Benjamin Hollowis wartet

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Die Straßenlaternen schalteten sich durch ein Blinken an, während Benjamin Hollowis den steinigen Kiesweg entlang schlenderte. In der Luft schwirrten die Insekten, erzeugten eine viel zu laute Geräuschkulisse, als man an einem Sonntag Abend erwarten würde. Es war immer noch schwül hieß, ein Abbild von der erdrückenden Sommersonne, die heute unerbittlich auf die Erde nieder gebrannt hatte.

Benjamin störte es jedoch nicht, ebenso wenig wie die spitzen Steinchen, die sich in seine Fußsohlen bohrten. Nicht davon hielt ihn ab an den angrenzenden Weiher zu laufen, und dort in die von der Sonne untergehende Reflektion zu schauen. Benjamin war gerne hier am Weiher. Nicht weil, er sich gerne im kühlen Wasser abkühlen konnte und auch nicht weil er hier ganz unbesorgt die vorbei ziehenden Vögel betrachten konnte. Benjamin Hollowis kam an den Weiher um zu warten.

Er würde sich an den Steg der grün bläulichen Suppe setzen und warten. An manchen Tagen, da vergaß er ganz worauf er wartete. In solchen Momenten würde er nur das Gefühl empfinden, das ihm etwas fehlt, jemand fehlt. Benjamin Hollowis wartete auf seinen Freund. Er musste nur seinen Kopf nach rechts drehen um dies sich in den Kopf zu rufen. In nicht mal hundert Meter Entfernung stand ein Haus, nein, eher eine Villa. Weiße Steine, die sich zu spitzen Türmen zogen, ragten aus dem Boden hervor. Fenster, die man mit Bussen vergleichen konnte, zogen sich waagrecht durch die Mitte des Gebäudes, gaben den Blick auf das triste Innenleben frei( nicht das er nicht jeden Millimeter des Hauses auswendig kannte).

Benjamin musste nur das Haus der Vinclairs anschauen um sich an Julien zu erinnern. Julien. Sein Gesicht hatte Benjamin immer noch vor Augen, es war in seinen vorderen Gehirnlappen eingebrannt, sodass er ihn niemals vergessen könnte. Nicht das er das wollte. Im Gegenteil, er saugte jede Erinnerung über den älteren Jungen auf, wie Wasser ein Verdurstender. Zum Beispiel wie er beim Lachen die Nase krauste, um einen fast lautlosen Lacher auszustoßen. Die Angewohnheit sich beim Schwimmen immer wieder, die halblangen Haare auszuwringen, nur um dann ein weiteren mal im Wasser ab abzutauchen.

Benjamin ließ sich seufzend ins feuchte Gras sacken. Die Erinnerungen noch so lebendig vor Augen, das er sie kurz schließen und danach auf den rosaroten Himmel fixierte musste. Die Sonne hatte sich in ein dunkles Rot getaucht und bemalte den Rest des Abendhimmel mit ähnlichen Farben. Es sah wunderschön aus. Wäre Julien doch jetzt nur hier. Energisch schüttelte Benjamin den Kopf um den Gedanken heraus zu schütteln. Ohne einen weiteren Blick zum Sonnenuntergang stand er auf, klopfte sich den Dreck von der Hose und bemühte sich in schnellen Schritten nach Hause zu kommen.

Und während Benjamin nach Hause lief, gingen nach einander die Lichter im Haus der Vinclairs an.

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Für die letzten sechzehn Jahre von Benjamins Leben, war jeder Tag wie der andere gewesen. Der schrille Ton seines Wecker würde ihn aus seinem leichten Schlaf zehrte und ihn zu der schönen Mittagssonne aufwachen lassen. Er würde anschließend durch die anliegenden Felder joggen(seine Mutter achtete auf diesen Tagespunkt wie ein Geier) und sich danach zum lernen niederlassen. Doch nun würde das alles anderes aussehen. Ab dem heutigen Tag würde Benjamin Hollowis in die öffentlich Schule gehen, weit weg von seinen sicheren vier Wänden. Und die Personen die dafür verantwortlich waren, öffneten soeben seine Tür.

"Benji, es ist Zeit. Du musst jetzt aufstehen"

Die hohe Stimme seiner Mutter ließ Benjamins Augen aufschlagen und sie unter zusammengekniffenen Augen zu beobachten. Auch wenn er sich wie ein kleines Kind fühlte, wollte er ihr die kalte Schulter geben.

Dies schien seien Mutter, Monika, auch zu bemerken, ließ sich davon jedoch nicht beirren. Das kindliche Verhalten ihres Kindes in Situationen die außerhalb Benjamins Wohlfühlzohne lagen, war ihr durch aus bekannt. Mit steifen Schritten ging sie zum Fenster, um einerseits die aufgehende Sonne ins abgedunkelte Zimmer scheinen zu lassen, aber auch um die unangenehme Morgenluft durchs Zimmer fluten zu lassen. Mit einem abschätzenden Blick musterte sie ihren Sohn, der sich noch weiter unter der dicken Bettdecke geschoben hatte, sagte noch etwas von "Aufstehen, jetzt!" und verschwand aus Benjamins Zimmer.

Dieser stieg mit einem ergebendem Seufzer aus seiner kuscheligen warmen Höhle und begann sich fertig zu machen. Er konnte sich nicht erinnern schon einmal so früh aufgestanden zu sein. Dies gab ihm dann doch zu denken und er zermarterte sich sein Hirn, während er sein frisch gebügeltes Hemd zuknüpfte. Vielleicht als sie Tante Susan besucht hatte. Nein, schüttelte er den Kopf. Da sind sie zwar früh aufgestanden, aber nicht so früh. Bei dem Flug nach Mali, wo sie zwei stunden vor Abflug schon am Schalter sein mussten. Doch auch das war bei längerem Nachdenken etwas später. Mittlerweile war Benjamin schon die Treppe zur Küche hinuntergelaufen, aus der er die Stimmen seiner Eltern vernahm. Er war noch nie so früh aufgestanden. Sein Leben war vorbei, wenn er jetzt jeden Tag um sechs Uhr aus der Koje muss.

Sein Vater war, ebenso wie Benjamins Mutter, schon in seiner Arbeitskleidung. Beide trugen vor nehmende Anzüge, was er vor allem bei seiner Mutter bewunderte. Monika ließ sich durch nichts beirren und so hatte sie mit der Begründung" Wenn du das kannst, kann ich das besser" einen Figur betonen, hell brauen Anzug geholt. Monika Hollowis war einen Feministen durch und durch. Wenn ihr jemand sagte, das etwas nur für Männer war, würde sie das Gegenteil beweisen.

Eben jene Person schaute erfreut auf, als er sich fertig an den Esstisch setzte um sich noch ein Brot zu schmieren. "Schon aufgeregt?" fragte sein Vater. Obwohl Benjamin wusste das sein Vater auf guter Absicht und reiner Neugier fragte, konnte er nicht seinen Stolz runter schlucken und ihm antworten. Benjamin hörte einen Seufzen und dann das Verrücken der Stühle.

"Immer noch die kalte Schulter, eh?" Benjamin wollte nicht so sein an, seinem ersten richtigem Schultag. So Sturköpfig, denn er war mehr als nur aufgeregt, er hatte richtig Angst. Und während er innerlich mit sich rang, gewann die kalte Angst die Oberhand. Ohne weiter zu essen schob er seinen Stuhl zurück und schlang seien Arme um die Taille seines Vaters.

Curtis, überrumpelt von dem plötzlichen Anfall seinen Sohnes, legte seine Arme um Benjamin. Trotz seinem Alter war Benjamin ziemlich groß. Mit seinen eins dreiundachtzig war er mittlerweile fast so groß wie sein Vater. Curtis, überrumpelt von dem plötzlichen Anfall seinen Sohnes, legte seine Arme um Benjamin. Curtis drückte seinen Sohn an sich, während er mit seiner Frau in der Küche Augenkontakt aufnahm. Sie hatte den selben sorgsamen Blick wie er.

Als sich in den Sommerferien beide dafür ausgesprochen hatten, das Benjamin sein letztes Schuljahr in einer Schule, anstatt hier zuhause verbringen sollte, wussten sie, dass dies nicht ganz so leicht werden würde. Und hier hatten sie den Salat. Der Vater wusste, das sein Sohn nicht wirklich gut mit Veränderung und Neuem umgehen konnte. Doch der Erwachsene wusste wie wichtig dies im normalem Alltag war, sein Sohn musste dies nur lernen. Wenn er ins College gehen würde, müsse er die selbe Hürde überschreiten

"Benji, du wirst sehn, wenn du erst mal da bist, wird es dir gefallen. Du kannst mal neue Leute kennen lernen, du sagst doch immer wie langweilig es mit uns beiden allein ist." versuchte er Benjamin aufzumuntern. Dieser begann zu nicken, obwohl er nicht ganz überzeugt war.

Nicht viel später setzte sich das Familienauto ingange und fuhr über den Kiesweg in Richtung Zivilisation. Da beide Elternteile in der gleichen Firma angestellt waren, hatten sie es nicht für nötig empfunden ein zweites anzuschaffen. Auf der Rückbank hatte Benjamin sich ausgebreitet, zerbrach sich den Kopf über das was ihm bevor bestand. Seine Hände hatten unangenehm angefangen zu schwitzen, sodass er sie alle paar Minuten an seiner Hose abwischen musste. Von dem irren Takt seines Herzen abgesehen, dass hektisch in seiner Brust galoppierte.

Die vorbei ziehende Landschaft schien ganz fern zu sein und so konzentrierte er seinen Blick auf der Rückenlehne seines Vaters. Die fast ein- stündige Fahrt schien viel zu früh ein Ende zu nehmen, als sie vor einem nicht gerade einladendem Gebäude hielten. Kinder strömten von allen Seiten der Straße darauf zu. Beide Erwachsenen drehten sich auf ihren Sitzen nach hinten.

"Wir sind da." bemerkte Curtis das Offensichtliche. Die einzige Reaktion seines Sohnes war ein kaum bemerkbares Nicken, begleitet von einem Schlucken. Monika und ihr Ehemann warfen sich Blicke zu, entschieden sich stumm einfach abzuwarten. Nach was sich fühlte wie fünf weiteren Minuten, in dem es komplett Still im Auto war, raffte sich Benjamin auf, schnappte sich seinen Rucksack und öffnete die Tür.

Mit einem letzten Blick zu seinen Eltern stieg er aus.

Angel ( boyxboy )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt