Kapitel 03

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Mit schnellen Schritten lief ich durch die Straßen in Richtung eines Lebensmittel-Ladens. Eigentlich fand ich ja, dass Ryan mal wieder an der Reihe war, einkaufen zu gehen. Aber bevor ich jetzt eine Woche hungerte, bis sich Ryan entschied den Einkauf doch noch zu erledigen, übernahm ich das lieber selbst.

Mein Bruder wäre ohne mich wirklich aufgeschmissen. Er hätte nichts zu essen und müsste vor der Wohnungstür schlafen, wenn er mal wieder seinen Schlüssel vergaß. Aber das war ja nicht das einzige, was er konnte. Manchmal war er wirklich der beste Bruder, den ich mir vorstellen konnte, auch wenn wir nicht immer derselben Meinung waren.

Der Himmel wirkte ziemlich schwarz und es sah so aus, als würde es gleich regnen. Einen Schirm hatte ich natürlich nicht dabei, da ich gedacht hatte, dass ich es noch schaffe ohne nass zu werden. Jetzt war ich mir nicht mehr so sicher bei diesem Punkt.

Immerhin erreichte ich den Laden, ohne ein Tröpfchen Regen zu spüren. Ich kramte meinen Einkaufszettel hervor und schlitterte durch die Gänge, während ich in Windeseile alle Lebensmittel in den Stoffbeutel packte, den ich dabei hatte.

Als ich dann hinter einer riesigen Schlange an einer der Kassen stand, bemerkte ich, dass es mittlerweile doch schon regnete und das nicht mal so wenig.

Wieso begann es ausgerechnet jetzt zu regnen? Und wieso schien immer jeder genau dann einkaufen gehen zu wollen, wenn ich es tat? Normalerweise waren mehrere Kassen geöffnet oder die Schlange war kürzer, aber nein, heute nicht. Ich seufzte und trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. Immer wieder warf ich nervöse Blicke nach draußen, nur um jedes Mal erneut fest zu stellen, dass der Regen stärker wurde. Bei meinem Glück fing es gleich noch an zu hageln. Aber mir blieb keine andere Wahl, als zu Fuß nach Hause zu gehen, denn ein Taxi wäre wirklich unnötig und hier in der Nähe gab es keine Busstation.

Die Schlange wurde immer kürzer und irgendwann war dann auch ich an der Reihe. Während ein eher junger Kassierer meine Lebensmittel über die Kasse zog, kramte ich nach meinem Geldbeutel. Nur um zu bemerken, dass er wahrscheinlich noch mit meinem Schirm in meiner Wohnung lag.

"Das macht 28,40 Euro." sagte mir der Kassierer.

Hastig kramte ich in meinen Hosentaschen nach Geld, doch ich fand nicht mehr als einen fünf Euro Schein.

"Ich habe nicht genügend Geld." murmelte ich dem Kassierer zu und legte ihm die einsamen fünf Euro hin. Was sollte ich denn jetzt machen?

Ich traute mich gar nicht, mich um zu drehen, da mich dort nur böse Blicke der wartenden Leute erwarten würden. Aber als ich eine tiefe Stimme hinter mir vernahm, drehte ich mich doch um.

"Ich zahle für sie." sagte niemand anderes als Lockenkopf höchst persönlich zu dem leicht genervten Kassierer.

Einerseits wollte ich seine Hilfe nicht annehmen, andererseits war ich ihm einfach unendlich dankbar dafür, dass er mich aus dieser peinlichen Situation gerettet hatte. Deswegen hielt ich meine Klappe und beobachtete stumm, wie der bekannte Unbekannte exakt 23,40 Euro hervor kramte und damit bezahlte.

Erleichtert packte ich meine Einkäufe ein und wollte möglichst schnell verschwinden. Bei jedem anderen hätte ich mich tausend Mal bedankt und ihm versprochen das Geld zurück zu geben, aber ich hatte keine Lust auf ein Gespräch mit meinem Erlöser. Ziemlich eigensinnig, aber es war mir egal.

Doch ich kam sowieso nicht davon, denn der Namenslose hatte nur zwei Flaschen Bier, eine Zigarettenpackung und Kaugummis gekauft und konnte mich deswegen noch einholen.

"Willst du wirklich bei diesem Wetter zu Fuß nach Hause gehen?" fragte er mich mit gerunzelter Stirn.

Wir standen nebeneinander im Freien, waren aber noch unter dem Vordach des Ladens.

Fake RelationshipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt