05.06.2017

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My Dear Jim,

Ich habe eine kleine Hauskakerlake, die ich gefangen habe. Du wolltest schon immer ein Haustier, aber ich hatte Angst du würdest es einfach erschießen, wenn es dich gerade nervt und dich später zu trösten wäre mehr als nervend gewesen. Abgesehen davon, dass du überhaupt keine Verantwortung für Lebewesen übernehmen solltest. Dafür bist du nicht der Typ. Ähnlich wie andere Menschen sich Ameisen halten, habe ich Ginny aufgenommen. Ich habe absolut keine Ahnung ob es ein Mädchen oder ein Junge ist, aber Ginny passt irgendwie.

Die Wohnung ist kalt. Man hat mir den Strom abgestellt und obwohl es draußen länger hell ist und auch etwas wärmer wird fühle ich mich wie in einem Kühlschrank. Angst und Depressionen wirken zusätzlich wie Eiswürfel. Manchmal sitze ich einfach draußen in der Sonne, habe die Augen geschlossen und genieße die Wärme, dann habe ich öfters das Gefühl du beobachtest mich. Manchmal höre ich sogar deine Stimme, doch wenn ich die Augen öffne ist niemand da.

Glaubst du ich werde langsam verrückt? Zumindest ist mir alles egal. Ob ich lebe oder sterbe. Wenn es passiert, dann passiert es eben. Ohne zu schauen einfach über die Straße laufen, ist eine gute Taktik um das Schicksal heraus zu fordern.

Manchmal sieht mein Bad aus wie ein Tatort.

Manchmal bereue ich die Narben.

Manchmal vermisse ich dabei.

Spüre noch dein Messer auf meinen Lenden. Du ritzt mir deine Initialen in die Haut.

Manchmal sehe ich dich noch weinend vor mir mit der Klinge in der Hand.

Der kleine Junge aus Irland. Der kleine Junge, viel zu intelligent für sein Alter. Er sieht seine Ungerechtigkeit. Er sieht den Schmerz.

Manchmal wollte ich dich dafür schlagen.

Manchmal wollte ich dich in den Arm nehmen und mit dir weinen, aber immer wollte ich für dich da sein.

Sebastian

Briefe an JimWo Geschichten leben. Entdecke jetzt