten März diese Kugel. Die ganze Nacht habe ich mit ihr gespielt, sie herumgerollt oder einfach nur angesehen. Bisher hatte ich nie ein Spielzeug gehabt...na ja, bis auf ein Seil. Erinnert ihr euch, als ich geschlafwandelt habe, habe ich die Taue verknotet?"
Die anderen nickten. Natürlich hatten sie die mit dem Schlafwandeln noch nicht vergessen. „Ich glaube...", fuhr Sanji fort. „...,dass dieses Tauverknoten noch aus dieser Zeit herrührt. Bei einem Experiment war nämlich ein Seil liegen geblieben. Ich habe es mitgenommen und untersucht. Es war faszinierend es zu verknoten. Irgendwann hat Garder das Seil gefunden und weggeworfen." Sanji zuckte leicht mit den Schultern. „Ihr könnt euch ja denken, dass die Murmel für mich etwas ganz Besonderes war. Ich habe wirklich die ganze Nacht mit ihr gespielt. Gleich am nächsten Tag unterzog mich Garder einen Test, bei dem er feststellen wollte, wie mein Immunsystem auf Gifte reagiert. Deshalb hat er mich in ein Loch geworfen, indem lauter Spinnen waren. Ich wusste nicht, was dies für Tiere waren, aber als sie über mich krabbelten, mich bissen, da bekam ich Angst. Ich wollte weg von diesen Wesen mit den seltsamen Beinen und dem Kreuz auf dem Körper. Nach acht Tagen war es vorbei, acht Tage saß in dem Loch, hatte Luka nicht gesehen, nur Dank der Murmel, die ich vor Garder versteckt hatte, habe ich durch gehalten. Als ich zu mir kam, war ich wieder in meiner Zelle, Luka saß neben mir, hielt meine Hand und weinte. Da sah ich zum ersten Mal Tränen und sie gefielen mir gar nicht. Ich glaube, dass daher mein etwas seltsames Verhalten bei Frauen kommt. Ich möchte nicht, dass eine Dame unglücklich ist, ich möchte nicht, dass nur eine weint."
„Oh!" Nami sah den Smutje verwundert an. Nie hätte sie geglaubt, das hinter dem Verhalten des liebestollen Kochs solch ein Grund stand.
„Als Luka bemerkte, dass ich wach war, hat sie mich ganz fest gedrückt und dann hat sie mich mit raus genommen. Sie hat mir den Mond gezeigt und die Sterne. Die kühle Luft war wundervoll und das weiche Gras unter den Füßen war so angenehm, ganz anders als der kalte Boden in meiner Zelle. Und dann sah ich das weite Meer." Sanji breitete die Arme aus. „Es war so groß, so unendlich weit und ich wünschte mir, zu wissen, was wohl dahinter ist. Ich wollte gar nicht mehr rein, aber Luka hätte sonst Ärger bekommen und so ging ich hinein, zurück in die Zelle. Von diesem Zeitpunkt an entwickelte sich in mir ein seltsames Gefühl. Ich wollte den Himmel wieder sehen, den Mond und die Sterne, ich wollte frei sein."
„Das verstehe ich sehr gut", flüsterte Robin beinahe. Die Archäologin saß auf den Treppenstufen, ihr Blick schien auf einen Punkt zu gehen, den nur sie zu sehen schien. Als sie bemerkte, dass sie ihre Worte laut ausgesprochen hatte, lächelte die Archäologin entschuldigend. „Bitte erzähl weiter, Herr Koch."
„Mein Wunsch nach dem Meer wurde immer größer, aber ich durfte nicht raus. Obwohl Luka mich weiterhin besuchte, reichte mir das nicht mehr." Sanji seufzte. „Da ich aber wusste, dass ich nie raus durfte, wurde ich mit fünf Jahren krank. Garder passte das überhaupt nicht. Ich war nämlich der letzte der Hundert künstlich erschaffenen Soldaten. Im Gegensatz zu Garder wusste Luka, woran ich litt. Sie sprach mit Professor Jones, der inzwischen begriffen hatte, dass sein Projekt wohl doch nicht so glorreich war." Seufzend schüttelte der Blonde den Kopf. „Aber kaum äußerte Jones den Wunsch, dass Projekt auf Eis zu legen, wurde er abgesetzt und Garder bekam die Leitung. Während Garder versuchte, mich wieder gesund zu kriegen, wurde ich immer schwächer. Luka kam nicht mehr zu mir, weil Garder mich isoliert von allen anderen hielt. Das gab mir den Rest. Irgendwann konnte ich nicht mehr. Ich drohte zu sterben, als ich auf einmal Schüsse hörte." Blick wanderte zum Meer hin, sein Griff verstärkte sich um die kleine Murmel. Er schwieg, auch die anderen sagten nicht, ließen Sanji die Zeit, die er brauchte. Tatsächlich erzählte der Smutje nach einigen Minuten weiter.
„Es war Luka, sie hatte sich gewaltsam Zutritt zu mir verschafft, befreite mich aus meiner Zelle und rannte einfach los. Garder schrie nach Verstärkung und bald waren etliche Soldaten hinter uns her, schossen auf Luka, aber sie rannte weiter. Dabei lächelte sie mich an und sagte, dass sie mich hier weg bringen würde. Luka wurde von drei Kugeln im Rücken getroffen, rannte aber weiter, drückte mich einfach nur fest an sich." Erneut stoppte der Koch, schüttelte leicht den Kopf. „Leider waren wir auf einer abgeschiedenen Insel, eine Flucht sollte unmöglich sein. Luka hatte nicht damit gerechnet, dass sie so viele Soldaten verfolgen würden. Wir wären wohl verloren gewesen, wenn Jones Junior nicht aufgetaucht wäre. Er erzählte uns von einem alten Fischerboot in einer der Buchten, wünschte uns alles Gute. Einem Gefühl folgend habe ich Jones meine Murmel geschenkt, weil ich nicht wollte, dass er ganz alleine ist. Ich glaube nämlich, dass ich damals sein einziger Freund war. Auch wenn wir uns nur selten unterhalten konnten, er lächelte mich immer an und zeigte mir ein paar Gesten mit den Händen, mit denen er sich über Garder lustig machte. Manchmal kam er sogar abends mit Luka in meine Zelle und hat mit mir gespielt." Sanji seufzte. „An dem Abend jedoch spürte ich, dass ich Jones lange nicht mehr sehen würde. Luka bedankte sich bei ihm und rannte in die Bucht, während Jones versuchte die Marinesoldaten von unserer Spur abzubringen. Tatsächlich fand Luka die Bucht und auch das Boot. Sie legte mich hinein, gab mir einen Kuss auf die Stirn und sagte, ich solle mich ganz leise verhalten, dann schob sie das Boot auf das Meer, blieb selbst aber zurück. Verwundert blickte ich über den Rand des Bootes, sah, wie Luka mir liebevoll hinterher blickte. Der Mond schien hell auf sie herab und in dem Moment war sie das schönste Wesen, das ich je gesehen hatte. Dann erklangen Schüsse und Luka sank in sich zusammen. Sie fiel ins Meer und die Fluten verschlangen sie. Auch wenn ich nicht viel vom Leben wusste, verstand ich doch, dass Luka nicht mehr zu mir zurück kommen würde."
„Wie schrecklich." Nami hatte ihre Hände auf Ruffys Arm gelegt. Der Kapitän hatte einen ernsten Blick aufgesetzt, während Chopper schon wieder leise schluchzte. Schutzsuchend schmiegte er sich an Robin. Auch Lysop blinzelte immer öfter, während Zorros Blick sich starr in den Himmel richtete.
„Ich weiß nicht, wie es kam, aber irgendwann hat mich ein Fischerboot aufgegabelt. Ein altes Fischerehepaar nahm mich bei sich auf und pflegten mich gesund. Es hat über ein halbes Jahr gedauert, bis ich wieder fitt war. Sie kümmerten sich um mich, wie um einen Sohn, aber als ich sieben Jahre war, starben sie an einer Krankheit." Sanji strich sich durch sein Haar. „Ich bin dann zur See gefahren, habe als Küchenjunge auf der Orbit gearbeitet und dort zum ersten Mal vom All Blue gehört. Alle lachten über diesen Traum, aber ich glaubte daran, wenn es möglich ist, Menschen künstlich zu erschaffen, wieso soll es dann kein Meer geben, indem alle Fische der Welt schwimmen?"
„Natürlich gibt es den All Blue", rief Ruffy entschlossen. „Und du wirst ihn finden."
Sanji lächelte. „Ich gebe jedenfalls mein Bestes."
„Was ist auf der Orbit passiert?", fragte Chopper. Der kleine Elch wusste, dass Sanji bei einem Mann namens Jeff auf einem schwimmenden Restaurant gelebt hatte.
„Hm, die Orbit wurde von dem Piraten Rotfuß Jeff überfallen, ich legte mich mit ihm an und ging über Bord." Sanji zuckte mit den Schultern. „Der Alte ist mir nachgesprungen und hat mich gerettet. Unsere Schiffe sind gesunken und für lange Zeit saßen wir auf einem Felsen fest. Als wir nach fünfundachtzig Tagen gerettet wurden, eröffneten wir das Baratié. Dort ist dann irgendwann Ruffy aufgetaucht und hat mich mitgenommen."
„Ja, dabei wollte er erst gar nicht." Ruffy zog einen Schmollmund, was die anderen zum Lachen brachte.
„Hey, ich bin doch mitgekommen", grinste Sanji.
„Zum Glück", sagte Ruffy ernst. „Wer würde denn sonst für mich kochen?" Wie auf Kommando knurrte der Magen des Gummijungen.
Sanji blickte zu der Sonne, die ein gutes Stück weiter gewandert war. „Dann will ich mal ganz schnell das Mittagessen vorbereiten."
„Warte, Koch", hielt Zorro ihn zurück. Ein wenig überrascht blickte Sanji den Schwertkämpfer an, der während kompletter Erzählung geschwiegen hatte.
„Hier, das wollte ich dir wiedergeben." Zorro hielt den Smutje einen Zettel hin. „Hast du verloren, als du von dem Gitter außer Gefecht gesetzt worden bist."
„Was ist das?", fragte Lysop neugierig.
„Das geht dich nichts an." Eilig ließ Sanji den Zettel in seiner Jackentasche verschwinden.
„Das ist bestimmt ein Liebesbrief", flüsterte Lysop.
„Was, ein Liebesbrief?!", echote Chopper laut genug, dass man ihn wahrscheinlich noch am anderen Ende der Grand Line hörte. „Von Zorro an Sanji?"
„Oh lala", grinste Nami. „Zorro, wie kommt das denn?"
Zorros Wangen nahmen einen ungesunden Rot Ton an. „Sagt mal, seid ihr noch ganz dicht? Wieso sollte ich dem Koch einen Liebesbrief schreiben?"
„Na, weil..." Lysop, Nami und Ruffy grinsten. „...du Sanji ganz doll lieb hast!"
Mit dem Daumen löste Zorro sein Schwert aus der Hülle. „Bleibt genau so stehen, damit ich euch ins Jenseits befördern kann!"
Mit einem Knurren ging Zorro auf die drei los. Chopper quietschte erschrocken, während Nami und Lysop ihr Heil in der Flucht suchten. Ruffy dagegen dachte gar nicht daran wegzulaufen. Grinsend sah er dem Schwertkämpfer entgegen, der ihn am Hemdkragen packte. Fröhlich lachte der Gummijunge. „Das ist komisch."
„So?" Zorro verstärkte den Griff, wusste aber nicht so recht, was er nun tun sollte. Natürlich war er von den Worten seiner Freunde ungehalten, aber wehtun wollte er ihnen trotz allem nicht. Ein Lachen ließ sowohl Zorro, als auch die anderen zur Seite blicken. Sogar Lysop und Nami lugten aus ihrem Versteck, um zu Sanji zu schauen, der sich schon vor Lachen den Bauch hielt. Skeptisch zog der Schwertkämpfer die Augenbrauen zusammen, sagte aber nichts. Es war selten, dass Sanji ausgelassen lachte, meist bekam man von ihm nur ein cooles Grinsen.
„Ihr seid echt bescheuert!", lachte der Smutje.
„Na hör mal", beschwerte Lysop sich, verriet so sein Versteck. Als der Schwertkämpfer ihn fixierte, tauchte der Langnasige schnell wieder ab. Zorro schien aber irgendwie keine Lust mehr zu haben, die anderen zu verfolgen.
„Wolltest du nicht kochen?", fragte Zorro den noch immer lachenden Koch.
„Ja, ja, bin schon weg." Leise vor sich hinlachend verschwand der Smutje in der Kombüse.
„Wie kann jemand glauben, dass Sanji keine Gefühle hat?", fragte Chopper kopfschüttelnd.
„Verstehe ich auch nicht." Nami war wieder zu ihnen gestoßen. „Allein seine ausdrucksstarken Augen sollten Hinweis genug sein."
„Ich mag Augen", meldete Ruffy sich zu Wort. „Und ich mag das Essen..." Er begann bei dem Gedanken an ein gutes Steak zu sabbern.
„Igitt!" Zorro stieß den Strohhutjungen von sich. „Ich hau mich auf's Ohr."
Mit diesen Worten war der Schwertkämpfer auch schon Richtung Mast verschwunden.

Wenig später zog ein vertrauter Duft über Deck, der Duft von Essen. Ruffy, der auf dem Lammkopf rumgeturnt war, sprang auf. „Futter!"
Sein Schrei ließ auch die anderen aufblicken. Alle bemerkten, dass sie Hunger hatten. Schon zu lange war es her, dass sie etwas Leckeres von Sanji bekommen hatten. Als der Koch die Kombüsentür öffnete und die anderen zum Essen rufen wollte, staunte er nicht schlecht, als er nicht nur Ruffy sah, der die Tür belagerte, sondern auch die restlichen Crewmitglieder entdeckte. „Ähm, Essen ist fertig..." Sanji brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit, als seine Freunde die Kombüse stürmten. Verblüfft starrte der Smutje seine Freunde an, ehe er lächelnd zu ihnen an den Tisch trat und ihnen eine zweite Portion auftat. Jetzt war alles wieder beim alten und Sanji würde lügen, wenn ihm dies nicht gefallen würde.

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