Kapitel 9

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Kapitel 9

Kyle

"Was ist los?", erkundige ich mich, als ich die Tür von Tobias Haus hinter mir schliesse.

Noch bevor mir er mir eine Antwort geben kann, kreuzt mein Blick mit dem von Hermann. Seine dunkelbraunen Augen werden schmäler, während der Dorfwächter mich vom Rande des Tisches beobachtet. Müde und angespannt lehnt er seine Arme gegen das Holz. Die tiefe Wunde auf seiner Wange wird von der Schlacht sein, die vor gut einer Stunde ausgetragen wurde.

"Gerade der soll uns helfen können?", knurrt Hermann und schlägt mit einer Faust auf den Tisch.

Ohne auf seinen Kommentar einzugehen, deutet Tobias auf den Platz gegenüber von ihm.

"Setzt dich, wir haben wichtiges zu besprechen."

Ich lasse mich auf dem Stuhl nieder und sehe von einem der Männer zum anderen. Worum es geht, liegt auf der Hand, das einzige, was mich stört, ist Hermann. Der Kerl hasst uns Neutrale beinahe schon so sehr wie die Dämonen, weshalb ich mir nicht erklären kann, was er hier zu suchen hat.

Als ein Schatten in den kleinen Raum fällt, drehe ich mich zum Fenster um. Die dunkelgrünen Augen eines Dämons sehen uns drohend an, während das Dorf immer mehr vom Schnee bedeckt wird. Hermann wendet langsam seinen Blick vom Dämon ab und starrt an die Wand. Nach einem kurzen Moment des Schweigens entfernt sich der Dämon und lässt das Licht wieder in den Raum. Nervös sieht Hermann nochmals zum Fenster heraus, bevor er seinen Blick über den Tisch schweifen lässt.

"Ihr Kommandant verlangte, dass sich unser Anführer ihm gegenüberstellt."

"Der Kerl, der stets mit erhobenem Kopf behauptete, keine Angst vor den Dämonen zu haben, versteckt sich nun vor ihnen?", gebe ich giftig von mir, während Hermann mich feindlich ins Visier nimmt.

"Wenn du ihren Kommandanten gesehen hättest, würdest du nicht darüber spotten", behauptet er mit drohender Stimme, doch ich lasse mich davon nicht beeinflussen. "Selbst als wir den Kampf aufgegeben haben und sich die ersten ins Dorf zurückgezogen haben, rief er seine Männer nicht zurück. Diese Dämonen töteten ohne mit der Wimper zu zucken."

"Hör auf mit solchen Geschichten. Du Feigling warst bestimmt einer der ersten, welche die Flucht ergriffen haben."

"Lass ihn, Kyle", ergreift Tobias wieder das Wort. "Ich war auch einmal ein Krieger und wenn man ihnen gegenübersteht, überkommen dich Ängste, die du zuvor nicht kanntest."

Angespannt lasse ich mich in den Stuhl zurücksinken und verschränke die Arme. Dass ich dieses Gefühl bestens aus meiner ersten Begegnung mit Shade kenne, behalte ich für mich. Es bringt nichts, wenn wir uns gegenseitig Dinge an den Kopf werfen, während wir handeln könnten.

"Zu deiner Frage", fährt Tobias mit seiner rauen Stimme weiter, "Neutrale und Anhänger des Feuers haben sich oft gegeneinandergestellt. Jetzt, da Dämonen in unser Dorf eingefallen sind, möchte ich, dass wir unsere Wege gemeinsam gehen."

"Wozu?", kritisiert der Dorfwächter sofort seinen Vorschlag. "Um gegen die Dämonen anzukommen brauchen wir militärische Kraft, die auch mit euch nicht ausreichen wird. Das einzige, was wir tun können, ist auf die Verstärkung der Wächter zu warten."

"Wir könnten wenigstens versuchen, mit ihnen zu reden."

Als sich die Blicke der beiden Männer auf mich richten, ziehe ich langsam den Kopf ein.

"Warum ich?", gebe ich verständnislos von mir.

"Du konntest einige Streite im Dorf schlichten, zudem hast du eine Zeit lang mit Dämonen gelebt", redet Tobias weiter auf mich ein. "Ich wüsste keinen, der besser geeignet wäre als du."

Nachdenklich drehe ich mich zum Fenster um. Schon so oft habe ich mir geschworen, mich aus dem Krieg herauszuhalten und mich auch nicht wieder hineinziehen zu lassen. Seit ich aber das erste Mal den Mund geöffnet und für die Neutralen gesprochen habe, gerate ich immer wieder in solche Situationen. Ich möchte den Krieg gerne friedlich beenden können, aber jedes Mal, wenn ich mich für etwas einsetze, wird es für mich nur noch schlimmer. Trotzdem lässt mich der Gedanke nicht in Ruhe, diesen Streit friedlich lösen zu können. Ich kenne und verstehe die Dämonen, vielleicht kann ich wirklich etwas bewirken.

"Na gut", gebe ich mich geschlagen und wende mich den anderen beiden wieder zu. "Aber was soll ich ihnen den erzählen?"

"Mach dir keine zu grossen Gedanken, du schaffst das schon", meint Tobias und betrachtet Hermann ernst. "Kannst du auch hinter diesem Entscheid stehen?"

"Soll er doch", antwortet er teilnahmslos. "Im Moment können wir sowieso nicht mehr tun."



Die Elemente des Lebens - Flammen der RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt