Rubina (heute)

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Ich fuhr in den Urlaub. Alleine. Schule war zu Ende und bevor ich mich aufs Studium einlassen konnte musste ich eine Auszeit nehmen.
Meiner Mutter war das nur recht.

Sie hatte gefragt ob ich nicht Vince mitnehmen wollte, aber er war durchs Abi gefallen und musste lernen um es zu wiederholen.
Nach Rubina zu fragen traute sie sich nicht und dafür war ich dankbar.

Ich hatte seit sehr langer Zeit nicht mehr mit ihr gesprochen. Irgendwie fing unsere Freundschaft an zu bröckeln. Und es nagte an mir, dass sie den Grund noch nicht einmal wusste. Ich war ihr ein wenig aus dem Weg gegangen und wir haben uns irgendwie auseinander gelebt. Ich mochte sie mehr als mir bewusst war und konnte sie nicht ansehen ohne an ihren Freund zu denken. Vielleicht war es ihr gegenüber unfair, aber ich tat, was ich zu der Zeit für richtig hielt.

Und ich wollte nicht einschreiten in das Ganze, es würde ja sowieso nichts bringen. Und es war schwer ohne sie. Aber ich dachte immer weniger an sie und sie dachte wahrscheinlich immer weniger an mich. Alles ist vergänglich. Und so hatte auch die Freundschaft zu Rubina ein Ende.

Ich saß also im Flieger nach Malle und spielte Candy Crush. Ich aß die Überteuerten Sandwiches und gönnte mir auch gleich eine 3 Euro Wasserflasche. Wenn man schon Urlaub macht, dann richtig. Ich kam problemlos durch die Passkontrolle und holte mir ein Taxi um ins Hotel zu kommen.

Eine kleine Küche, ein Schlafzimmer und ein Bad. Ein billiges Motel, enthielt aber alles was ich brauchte.

Am ersten Tag ging ich in die Innenstadt um mir Krimskrams zu kaufen. Außerdem hatte sich mein einer Schuh am Flughafen von seiner Sohle verabschiedet, deshalb brauchte ich Schuhe.

Aber in Mallorca war es schwierig Schuhe für große Füße zu finden, deshalb holte ich mir, nach eineinhalb Stunden Misserfolg, Alleskleber und etwas zu kleine Flipflops, in denen meine Füße vorne und hinten raushingen, nur für den Fall.

Ich fand einen Eisladen und gönnte mir gerade eine fette Kugel Mangoeis, als ich irgendwo in der Menge eine pinke Sonnenbrille aufblitzen sah, die verdächtig an Rubinas erinnerte.

Doch der glitzernde Rand der Brille war nirgends mehr zu sehen und ich ließ mich einfach auf die eben freigewordene Bank nieder. Das war sie nicht. Wobei es diese hässliche Brille aber auch kein zweites mal gab und wenn doch, würde wohl keiner so einen abgedrehten Geschmack haben sie zu kaufen. Ich bin damals dabei gewesen, als sie in einen Secondhandladen lief und mit dieser Brille rauskam. Ich hatte ihr nicht gesagt, dass die Brille abscheulich war aber sie wusste es wahrscheinlich auch so.

Die Bank gab ein wehmütiges knarren von sich, als ich mich von ihr erhob.

Das war nicht Rubinas Brille. Ich war in Mallorca und sie war Zuhause. Und selbst wenn sie das hätte sein können, würde mich das eh nicht interessieren.

Was die Sonne bloß mit meinem Kopf anstellte...

Am nächsten Tag freute ich mich auf den Strand. In der Nacht hat es stark gestürmt, deshalb würde es heute gute Wellen geben.

Ich ging zu Fuß in meinen neongrünen, zu kleinen Flipflops und der Wind pfiff mir um die Ohren.
Meine Zehen gruben sich in den heißen Sand und Ich spürte meine Schultern prickeln, dort, wo die Sonne sie traf.

Nach etwa einer halben Stunde im Wasser legte ich mich in den Sand um zu trocknen.
Ich schaute zum Horizont, wo sich der Glanz des morgendlichen Sonnenlichts im Wasser fing. Ich hatte recht gehabt, die Wellen waren stark heute und schlugen gegen die Brandung. Um diese Zeit war der Strand fast menschenleer, ich zählte außer mir noch sieben Leute am Strand und vier im Wasser. Ein Mädchen stand mitten in den Wellen. Sie hatte einen gestreiften Bikini und ihre Figur war, soweit ich es von hier beurteilen konnte, ganz ansehnlich.

Aber was mich an ihr beeindruckte war nicht ihr Hintern, sondern ihre Freude am Wasser. Sie stand schon seit ich hier war in den Wellen und lief durch das schäumende Wasser. Ein unverkennbarer Freigeist. Das Meer gehörte ihr. Sie sprang so geschmeidig durch sie durch, es sah so kinderleicht aus, dass es mir Spaß machte sie zu beobachten. Bei Rubina war das auch so. Wohin sie auch ging, was sie auch machte, alles lag ihr zu Füßen, sie meisterte die kompliziertesten Dinge mit einer Leichtigkeit, wie kein anderer. Egal wo der Wind sie auch hintragen mochte. Sie war so eine wilde, markante Persönlichkeit, dass ich manchmal fürchtete, selbst die Erdanziehungskraft würde sie nicht zähmen können.
"Aber leider, Nein- zum Glück ist das nicht Rubina."

In den nächsten Tagen passierte nicht viel. Ich war am Strand, an einem anderen Strand und wieder an dem ersten Strand. Meine Sommersprossen hatten sich in den paar Tagen verdoppelt, meine Haut war einen halben Ton dunkler und zugegebener Maßen auch ein wenig trockener.
Ich sah das Mädchen nicht wieder, aber ich fand Pistazienschalen am Strand und einen alten staubigen Bücherladen in der nähe, was mich alles an eine gewisse Person erinnerte, die ich vielleicht doch mehr vermisste, als ich wahr haben wollte.

Heute war der siebte Tag, also blieb mir noch eine Woche hier, bevor ich zurück musste.

Die Sonne wahr schon untergegangen und der Wind kühlte meine glühende Haut.
Als es schon dunkel wurde und ich den Mond am Himmel sah, wollte ich mich auf den Weg machen und Strich mir schon den Sand aus den Beinhaaren, als ich neben mir eine Bewegung wahrnahm. Zwei schlanke, helle Beine tauchten neben mir auf und als sie mit ihren babyblau lackierten Zehen wackelte, brauchte ich nicht einmal hochzuschauen. Ich wusste wer es war.

Sie stützte sich mit dem Arm am Boden ab, um sich neben mich zu setzen und das nächste was ich sah, waren Herbstlaubfarbene, fast hüftlange Haare, die sich an den spitzen kräuselten und ein paar fast transparenter, hellblauer Augen, die ich auch bei vollkommener Dunkelheit glitzern sehen würde.

Rubina.

Mir verschlug es die Sprache, weil ich sie so vermisst hatte. Diese leise Liebe war nie weg. Sie lag nur auf Eis. Es war dumm von mir, zu glauben, ich könnte sie je vergessen und in dem Moment war mir alles egal. Ich fragte mich, wie sie hier sein konnte, hatte meine Mutter es ihr verraten? Und was war mit ihrem Freund passiert? Und wieso war sie überhaupt hier? Mochte sie mich? Fehlte ihr unsere Freundschaft? Vielleicht war es nun doch ihre Sonnenbrille und sie hat im Sand Pistazien gegessen, aber das war mir jetzt egal. Ich schwieg.
Hatte sie sich verändert?
Natürlich. Ich war ja auch nicht mehr der Selbe. Aber ich meinte, ob sie anders war. Anders als vorher.

Das würde ich wohl herausfinden. Denn sie war jetzt hier bei mir und was auch kommen mochte, ich sah in ihren Augen, dass sie mir verziehen hatte für die ungesagten Worte und für meine Abwesenheit, in Momenten die ich mit ihr hätte gemeinsam durchstehen sollen.

Vielleicht würde ich ihre Liebe niemals gewinnen, aber ich würde ihre Freundschaft nicht verlieren. Und für mich war das als Happy End gut genug.

Rubina lehnte ihren Kopf an meine Schulter und mein Arm fand Platz an ihrem Rücken, wie als hätten wir nie etwas anderes gemacht.

Wie als hätten unsere Augen nie vor Zorn gelodert. Wie als hätten unsere Zungen sich nie nicht zurückhalten können etwas verletzendes zu sagen. Wie als wären unsere Wimpern im vergangenen Jahr nie nass geworden und unsere Lippen nie spröde und unsere Kehlen nie kratzig vom schreien. Ja, wenn wir uns stritten, zitterte der Erdboden.

Aber jetzt, jetzt saßen wir da, von der kühlen Nacht umhüllt und schauten stumm auf die silberne Spiegelung des Halbmondes im  pechschwarzen Meer.

Ich dankte diesem verfluchten Schicksal, der mir den hellsten Stern von allen gab.

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AN//

Ich weiß nicht, wie ich zu der Story stehen soll. Es ist schon eine Weile her, dass ich sie geschrieben habe. Mittlerweile machen mich John Green-esque Damen nicht mehr so an.

Wie steht ihr dazu?

xx Rose

Ein Stück HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt