Kapitel 7

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Kapitel 7

Enya

Aufgeregt öffne ich die Tür des Schranks und nehme meinen Bogen und meinen Köcher heraus. Nicht weit von unserem Dorf hat man bewaffnete Dämonen entdeckt, ihr Ziel ist klar. Erst vor ein paar Momenten hörte ich die Aufforderung, dass jeder, der fähig ist das Dorf zu verteidigen, dies auch tun soll. Nur gemeinsam können wir die Dämonen besiegen und dieses Mal werde ich mir den Kampf nicht entgehen lassen. Es hiess, dass jeder gebraucht wird, deswegen spielt es keine Rolle, welches Geschlecht ich habe. Beim Gedanken, zum ersten Mal in die Schlacht zu ziehen, kommt ein mulmiges Gefühl auf, doch dieses wird mich nicht aufhalten können.

Gerade als ich die Schranktür wieder schliessen will, entdecke ich die hellbraune Jacke meines Bruders und vergesse für einen Augenblick meinem Kampfdrang. Er trug sie immer, wenn wir gemeinsam jagten, während er davon träumte, einmal ein grosser Krieger zu werden. Einen Gedanken, den wir teilten und nun ziehe ich allein in die Schlacht. Es wäre einfacher, wenn Nathaniel noch an meiner Seite stünde, aber er musste die Seiten wechseln. Und wofür? Um einem Volk anzugehören, das seine alte Heimat, seine Familie vernichten will.

Trotz der aufkommenden Wut nehme ich die Jacke vom Hacken und schlüpfe hinein, damit ich etwas von dem Nathaniel habe, denn ich kenne. Mit der Wärme kommt auch die Zuversicht zurück. Schnell lege ich mir den Köcher über die Schulter und greife nach dem Bogen, als jemand hinter mir die Tür aufreisst. Mit verwirrtem Blick sieht mich mein Vater an, schüttelt dann zornig den Kopf.

"Du wirst nicht in diesen Kampf ziehen", bestimmt er und nimmt selbst einen Bogen aus dem Schrank.

"Jeder, der dazu in der Lage ist, das Dorf zu verteidigen ..."

"Diese Angelegenheit geht eine junge Frau wie dich nichts an."

"Was ist mit dir?", gebe ich wütend zurück, während ich ihm zur Tür folge. "Seit du dich in einer Schlacht verletzt hast, kannst du kaum noch richtig gehen."

"Zum letzten Mal: Das ist nicht dein Kampf und du bleibst hier!"

Während Vater das Haus verlässt, bleibe ich am Türrahmen stehen. Am Zaun, der unser Heim umrundet, lehnt Kyle und scheint völlig fehl am Platz zu sein. Die Welt um ihn herum gerät immer mehr in Aufregung, er steht aber seelenruhig da und betrachtet das Geschehen.

"Was treibst du noch hier?", fährt ihn Vater zornig an, doch Kyle lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

"Das ist nicht mein Kampf."

"Dann sorge dafür, dass Enya hierbleibt."

Wortlos sehen wir Vater hinterher, bis er zwischen den verängstigten Menschen verschwindet. Noch immer aufgebracht stelle ich mich neben Kyle und tausche einen kurzen Blick mit ihm. Auch wenn er äusserlich gleichgültig und teilnahmslos wirkt, macht ihm das Ganze ziemlich zu schaffen. Noch konnten die Dämonen den Kampf nicht für sich entscheiden, von hier aus lässt sich das aber nur sehr schwer abschätzen.

Mir kommt es vor, als stände ich schon eine Ewigkeit neben Kyle, während meine Sorgen immer grösser werden. Das Gefühl tatenlos zuzusehen lässt meine Entschlossenheit, in den Kampf zu ziehen, wieder wachsen, bis ich den Entscheid fälle, diesen Schritt zu wagen. Ich war allein in einem Rekrutenlager des Luftreiches und konnte dem Tod entgehen. Vater weiss einfach nicht, wozu ich in der Lage bin.

Nach den ersten Schritten spüre ich ein Ziehen an meinem Jackenärmel. Als ich versuche, es loszuwerden, packt mich Kyle um die Hüfte.

"Lass mich los!", fauche ich ihn an und versuche, mich aus seinem Griff zu befreien.

"Enya, ihr habt keine Chance, die Dämonen zu besiegen. Warum sollte ich also zulassen, dass du für eine aussichtslose Situation dein Leben opferst?"

Den Tränen nahe höre ich auf, mich zu wehren und lasse mich von Kyle an sich ziehen.

"Warum gerade wir?", flüstere ich ihm mit schwacher Stimme zu.

"Ich weiss es nicht", antwortet er bekümmert, als er seinen Kopf auf meine Schulter legt. "Ich weiss es nicht."





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