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Draco war schon lange wach, als die warmen Sonnenstrahlen durch das Fenster auf sein Bett schienen. Lange hatte er nicht geschlafen - es konnten höchstens vier Stunden gewesen sein. Kurz nachdem er aufgewacht war, hatte er die Hoffnung auf ein paar weitere Stunden erholsamen Schlafes aufgegeben. Er hatte sich von einer Seite auf die andere gewälzt, doch es hatte nichts genützt. Nun lag er seit etwa einer Stunde in seinem Bett und starrte bewegungslos an die Decke. Seit dem gestrigen Abend musste er ständig an Potter denken und aus irgendeinem Grund tauchte jedes Mal sein Gesicht vor Dracos Augen auf, wenn er blinzelte. Draco fragte sich schon den ganzen Morgen über, ob er einfach alles mit Potter klären und aus ihrer Feindschaft eine Freundschaft machen sollte, doch er verwarf den Gedanken jedes Mal schnell wieder, wenn er ihm durch den Kopf schoss. Potter hasste ihn und daran würde sich wohl auch nichts ändern - und ob er selbst mit Potter befreundet sein konnte, wusste er auch nicht. Das Schlimmste dabei war, dass er es Harry nicht mal übelnehmen konnte.
Draco blies die angehaltene Luft aus und pustete sich dabei ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. Es musste nun ungefähr sechs Uhr morgens sein und allmählich wurde es ihm zu langweilig einfach an die Decke zu starren. Er schwang die Beine über den Bettrand und stützte den Kopf in die Hände. Er fühlte sich seltsam verloren und wusste nicht, was er tun sollte, was ziemlich wahrscheinlich davon kam, dass er ein Jahr lang zu Hause gelebt hatte und ihm die routinierten Tagesabläufe fremd geworden waren. Er stand gähnend auf und ging zu der kleinen Kommode, wo er sich eine frische Schuluniform rausholte und damit aus den Slytherinkerkern hinausging. Die langen Korridore waren menschenleer und selbst die meisten Gemälde schliefen noch. Draco hatte sich zu Hause kaum entspannen können und dachte sich, wo er sowieso schon mal wach war, konnte er es sich auch einfach mal im Badezimmer der Vertrauensschüler gut gehen lassen. Vor der Tür des Badezimmers blieb er stehen, sagte das Passwort und trat ein. Seine frischen Klamotten legte er an einen sauberen Platz und begann das große Becken mit heißem Wasser zu füllen. Außer einer großen Ladung Schaum fügte er dem klaren Wasser nichts hinzu.
Für die Größe des Beckens war es ziemlich schnell bis oben hin gefüllt. Draco legte sich ein flauschiges, weißes Handtuch neben das Becken und zog sich aus. Wohlig seufzend ließ er sich in das Wasser gleiten. Durch den abrupten Wechsel von frischer Morgenluft zu heißem Badewasser prickelte seine Haut angenehm.
Er schwamm ein paar Runden durch das Becken, bevor er sich auf den Rücken legte und sich und seine Gedanken treiben ließ.

Harry war früh an diesem Morgen aufgewacht. Die Sonne war gerade hinter den Bäumen hervorgekommen und schickte warme Strahlen durch die Fenster des Schlafsaales, doch von seinen Zimmergenossen war keine Regung zu vernehmen. Ron und Neville schnarchten leise um die Wette und von Seamus und Dean kam kein Ton.
Harry bemühte sich leise zu sein, als er seinen Koffer aufschnappen ließ und eine der Schuluniformen hervorzog. Er rieb den weichen Stoff zwischen seinen Fingern - allein dieser Umhang bereitete ihm ein gutes und heimisches Gefühl.
Leise öffnete er die Tür des Schlafsaals und ließ sie hinter sich wieder in das Schloss einrasten. Harry schlich auf leisen Sohlen durch den völlig leeren Gemeinschaftsraum und schlüpfte durch das Portätloch. Die fette Dame grummelte mürrisch, weil Harry sie geweckt hatte. Dieser tat, als habe er sie nicht gehört und wanderte gelassen durch die Gänge.
Als er vor der Tür zum Bad der Vertrauensschüler stand, murmelte er das Passwort und trat in den großen Raum ein.
Wie angewurzelt blieb er in der Tür stehen. Draco Malfoy stand splitterfasernackt vor ihm. Dieser, mindestens genau so geschockt wie Harry, schnappte sich vom Boden ein Handtuch und wickelte es sich um die Hüfte.
Harry rührte sich noch immer nicht und starrte nur schwer schluckend auf die Bauchmuskeln seines Gegenübers, die sich deutlich unter der blassen Haut hervorhoben.
»Willst du vielleicht ein Bild machen?«, fragte Draco süffisant und strich sich durch die nassen Haare, wobei kleine Wassertropfen durch die Luft flogen.
»Ja, äh... was? Nein! Natürlich nicht. Wieso sollte ich? Was... was tust du hier, Malfoy?«, stammelte Harry und wandte den Blick schnell ab.
Draco's Mundwinkel verzogen sich zu einem frechen Grinsen. Er zog die Augenbrauen nach oben. »Was ist los? Hat es dem großen Harry Potter die Sprache verschlagen? Aber ich muss zugeben, dass ging schon einigen bei meinem Anblick so.«
»Ich hab dir eine Frage gestellt.« Harry ging nicht auf Draco's Stichelei ein.
»Ich dir doch auch. Außerdem, Potter, langsam hab ich wirklich das Gefühl, du verfolgst mich.« Draco wusste nicht, woher er das Selbstvertrauen nahm, Harry wie immer zu provozieren, wo Potter ihn doch eben völlig nackt gesehen hatte. Andererseits hatte Harrys Reaktion die ganze Sache - zumindest für Draco - ein bisschen weniger peinlich gemacht.
»Wieso sollte ich, Malfoy?« Harry hatte sich offenbar wieder gefasst.
Draco zuckte die Achseln und bemerkte Harrys Schuluniform, die er auf dem Arm trug. »Du willst auch baden gehen? Willst du mein Wasser benutzen? Ich kann auch gerne wieder mit reinkommen.«
Es gefiel Draco, dass er Potter so leicht aus dem Konzept bringen konnte. Dessen Mund ging einen Spalt breit auf, aber kein Ton kam heraus.
»Baden? Ja. Mit dir? Vielleicht in deinen Träumen«, sagte Harry nach einem Moment, während sich ein selbstgefälliges Grinsen auf seinen Lippen breit machte.
»Seit wann so schlagfertig, Potter?«, fragte Draco, doch Harry antwortete nicht. Eine kühle Brise umwehte ihn, sodass sich eine Gänsehaut auf seiner nackten Haut ausbreitete.
»Ach, Myrte«, seufzte Harry und kniff sich mit Zeige- und Mittelfinger in die Nasenwurzel, als könne er diesen Geist jetzt überhaupt nicht gebrauchen. »Hallo, Harry«, begrüßte Myrte den schwarzhaarigen Jungen mit honigsüßer Stimme.
»Hey, Draco«
Der Angesprochene hob statt einer Antwort nur kurz die Hand und sah den Geist misstrauisch an. »Wie lange bist du schon ihr?«
»Nicht lange«, seufzte Myrte und nun breitete sich ein Lächeln auf ihrem durchscheinenden Gesicht aus. »Aber lange genug. Ich hab dich beobachtet.«
Draco schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. Genau das hatte er sich gedacht. Myrte war im frühen Alter gestorben und nutzte offenbar jede Gelegenheit, einen nackten Jungen beim Baden zu beobachten.
»Oh, nicht schon wieder, oder, Myrte? Ich hab dir doch gesagt, du sollst damit aufhören.«
»Ich weiß«, seufzte Myrte. »Aber er ist so hübsch.« Der Geist des Mädchens zwinkerte Draco eindeutig zweideutig an.
Draco grinste und Harry verdrehte die Augen. Er wurde sich plötzlich wieder peinlich bewusst, dass sein lebendiges Gegenüber nur mit einem Handtuch bekleidet war. »Willst du dir nicht mal was anziehen?«, fragte Harry und räusperte sich. »Wieso denn?«, fragten Draco und Myrte wie aus einem Munde.
»Fühlst du dich vielleicht unwohl, Potter?« Draco sah ihn herausfordernd an, während Myrte im Hintergrund kicherte.
»Keineswegs, Malfoy. Ich dachte nur, es könnte dir vielleicht unangenehm sein.« Harry sah Draco fest in die Augen. Er war sich nicht sicher, wo er das Selbstvertrauen für seine folgende Tat hernahm, aber bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, hatte er es bereits gesagt. »Ich sollte mich wirklich beeilen. Es gibt bald Frühstück und das möchte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Ich hoffe doch, es macht dir nichts aus, wenn ich jetzt baden gehe?« Er nestelte an den Knöpfen seines Pyjama-Oberteils herum und ließ es dann von den Schultern rutschen. Die Pyjamahose saß ziemlich tief und Harry musste Grinsen, als er Dracos Blick sah.
Seine Augen waren ganz groß geworden und sein Blick glitt langsam über Harrys helle Haut. Als er schließlich Harrys Blick bemerkte, zuckte er kaum merklich zusammen.
»Fühlst du dich vielleicht unwohl, Malfoy?«, fragte Harry kokett.
»Ja, klar, Potter. Viel Spaß mit der da.« Draco deutete mit einem Kopfnicken auf die Maulende Myrte, die ihm ihrerseits die Zunge rausstreckte. Dann drehte er sich einfach um, schnappte sich seine Schuluniform und stolzierte aus dem Bad.

Drarry // I won't let goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt