12.11.2017

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My Dear Jim,

Das Jahr neigt sich schnell dem Ende zu. Der Nieselregen gefriert auf den Straßen und man sieht wieder den Atem. Letztes Herbstlaub macht das Autofahrten noch schwieriger. Blaulicht und Sirenen zeichnen meine Nächte. Es fällt mir wieder schwerer nicht an dich zu denken. Das verblassende Bild habe ich umklammert wie ein Ertrinkender und nun lässt es mich nicht mehr los. Es ist das Wechselspiel aus Vermissen und Bedauern, Selbstmitleid und Einsamkeit. Wie eine Bome ticken die Daten an mir vorbei. Wie eine Zeitbome auf deinen Todestag zu.

Ich habe heute John Watson wieder getroffen. Früher haben wir zusammen gedient, heute nicken wir uns verbissen zu. Ob er ahnt, dass ich für dich arbeite? Gearbeitet habe? Wahrscheinlich nicht. Er sieht mitgenommen aus. Ausgelaugt, etwas müde, aber irgendwie auch glücklich. Eine blonde Frau hält seine Hand. Hat Sherlock ersetzt. Ich könnte das nicht.

Frage wie es seiner Schulter geht.
Gut, sagt er.
Fragt mich nach meinem Bein.
Gut, sage ich.
Beim gehen reibe ich mir unbewusst die linke Schulter und er humpelt wieder etwas.
Irgendwie tut es weh. Früher hätten wir unsere Leben für einander geopfert, heute wechseln wir nur oberflächlich Worte. Früher kämpften wir auf der selben Seite, dann waren wir Gegner und nun keine Kämpfer mehr. Wir haben nichts wofür sich das Kämpfen lohnt.
Es wundert mich nicht, dass er humpelt. Der Arme hat sich am Anfang fast übergeben als er meine zerfleischte Haut sah. Nicht nur im Gesicht, auch an den Armen haben die Splitter Spuren hinterlassen. Unser kleiner Doctor war neu, noch nie im Krieg gewesen. Hat mein Bein nie verkraftet. Dafür hat er eine für mich bestimmte Kugel eingesteckt. Meine Schulter tut immer noch weh bei dem Gedanken an den Durchschlag. Er ist tapfer und loyal. Ich vergesse es ihm nie.
Doch so trägt jeder ein wenig das Päckchen des Anderen mit.

Und ich trage deins.

Briefe an JimWo Geschichten leben. Entdecke jetzt