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Harry sprintete den ganzen Weg vom Gryffindorturm zum Krankenflügel, nur um dann vor geschlossenen Türen zum Stehen zu kommen. Er versuchte sie zu öffnen, doch ohne Erfolg; die Tür war und blieb verschlossen. Also hämmerte er, in dem Versuch, Madam Pomfrey aus ihrem Büro zu locken, mit Fäusten dagegen, bis sie schließlich tatsächlich öffnete.

»Mister Potter, kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«, fragte Madam Pomfrey streng, jedoch waren ihre Augen höflich wie immer. »Oder wollen Sie weiterhin meine Patienten zu Tode erschrecken, während ich versuche, sie am Leben zu halten?«

In jeder anderen Situation hätte Harry sich für sein Verhalten entschuldigt, doch seit dem Moment, in dem Ron und Hermine sich zu Harry aufs Bett gesetzt hatten und ihm berichtet hatten, dass Draco blutend in seinem Zimmer gefunden wurde, hatte Harry keine Augen mehr für solch unwichtige Dinge wie Entschuldigungen.

Er hatte Ron und Hermine alles erzählt, was in den letzten Tagen zwischen ihm und Malfoy passiert war. Hermine hatte schon geahnt, dass zwischen den beiden etwas passiert war - wie auch immer sie das geschafft hatte - und hatte Harry fest in die Arme geschlossen, was die Situation für Harry nicht leichter gemacht hatte. Nachdem er die Geschichte beendet hatte, war er losgelaufen ohne Hermine und Ron eines weiteren Blickes zu würdigen.

Wie auch immer, als Harry jetzt im Türrahmen des Krankenflügels stand und Madam Pomfrey ihn abwartend beobachtete, konnte er die Tränen nur mit Mühe zurückhalten.

»Wo ist Draco? Wie geht es ihm? Sagen Sie mir, dass er noch lebt!« Harry hatte erwartet, er würde ihr all diese Worte ins Gesicht brüllen, doch stattdessen kam nur ein heiseres Flüstern heraus.

Madam Pomfrey verstand ihn trotzdem. »Mister Potter, wie wäre es, wenn Sie in ihrem Gemeinschaftsraum bleiben?-«

Harry war sich sicher, sie wollte noch mehr sagen, aber Harry ließ sie nicht. »Nein! Ich muss wissen, wie es ihm geht. Sagen Sie mir, wie es ihm geht-« Seine Stimme brach und eine einzelne Träne quoll unter seinen geschlossenen Lidern hervor. Als er seine Augen wieder öffnete, hatte sich der Ausdruck auf Madam Pomfrey's Gesicht gänzlich geändert, ihre Augen hatten einen weicheren Ton angenommen und blickten den Jungen vor ihr mitleidig an und der strenge Strich, der ihre Lippen bildete, hatte sich in ein trauriges Lächeln verzogen. »Bitte«, fügte er flüsternd hinzu.

Eine Weile blieb es still, bis Madam Pomfrey schließlich sprach: »Wie wäre es, wenn Sie auf eine Tasse Tee mit hereinkommen? Dann können Sie sich beruhigen und ich teile Ihnen den Zustand Mister Malfoy's mit. Ist das ein akzeptabler Kompromiss für Sie, Mister Potter?«

Harry nickte. Was sonst hätte er tun sollen?

Madam Pomfrey lächelte, drehte sich um und ging raschen Schrittes in Richtung ihres Büros. Harry folgte ihr, während er in jedes Bett starrte, an dem er vorbeiging, jedoch konnte er nirgendwo Draco's einzigartig hellen Haarschopf ausmachen, bis er am letzten Bett ankam, das völlig von einem Vorhang versteckt wurde.

»Ist er das? Ist das Draco?« Harry's Stimme war so leise, dass er sich nicht sicher war, ob Madam Pomfrey ihn einfach nicht gehört hatte oder ihn ignorierte.

Sie schloss die Tür ihres Büros hinter ihnen und stellte eine Tasse dampfenden Tees vor Harry ab. »Nun, Mister Potter, dürfte ich womöglich fragen, weshalb Sie ein solches Interesse an dem Gesundheitszustand Ihres Mitschülers zeigen? Ich und meine Kollegen gingen bisher immer davon aus, dass Sie und Mister Malfoy sich... wie soll ich sagen-«

»Dass wir uns am Liebsten umbringen würden? Ja, davon bin ich bisher auch ausgegangen.«

»Und was hat sich geändert?«

»Krieg verändert die Menschen«, murmelte Harry und starrte in seinen Tee, als würde er versuchen, die Zukunft aus seinen nicht sichtbaren Teeblättern zu lesen.

Drarry // I won't let goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt