Zwei fehlende Namen

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Ezra saß neben seinen Freunden Jai und Zare auf Stühlen, umgeben von vielen anderen Kadetten. In der Menge wären sie niemals aufgefallen, denn sie waren nur drei von vielen Kadetten, aber zwei von ihnen waren besonders, ohne es selbst zu wissen. Das würde sich allerdings bald ändern.
Ezra hatte den Kopf auf die Arme gestützt und hatte Mühe, die Augen offen zu halten. Nach dem Albtraum in der vorangegangenen Nacht hatte er nicht mehr schlafen können – nicht mehr schlafen wollen. Und auch jetzt hatte er Angst davor, die Augen zu schließen.
„Mann, was ist denn los mit dir, Ezra? Du verpennst ja die komplette Zeremonie."
Etwas irritiert drehte er sich zu Zare um, der ihn fragend ansah, und antwortete leise: „Bin etwas müde."
„Etwas ist gut."
Er lehnte sich rüber zu Ezra und hielt dabei Augenkontakt. Der blauhaarige Junge lehnte sich in die andere Richtung und antwortete auf die Aktion: „Zare... das ist nah genug."
„Sag mal... hast du geweint?"
„Nein, ich... ein bisschen vielleicht?", murmelte der blauhaarige Junge und schaute seinen Freund nun doch an.
„Scheiße, du heulst ja immer noch."
„Ich... könnten wir das auf nachher verschieben?"
„Wir können es aber auch jetzt machen, solange wir warten."
Der blauhaarige Junge atmete tief durch und ihm war klar, dass er seinem Freund nicht die Wahrheit sagen konnte.
Das würde Zare nur verwirren, und zugleich würde es ihn selbst verraten, aber dann hatte er eine Idee, die ihn aus jeder Lüge der letzten Tage ziehen würde.
„Hera und ich... wir... wir haben Schluss gemacht."
„Oh Mann, das... tut mir echt leid, Ezra. Warum das denn?"
„Ich- sie- wir- sie hat gesagt, dass wir jetzt ohnehin getrennte Wege gehen werden, und es deshalb keinen Sinn mehr hat, und..."
Zare umarmte seinen Freund, bevor dieser noch weiterreden konnte.
Jai, der bisher kaum etwas von der Szene mitbekommen hatte, weil er den Blick nach vorne gerichtet hatte, schaute nun zu den Beiden und erkannte jetzt auch deutlich Ezras verweinte Augen.
„Oh Mann, wie siehst du denn aus?"
„Seine Freundin hat Schluss gemacht", erklärte Zare knapp, ohne Ezra dabei loszulassen. „Willst du an die frische Luft?"
Der blauhaarige Junge schüttelte den Kopf.
„Sagst du mir, wo sie sitzt, damit ich ihr auf die Nase hauen kann?", schlug Jai dann vor.
„Nein, ich... Leute, ist schon gut. Es war meine Schuld, ich... ich hätte sie nicht gehen lassen dürfen."
Zare löste sich von seinem Freund und schaute ihn weiter an.
„Falls du was brauchen solltest, sagst du bescheid, okay?"
„Was soll das noch bringen? Sie ist weg und bald werden wir auch voneinander getrennt sein."
„Ezra, komm schon, das kann man nie-"
„Es ist eine Möglichkeit, die im Raum steht, und das kommt noch dazu. Nicht nur sie, sondern auch euch kann ich verlieren."
Zare legte eine Hand auf seine Schulter.
„Mann, da darfst du nicht mal dran denken, alles klar? Wir lassen dich doch nicht so einfach abhauen. Nicht, dass du am Ende doch noch zur Rebellion abhaust", scherzte er.
Das war der nächste emotionale Schlag für den blauhaarigen Jungen.
Die Gedanken an letzte Nacht kamen wieder hoch, aber er riss sich zusammen.
Zumindest versuchte er er das.
Jai schlug Ezra gegen den Arm und grinste.
„Reiß dich zusammen, du Heulsuse. Ich weiß ja, dass es schwer ist, ohne mich zu leben, aber das schaffst du schon."
Der blauhaarige Junge musste kurz lächeln als er das hörte und antwortete während er dich die Tränen weg wischte: „Leute, ihr werdet immer meine Freunde bleiben und egal was jetzt auch kommen mag. Lasst uns immer Freunde bleiben."
