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Am nächsten Morgen war die Stimmung immer noch bedrückt. Beim Frühstück aßen die meisten ihr Essen stumm auf und gingen dann in den Unterricht. Harry, Ron und Hermine hatten in den ersten zwei Stunden Zauberkunst mit den Slytherins bei Professor Flitwick. Harry saß zwischen seinen Freunden und hörte dem Lehrer mit halbem Ohr zu, während er auf das Pergament starrte, das vor ihm lag. Er wusste genau, wen er sehen würde, wenn er aufschaute, und er spürte ganz genau, dass dieser jemand ihn im Moment ansah. Harry befürchtete nur, dass er nicht mehr von den sturmgrauen Augen loskam, sobald er sie erstmal gesehen hatte. Er wusste nicht, wo diese Gefühle herkamen, aber er hatte so ein komisches Ziehen im Bauch, wann immer er Malfoy sah, seit dem letzten Morgen. Harry wünschte sich nichts sehnlicher, als mit Hermine oder Ron darüber zu reden, aber beide hassten Malfoy und würden wahrscheinlich versuchen, es ihm auszureden - was auch immer das sein mochte. Vielleicht sollte er tatsächlich versuchen, mit Malfoy Freundschaft zu schließen. Aber wie sollte er das anstellen? Sie waren Feinde. Würden Hermine und Ron dann nicht mehr mit ihm befreundet sein wollen?
Hermine stupste ihn mit dem Ellbogen an.
»Was ist?«, fragte Harry mit einem kurzen Seitenblick zu Hermine.
Diese deutete mit einem Nicken in Richtung Flitwick, der, als Harry sich ihm zuwandte, Harry fragend ansah.
»Sir?«, fragte Harry und strich sich durch das strubblige Haar.
»Ich habe Sie soeben gefragt, ob Sie den Zauber einmal vor der Klasse zeigen würden.« Flitwicks Blick wurde noch fragender und Harry wurde leicht nervös.
»Entschuldigung, welcher Zauber, Sir?«
Das Gekicher der anderen ignorierte er so gut es ging.
»Den „Patronus"- Zauber, Mr. Potter. Ich weiß, dass Sie einiges durchgemacht haben, aber Sie sollten im Unterricht besser aufpassen.
Harry nickte und überlegte kurz. »Muss ich, Sir?« Harry war sich nicht sicher, ob er einen Patronus nach dem Krieg noch heraufbeschwören konnte. Er wusste nicht, ob nach all den schrecklichen Dingen, die guten Erinnerungen stark genug wären, um seinen Hirsch erscheinen zu lassen.
»Natürlich nicht! Ich dachte nur, nachdem Sie es Dumbledore's Armee beigebracht haben, könnten Sie es auch dem Rest der Klasse zeigen?« Professor Flitwick lächelte gütig.
Harry seufzte und nickte dann.
Flitwick bat Harry in die Mitte des Raumes. Dieser ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen. Der Großteil seiner Mitschüler schaute ihn erwartungsvoll an, einige jedoch starrten einfach nur auf ihr Pergament oder tauschten unter dem Tisch heimlich Zettelchen aus. Malfoy ließ er geflissentlich aus und ging dann zu dem Platz, an dem Flitwick gerade stand. Harry zog seinen Zauberstab aus der Innenseite seines Umhangs und schloss die Augen. Er fühlte das glatte Holz des Zauberstabs in seiner Hand und dann versuchte er all die schönen Erinnerungen abzurufen, die er in seinem Herzen finden konnte. Er dachte an den Moment, als Remus ihm das erste Mal den Patronus beigebracht hatte; an den Moment, als Sirius ihn den Arm schloss und ihm mitteilte, dass sie eine richtige Familie seien werden, wenn alles vorbei war; an den Moment im verbotenen Wald, als sie ihm alle begegnet waren und ihm versichert hatten, dass sie immer bei ihm bleiben würden. Er atmete tief durch, sog die Erinnerungen durch die Nase ein, ließ sie seinen Körper ausfüllen und öffnete die Augen.
»Expecto Patronum!« Aus seinem Zauberstab schoss ein grelles weißes Licht, doch sein Hirsch tauchte nicht auf.
»Sehr gut, sehr gut«, rief Professor Flitwick und klatschte in die Hände. »Könnten Sie uns noch erklären, was Sie gemacht haben, um den Patronus zu erschaffen?«
Harry starrte auf seinen Zauberstab. Er hatte seinen Patronus nicht erschaffen, sonst würde jetzt vor aller Augen ein mächtiger, stolzer Hirsch stehen. Harry hatte zwar einen „Patronus"- Zauber gesprochen, aber dieser genügte nur um einen, vielleicht zwei Dementoren in Schach zu halten. Harry konnte sich gut vorstellen, woran es lag - jede dieser glücklichen Erinnerungen, jede Person, an die er gedacht hatte, war tot.
»Ich... ich hab die Augen geschlossen und an eine glückliche, eine starke Erinnerung gedacht. Ich habe sie durch meinen Körper strömen lassen und dann den Zauber ausgeführt«, erklärte er und ging auf ein Nicken Flitwicks hin wieder zu seinem Platz.
Flitwick erklärte den anderen Schülern noch einmal Schritt für Schritt, was sie machen sollten, während Harry sich sorgte, ob er jemals wieder einen so starken Patronus heraufbeschwören konnte, wie früher, doch diese Sorge löste sich schnell in Luft auf, als Harry schließlich doch aufsah und in Draco Malfoys funkelnde Augen schaute.

Draco sah Harry gespannt zu, während er vor der ganzen Klasse stand und die Augen für einen Moment geschlossen hielt. Er wusste, dass man für den Patronus eine glückliche Erinnerung brauchte und er wusste auch, das Harry einen starken Patronus zaubern konnte, doch das, was jetzt aus der Spitze seines Zauberstabs kam, war geradezu lächerlich für Harry Potter.
Als dieser wieder auf seinem Platz gegenüber von Draco saß, fühlte er ein seltsames Ziehen in der Herzgegend. Er empfand Mitleid für Potter. Wo kommt das denn jetzt her?, fragte er sich und schüttelte den Kopf.
Just in dem Moment, in dem Draco's Blick Harry streifte, schaute dieser auf. Ihre Blicke verankerten sich ineinander und Draco konnte den Blick nicht lösen. Sollte er es einfach wagen? Einen Versuch war es wert. Er zog einen Mundwinkel nach oben und lächelte Harry freundlich an. Glaubte er zumindest. Offenbar war sein freundliches Lächeln nicht von seinem Du-hälst-dich-wohl-für-ganz-toll-Potter-Lächeln zu unterscheiden. Harry nämlich verdrehte die Augen und studierte sein unbeschriebenes Pergament. Warum machst du eigentlich immer alles falsch, huh, Malfoy?, fragte er sich und legte das Kinn auf die verschränkten Arme auf dem Tisch. Mach doch einmal was richtig und finde Freunde!
Die restliche Stunde sah Harry ihn nicht mehr an und auch Draco versucht seinen Blick so gut es ging von ihm fernzuhalten, während er nun selbst versuchte, einen Patronus zu erschaffen. Er kramte in seinem Gedächtnis und wühlte nach einer glücklichen Erinnerung, die stark genug für diesen Zauber war. Nur eine einzige fiel ihm in die Hände und die war nichtmal wirklich glücklich. Nein, eigentlich war sie überhaupt nicht glücklich, aber einen Versuch war es wert.
Er stellte sich vor, wie Goyle im Raum der Wünsche das Dämonenfeuer heraufbeschwor, während draußen der Krieg tobte. Harry, Ron und Hermine hatten die bessere Idee gehabt und sich Besen geschnappt. Draco, Blaise und Goyle waren derweil auf einen sehr wackligen Turm aus Gerümpel geklettert. Harry und seine Freunde waren drauf und dran gewesen, den Raum zu verlassen und die anderen im Feuer sterben zu lassen, doch als Goyle ins Feuer gestürzt war, hatten sie wieder umgedreht und Harry hatte Draco auf seinen Besen gezogen. Draco hatte sich an ihn geklammert und dann waren sie zusammen nach draußen geflogen. Es hatte ihn auf irgendeine Weiß glücklich gemacht, dass die drei sie nicht einfach hatten sterben lassen. Er hätte es ihnen nicht verübeln können.
So wie fast jeder in dem Klassenzimmer sprach er jetzt laut und deutlich die Worte. »Expecto Patronum.«
Ein heller Funke stob aus seinem Zauberstab, aber ansonsten passierte nichts. Die Erinnerung war nicht stark genug. Draco seufzte genervt und starrte gradeaus. Potter unterhielt sich mit Granger und Weasley, die den Patronus bereits beherrschten. Draco legte den Zauberstab neben sich auf den Tisch und stützte den Kopf in die Hände. Noch einmal durchstöberte er seine Erinnerungen. Da war zum Beispiel die, wo Voldemort eine Versammlung der Todesser in Malfoy-Manor, seinem eigenen Zuhause, abgehalten und eine völlig unschuldige Frau getötet hatte. Oder die, wo Hagrid an Voldemorts Seite aus dem Wald nach Hogwarts kam, hinter sich die Todesser, darunter auch Draco's Eltern, und den toten Körper Harry Potters in den Armen getragen hatte. Als Voldemort verkündete, dass Harry tot sei, hätte Draco am liebsten geschrien und wäre zu ihm gerannt, doch das konnte er nicht, er war Harrys Feind und noch dazu ein Todesser.
Draco lief ein Schauer über den Rücken. Der Patronus würde wohl nicht zu seinen Stärken gehören.

Hey, Leute, ich freue mich zu sehen, dass es nach nur so wenig Tagen schon so viele Leser gibt. Ich hätte ehrlich nicht damit gerechnet. Aber ich hab das Gefühl, das die Geschichte von Kapitel zu Kapitel schlechter wird und deshalb wollte ich euch bitten Kommentare zu hinterlassen und mir Feedback zu geben. Die, die selbst Geschichten schreiben, wissen wahrscheinlich, dass es schwierig ist, seine eigenen Schreibkünste zu beurteilen. Ich zumindest hab immer was daran zu kritisieren. Naja, auf jeden Fall ein großes Dankeschön, an alle Leser und wie gesagt, gebt einfach Feedback. Wenn ihr nicht wollt, dann halt nicht, aber es wär echt nett.
xoxo

Drarry // I won't let goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt