War es wirklich die Zukunft? (überarbeitet)

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Ich rannte durch die Gassen einer dunklen Stadt. Es regnete und der Wind peitschte mir ins Gesicht, welches unter einer Kapuze verborgen lag. Hinter mir ging in den Fenstern die Lichter aus und immer wenn ich an einer Tür klopfte verschwand sie daraufhin. Alles war so surreal, so falsch. Türen konnten nicht einfach so verschwinden, eine Gasse konnte nicht endlos lang sein und die Dunkelheit verschlang keine Lichter. Stolpernd rannte ich weiter. Hinter mir hörte ich die Todesschreie vieler Wesen. Schritte näherten sich mir und die Angst in mir wurde immer größer. Ein Knurren ließ meinen Puls hochschnellen. Als ich einen Blick über meine Schulter warf sah ich, wie eine Kreatur mit roten, glühenden Augen immer näher kam. Sie fletschte die Zähne und brüllte mit einer Stimme, die mir einen Schock einjagte. Von der Angst angetrieben lief ich schneller und schneller, doch ich konnte meinen Verfolger einfach nicht abhängen. Ganz im Gegenteil, es kam immer näher und näher. Dafür brauchte ich noch nicht einmal nach hinten Blicken. Ich spürte wie meine Ausdauer an ihr Limit gelangte und versuchte meine Flügel auszubreiten, um vom Boden abzuheben und zu fliegen, doch sie bewegten sich keinen Millimeter. Wieder blickte ich über meine Schulter. Dieses Mal setzte die Kreatur zum Sprung an. Sie riss mich zu Boden und biss in meine Kehle, nein sie zerfleischte sie regelrecht. Aber ich spürte keinen Schmerz und von einen auf den anderen Moment war ich nicht mehr in meinem Körper. Als körperloses Wesen sah ich zu wie ich in Stücke gerissen wurde. Blut spritzte, Körperteile flogen umher und von meinem einstigen Körper blieb nichts als ein Gemisch aus Blut und Fleischmasse zurück. Die Kreatur verschwand und ließ den leblosen Körper achtlos liegen. Langsam verdunkelte sich die Szenerie. Alles war schwarz vor meinen Augen. „Reah!“, eine vertraute Stimme drang in mein Ohr. „Reah!“, da war sie schon wieder. „Hey, wach auf!“, war das Akariels Stimme? Ich spürte wie mich jemand oder etwas schüttelte. Das Schütteln wurde mit der Zeit energischer. Widerwillig und verschlafen öffnete ich meine Augen. Sofort fixierten sie Akariels, welche sorgenvoll mein Gesicht musterten. „Du hast im Schlaf geschrien und gezittert, geschwitzt hast du auch. Ich hab mir Sorgen gemacht und dich geweckt.“ Er strich mir vorsichtig über die Wange. Erst jetzt bemerkte ich selbst wie sehr ich zitterte. Ich spürte wie mein Körper sich verkrampft hatte und, dass ich meine Fingernägel in sein Fleisch bohrten. Mein Herz schlug mir vor Angst bis zum Hals und mein Atem ging flach und schnell. „Reah...“, flüsterte Akariel sanft. Er streichelte vorsichtig und sanft meine Wange. Seine Miene war noch immer von Sorge erfüllt. „Ich...“, setzte ich an, „Ich hatte nur einen Albtraum...Ich wurde darin brutal getötet. Tut mir leid das ich dich geweckt habe. Ich wollte nicht deinen Schlaf stören.“ Verlegen sah ich zur Seite. Mein verkrampfter Körper lockerte sich, auch ließ ich meine Hände sinken, die bis grade noch, nach Halt suchend und mit den Fingernägeln stechend, in seine Arme gekrallt gewesen waren. Lediglich mein Puls beruhigte sich nicht. Das Adrenalin in meinem Körper war noch immer aktiv, weswegen ich auch noch zitterte wie Espenlaub. Akariel zog mich an sich. Meinen Kopf bettete er an seiner Brust. „Schon gut. Es war nur ein Traum. Außerdem sagt man:'Träume in denen man stirbt bringen Glück!'also macht dir keine Sorgen...Versuch jetzt noch ein wenig zu schlafen. Es ist noch früh und für heute habe ich nicht viel an Arbeit angesetzt.“, während er mit mir sprach, fing er an sanft über meine Haare zu streichen. Ich schloss wieder meine Augen. Sein regelmäßiger Herzschlag ließ mich mich langsam beruhigen. Bevor ich wieder einschlief wurde mir nochmal bewusst, dass ich Akariel vertrauen konnte. Er beschützte seine Kameraden mit aller Kraft und damit würde er so schnell nicht aufhören. Er war einfach nicht der Typ dafür.

Als ich das nächste mal aufwachte war es hell. Die Sonne schien ins Schlafzimmer. Verschlafen öffnete ich meine Augen. Neben mir lag niemand mehr, wahrscheinlich war Akariel schon aufgestanden, weil etwas zu tun hatte. Müde strampelte ich die Decke weg und streckte mich erstmal ausgiebig. Kurz knackten meine Knochen, wahrscheinlich waren sie durch das verkrampfen heute Nacht irgendwie ein wenig verschoben gewesen. Ich stand auf und zog mir meinen BH an, danach betrat ich, noch immer in Akariels Sachen, den Flur. Von weitem waren Stimmen zu hören. Neugierig wie ich nun mal war schlich ich den Flur hinunter. Am Treppenabsatz setzte ich mich hin und fing an die Personen im Wohnzimmer zu belauschen. „Warum bist du hier? Hat Michael dich geschickt?“,es war eindeutig Akariel der sprach. Sein Ton war ernst. Kurze Zeit herrschte Stille im Raum. Eine angespannte Atmosphäre breitete sich im aus. Es schnürte mir förmlich die Kehle zu und die Stille wurde immer unangenehmer. „Indirekt schon. Er sprach mit mir über die mögliche Bedrohung durch die gefallenen Sieben. Was macht dich so sicher dass sie es sind? Hast du Beweise?“, die Stimme eines Mannes ertönte. Sie war heller als Akariels, auch kam sie mir bekannt vor, doch zuordnen konnte ich sie nicht. „Reah...“, setzte Akariel an, doch wurde sofort unterbrochen. „Du meinst doch nicht etwa diesen blauhaarigen Engel mit diesem zwiespältigen Charakter? Ihre Zunge ist schärfer als Lucifels Schwert. Wie Gott diesen Engel der Sünde erschaffen konnte ist mir ein Rätsel.“, diese Beschreibung versetzte mir einen Stich. War ich wirklich so schlimm? „Sie hat schlimmere Stimmungsschwankungen als eine Schwangere und wenn man sie mehrmals etwas fragt wird sie sofort pampig. Sie ist hysterisch und nervend. Vor den anderen Erzengeln im Rat spielt sie immer das liebe Engelchen aber in Wirklichkeit ist sie ein Drache. Hysterische, hinterlistige Kuh!“, diese Worte versetzten mir noch einen Stich. War ich so? Hysterisch. Hinterlistig. Hatte ich Stimmungsschwankungen? Ja, ich war so. Ich urteilte über andere ohne etwas über sie zu wissen. Ich war leicht reizbar und hysterisch. Die Schuld schob ich immer auf andere. Vor dem Rat verhielt ich mich immer nett und gesittet aber sonst war ich zu den meisten ziemlich abweisend und gemein. Ich war genau das was dieser andere Engel gesagt hatte. Langsam senkte ich meinen Blick und sah auf meine Hände. Sie zitterten. Ich zitterte. Leise hörte ich mein eigenes Herz schlagen. Badumm. Badumm. Ein stechender Schmerz begann in meinem Kopf zu wüten. Ich krümmte mich und lag nun zusammengerollt auf dem Boden des Flurs. Ein tiefes und bedrohliches Lachen ertönte in meinem Kopf. „So einfach wirst du mich nicht los Kleines.“, die Stimme in meinem Kopf klang amüsiert. „Der Fluch ist zwar gebrochen und du lebst aber ich habe einen Teil meines Bewusstseins in dir eingepflanzt.“, wieder lachte diese Stimme. „Ich kann, wenn du von negativen Gefühlen übermannt wirst, in deine Gedanken eindringen. Hast du Schmerzen?“, nochmals ertönte ein Lachen. „Hast du Angst vor dem Tod? Vor der Zukunft? Vor der Ungewissheit? Dann solltest du jetzt genau hinschauen, Kleines.“, vor meinen Augen begannen sich Bilder zu formen. Tod. Verzweiflung. Einsamkeit. Vor meinem inneren Auge spielten sich Szenen des Grauens ab. Wenn das wirklich die Zukunft war waren wir alle verdammt. Menschen wie Engel. Die Bilder verschwammen und meine Sicht klärte sich. Ich starrte auf die weiße Wand des Flurs. Der Schmerz in meinem Kopf ließ nach. Vorsichtig stand ich auf. „Mehr wollte ich nicht wissen. Tschüss!“, der Engel entfernte sich und kurze Zeit später viel die Haustür in Schloss. „Komm runter! Ich weiß das du gelauscht hast!“,ich sah zum Ende der Treppe. Dort stand Akariel, die Arme vor der Brust verschränkt und mit einem ernsten Blick. Ich schluckte schwer. Vorsichtig ging oder eher stolperte ich die Treppe runter. Die letzten Stufe viel ich sogar, doch ich landete weich in Akariels Armen. „Was ist los? Du wirkst verstört und kraftlos?“, seine tiefe Stimme drang in mein Ohr. „Er...Er hat mir die Zukunft gezeigt...“, murmelte ich, „Er ist noch immer in meinen Bewusstsein. Immer wenn ich von meinen negativen Gefühlen übermannt werde dringt er in mein Bewusstsein“. Ich drückte mich nach Halt suchend an ihn. „Er? Meinst du denjenigen der dich mit dem Fluch belegt hat?“, ich nickte. Akariel schwieg daraufhin kurz. „Dimitry, ist so was möglich?“, fragte Akariel den anscheinend anwesenden Dimitry. „Unter gewissen Umständen schon. Der Fluchwerfer muss allerdings sehr gut sein wenn er es geschafft hat während so einer kurzen Zeit ein Teil seines Bewusstseins in sie einzupflanzen und so viel ich weiß war Luzifer nie ein toller Magier.“, während er sprach kam er mit schnellen Schritten immer näher. „Kann man etwas dagegen tun?“, fragte Akariel ernst. Die Schritte von Dimitry verstummten neben mir. „Den Anwender töten oder den Herrn um Segnung bitten. Doch ersteres wäre bestimmt noch einfacher als eine Audienz beim Chef zu kriegen.“,Dimitry´s ernste Stimme ließ mich erschaudern. Wir verharrten eine Weile in unseren Positionen. Dann ließ Akariel ein tiefes Seufzen erklingen. „Warum eigentlich immer sie?“, fragte er mehr sich selbst als uns. Er ließ mich los und legte dann eine Hand auf meinen Kopf. „Ich mach dir jetzt erstmal Frühstück und dann sehen wir weiter.“, damit verschwand er in die Küche. Ich sah ihm kurz nach und drehte mich dann zu Dimitry. „Guten...Morgen“, stammelte ich etwas verlegen. Er hingegen lächelte mich warm an. „Guten Morgen.“, seine Stimme klang warm und vertraut. Freundschaftlich legte er mir einen Arm um die Schultern und ging mit mir in die Küche. Akariel war schon fleißig am wirbeln und innerhalb einer viertel Stunde hatte ich ein riesiges Frühstück vor mir stehen. Mit einem lauten Knurren machte sich mein Magen bemerkbar und sagte mir ich sollte weniger starren und mehr essen. Ich kam dieser Bitte unverzüglich nach und begann damit das Frühstück zu verputzen.

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