„Was immer auch kommen mag, wir bleiben Freunde", stimmte Zare ein.
„Mann, ihr zwei Sülzköpfe. Gut, schön, Freunde für immer und so weiter, jetzt hört auf damit, bevor noch irgendwer denkt wir wären zusammen. Die Anderen gucken schon", lachte Jai.
Die Drei wollten sich noch etwas unterhalten, aber plötzlich wurde es im ganzen Raum vollkommen still. Man hörte nur noch Schritte und da stand er nun wieder vor den Kadetten.
Der Inquisitor. Und neben ihm Dhara.
Zares Schwester schaute in die Menge hinein und hätte Ezra es nicht besser gewusst, hätte er schwören können, sie wäre eine Spur weißer geworden, als sie sie in der Menge entdeckte.
Der blauhaarige Junge schaute in Dharas Augen und dann dachte er wieder automatisch an Sabines Flucht. Diesmal musste er aber nicht weinen.
Jetzt war das kein geeigneter Zeitpunkt und er musste sich zusammenreißen, denn jetzt wurden sie ausgezeichnet.
Sämtliche Augen der Kadetten waren auf den Inquisitor gerichtet. Die Anspannung im Raum war beinahe spürbar.
Dieser verzog seine Lippen zu einem kalten Lächeln, bei dem seine spitzen Zähne zum Vorschein kamen.
„Die nächste Generation wird hoffentlich fähigere Ausbilder haben als eure, welche aufgrund ihres Versagens bedauerlicherweise... nicht länger im Dienst sind."
Die Kadetten trauten sich nicht, etwas zu sagen oder zu fragen.
Sie trauten sich auch nicht, sich gegenseitig anzusehen.
Alle Augenpaare waren weiterhin auf den Inquisitor gerichtet.
Aus Respekt und auch aus Angst.
Jai sah den Machtnutzer aus ersterem Grund an, denn ihm gefiel das Auftreten dieses Imperialen immer mehr.
Bei vielen der Ausbilder waren Drohungen immer nur leere Reden gewesen, hart bestraft hatte man sie für ihren Blödsinn nie, ganz egal, was sie angestellt hatten, einfach deshalb, weil sie gut gewesen waren. Aber dieser Mann hielt Wort, und das bewunderte Jai.
Der Junge fing an, etwas zu grinsen, während sich bei den Anderen Angst im Gesicht ausbreitete.
Und das hatte etwas an sich, das Jai sehr gefiel. Diese Reaktion in den Gesichtern der Kadetten... in ihm kam der Wunsch auf, sich einen Ruf aufzubauen, bei dem ihm seine Untergebenen eben so viel Respekt zollten.
Zare konnte das Lächeln seinen Freundes in seinem Augenwinkeln erkennen.
Es machte ihm etwas Angst, dass sich sein Kumpel an dieser ganzen Situation so erfreute.
Zare selbst ging es emotional auch nicht so gut, da er wusste, dass seine Schwester wieder mit dem Inquisitor mitgehen musste und er sie wahrscheinlich längere Zeit nicht mehr wiedersehen würde.
Und wenn er... okay, er wusste nicht, was genau der Inquisitor mit ihren Vorgesetzten angestellt hatte, aber die Vorstellung, was er mit seiner Schwester anstellen könnte, die nicht einmal durch irgendeinen Rang geschützt war, machte dem Jungen Angst.
Er wusste nicht, was seine Schwester alles konnte und wenn er nochmal an die erste Begegnung mit dem Inquisitor dachte, wurde ihm schlecht.
Besonders, weil dieser Kerl seinen Ausbilder, der sie so oft psychisch und körperlich bearbeitet hatte, einfach mit einer Handbewegung zu Boden befördert hatte, als sei es nichts.
Zare hatte Respekt vor Aresko und Grint gehabt, manchmal sogar etwas Angst.
Aber der Inquisitor war ein ganz anderes Kaliber.
Dhara hatte Zare immer beschützt... und zum ersten Mal in seinem Leben kam ihm der Gedanke, dass er vielleicht nicht genug auf sie aufpasste.
Der Junge war so in seinen Gedanken versunken, dass er gar nicht mitbekommen hatte, dass bereits die ersten Kadetten dabei waren, auf die Bühne zu gehen.
Die Zeremonie zog sich ewig hin. Eigentlich gingen sie alphabetisch vor. Als Ezra nicht mit dem Rest der Leute, deren Nachnamen mit B begann, nach vorne gerufen wurde, begann er, nervös zu werden. Hatten sie vielleicht doch was rausgefunden und würden ihn am Ende der Zeremonie vor der Menge hinrichten? Der Junge schluckte schwer.
„Ach, mach dir keine Sorgen", meinte Zare aufmunternd. „Die haben dich bestimmt nur irgendwie falsch einsortiert, oder so."
Aber Ezra war sich da nicht so sicher.
„Oder vielleicht warst du einfach zu schlecht", fügte Jai hinzu und fing an zu lachen.
Gleichzeitig wurde sein Name übersprungen und am liebsten wäre er auf die Bühne gerannt, um das klarzustellen.
Als Zare und Ezra den Gesichtsausdruck ihres Freundes sahen, mussten sie etwas grinsen.
„Vielleicht warst du auch zu schlecht?", scherzte Ezra.
„So viel zur großartigen Koordinierung des Imperiums", lachte Zare. „Wenn sie mich jetzt auch noch überspringen, können wir davon ausgehen, dass Olek und seine Freunde sich einen Spaß mit uns erlaubt haben."
Es dauerte nicht lange, da wurde der Name Leonis aufgerufen und der Junge ging auf die Bühne.
Als er dort oben stand, grinste der Inquisitor ihn mit kaltem Lächeln an.
Zare wich dem Blicken aus, so gut es ging und lächelte dann seiner Schwester zu.
Diese setzte ein eher gequältes Lächeln auf.
Als er sich wieder zu seinen Freunden setzte, seufzten die Beiden.
„Okay, so viel zu der Theorie mit dem Streich."
Der Rest der Zeremonie verstrich, ohne dass auch nur ein weiterer Name nicht genannt wurde.
Ezra wippte nervös mit seinen Beinen und Jai ließ seine Hände nervös mehrmals ineinander verschränken.
Bald hatten sie alle Namen durch und in den Gesichtern der meisten Kadetten breitete sich ein Lächeln aus.
Sie hatten ihr Ziel erreicht, das konnte man ihnen deutlich ansehen.
„Zwei von euch wird aufgefallen sein, dass eure Namen nicht gefallen sind", ertönte nun wieder die Stimme des Inquisitors.
Ezras Brust zog sich zusammen. Der blauhaarige Junge war angsterfüllt.
Welchen Grund konnten es haben? Er war drauf und dran, zu verzweifeln.
Ihm wurde ganz warm und einzelne Schweißtropfen bildeten sich langsam auf seiner Stirn.
Während der blauhaarige Junge sehr nervös war, wurde Jai umso wütender.
Er ballte seine Hände zu Fäusten und sein Gesicht bekam einen zornigen Ausdruck.
Der Inquisitor grinste und zeigte nun noch stärker seine spitzen Zähne. Sein bohrender Blick war genau auf die beiden Jungen gerichtet.
„Der Grund dafür ist ganz einfach. Eure Ausbildung ist hiermit noch nicht abgeschlossen."
Ezra und Jai drehten ihre Köpfe und sahen sich fragend an.
Der blauhaarige Junge wusste nicht so recht, was das bedeuten sollte.
Er hatte durchgehend Angst gehabt, dass sie ihn enttarnt hätten, oder er zu schlecht war. Aber hiermit hatte er nicht gerechnet.
Besonders, da er und sein Freund die gleiche Ausbildung wie die anderen hatten.
Warum sollten sie also nicht fertig sein?
„Ihr habt ein Talent, das die anderen Schüler der Akademie nicht teilen. Und ihr solltet es nicht in der Position eines Trupplers oder Offiziers verschwenden. Jai Kell, Ezra Bridger... Ihr werdet mich begleiten."
Der blauhaarige Junge wollte laut »was?!« in die Menge rufen, aber er konnte sich gerade noch so zurückhalten.
Er wusste nicht, wie er das finden sollte, aus dem einfachen Grund weil er nur Lothal und die Akademie kannte.
Aber jetzt würde er mehr Orte sehen als ein gewöhnlicher Truppler und da seine Ausbildung und die seines Freundes noch nicht abgeschlossen war, waren sie etwas besonderes.
Das war ihm schon klar, als der Inquisitor ein »Talent« ansprach.
Er traute sich aber nicht, zu fragen, was er genau damit meinte.
„Alle anderen können gehen. Ihr werdet im Verlauf des Tages darüber informiert werden, welchem Trupp ihr zugewiesen werdet."
Die Kadetten standen langsam auf.
Unter anderem auch Zare,
der seine Freunde erwartungsvoll ansah.
Er lächelte ihnen und seiner Schwester zu.
Danach schenkte er ihnen noch ein Nicken.
Schließlich verschwanden alle. Nur Ezra, Jai, Dhara und der Inquisitor blieben in der Halle zurück.
„Wir werden auf der Stelle aufbrechen."
Jetzt traute sich Ezra doch, den Mund aufzumachen.
„Ich... ähmm... ich hab da eine Frage. Welches Talent habt Ihr vorhin gemeint?", fragte der blauhaarige Junge nervös.
„Ganz schön vorlaut", bemerkte der Inquisitor und funkelte den blauhaarigen Jungen wütend an. „Wir werden jetzt gehen. Und ich würde dir raten, von nun an deinen Mund zu halten, wenn du nicht gefragt wurdest."
Ezra senkte seinen Kopf und versuchte, die Angst, die sich in ihm ausbreitete, zurückzuhalten, aber wenn er ehrlich war, machte dieser Imperiale ihm so viel Angst, dass er gar nicht mit ihm mitgehen wollte.
Wieder verzogen sich die Lippen des Inquisitors zu einem kalten Lächeln, als er begann, in Richtung des Shuttles zu gehen, das ihn und Dhara hergebracht hatte.
„Du hast Angst. Gut."
Jai konnte währenddessen nur noch grinsen. Er war sehr froh.
Besonders, da er die Art des Inquisitors, Dinge zu erledigen, mochte und respektierte, und jetzt würde er mit ihm gehen und mit ihm trainieren.
„Sir... falls Sie die Frage gestatten.... Wohin fliegen wir?", erkundigte Jai sich vorsichtig.
Der blauhaarige Junge sah zu seinem Freund und dann zum Inquisitor, der ihnen den Rücken zugedreht hatte und dann stehen blieb.
Die Rampe des Schiffes schloss sich hinter ihnen.
„Arkanis", antwortete der Großinquisitor knapp, bevor er die Drei hinter sich ließ und sich ins Cockpit begab.
„Arkanis ist ja ein richtig blöder Name", sagte der blauhaarige Junge etwas irritiert, als er zu seinem Freund sah.
Dhara schaute sich die beiden an und dann dachte sie wieder an die Zeit zurück, als sie zum ersten Mal mit dem Inquisitor gegangen war.
Sie hatte sich so viel Positives erhofft und so viel Ansehen. Bekommen hatte sie nur Schmerz, Leid und Tod.
Sie wünschte sich, dass es irgendeinen Weg heraus für sie gäbe. Aber wenn sie entkam, bedeutete das den Tod ihres kleinen Bruders. Und das konnte sie auf keinen Fall zulassen.
Und jetzt waren auch noch Jai und Ezra in Gefahr.
Bei Ezra war sie sich ziemlich sicher, dass sie seine Familie nicht gegen ihn einsetzen würden, da er keine hatte, soweit sie wusste.
Bei Jai war es etwas anderes, er hatte eine Mutter aber Dhara war sich nicht sicher, ob sie diese gegen ihn einsetzen würden, damit er sein Training durchziehen würde. Für Jai hoffte sie, dass es nicht so war. Allerdings weigerte sie sich, sich auszumalen, wer benutzt werden würde, wenn es nicht seine Familie war.
Die Imperialen hatten fiese Tricks auf Lager, aber die Inquisitoren waren noch eine Spur schlimmer.
Auch wenn sie zum Imperium gehörten, waren die Machtnutzer wesentlich skrupelloser und zäher als gewöhnliche Truppler.
Diese Gabe, die sie alle drei besaßen, war kein Geschenk. Sie war ein Fluch.

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