Kapitel V

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V. Tag

Jiran schlug die Augen auf. Heute war sein freier Tag, sodass er beruhigt noch ein wenig vor sich hin dösen konnte, ehe er aufstand. Irgendwann raffte er sich dann auf und stieg aus dem Bett. Sein Magen knurrte ganz fürchterlich, deshalb schlurfte er verschlafen in die Küche und machte sich was zu essen. Danach trieb er sich die Verschlafenheit aus den Haaren und ordnete sie halbwegs vor dem Spiegel. Er überlegte dabei, was er heute machen wollte. So einen ganzen freien Tag lang.  

Normalerweise war er immer mit seinem Bruder an diesen Tagen zu den Übungsplätzen der Solda-ten gegangen. Dort hatte er, sofern ein Platz frei gewesen war, auch auf die sich bewegenden Puppen schießen können. Aber sein Bruder war nicht da. Und er bezweifelte, dass ihn die Wachen einlassen würden. Alleine. Außerdem war da noch was anderes, warum er nicht aus dem Haus gehen wollte. Er erinnerte sich nämlich wieder an den Vorfall mit Ilena bei den Übungsplätzen. Seine schlechte Laune kehrte zurück. Er traute sich nicht, nach draußen zu gehen. Er wollte nicht noch einmal in eine solche Situation kommen. Niemanden wollte er Litan noch einmal ausliefern. Auch wenn Jiran das gestern nicht wirklich absichtlich getan hatte und er eigentlich die Schuld Litan in die Schuhe schieben wollte, was aber nicht so gut funktionierte.  

Früher oder später allerdings musste er das Haus wieder verlassen. Schon allein wegen dem Treffen mit Ilena. Er hatte sich gestern schließlich versprochen, sich bei ihr zu entschuldigen. Dafür musste er entweder zu ihrem Treffen, oder er besuchte sie zu Hause. Nur wusste er gar nicht, wo sie überhaupt wohnte. Außerdem wollte er Jatar noch wegen dem Autoren seines kleinen Büchleins ausfragen. Er konnte sich demnach nicht verkriechen, obwohl das Wetter dazu wie geschaffen war. 

Regen. Das Wetter passte perfekt zu seiner Laune. Einen Vorteil hatte der Regen, denn Litan würde er wohl nicht auf der Straße treffen. Außer vielleicht durch einen bösen Zufall. Er hatte hoffentlich besseres zu tun, als ihm im Regen auf der Straße aufzuwarten. Trotzdem hoffte er, dass der Regen bis zum Abend aufhörte. Er hatte nämlich keine Lust pitschnass zu werden, wenn er mit Ilena zusammen trainierte. Vorausgesetzt sie kam. Er konnte es gut verstehen, sollte sie nicht auftauchen. 

Aufheitern konnten ihn meist zwei Dinge und die benötigte er nun dringend, die Aufheiterung. Schreiben oder Lesen. Beides hatte er schon immer sehr gerne getan. Er trat an den Schreibtisch heran. Er nahm das alte Buch, aber schmiss es, nach kurzem Überlegen, wieder auf den Tisch zurück. So sollte er eigentlich nicht mit dem alten und zerbrechlichen Buch umgehen. Seine schlechte Laune verdarb ihm sogar seine Lieblingsbeschäftigungen.  

Seine Laune besserte sich auch meistens, wenn er in die Bibliothek ging. Und nachdem er sowieso irgendwann nach draußen musste und er Jatar auch noch wegen Ilandil fragen wollte, beschloss er, die Bibliothek aufzusuchen.

Er schlug sich die Kapuze seines Gewandes über den Kopf, um den Regen abzuhalten. Der Weg bis zur Bibliothek war glücklicherweise nicht sehr weit, sodass seine Kleidung nicht allzu nass wurde, bis er sie erreichte. Jatars kleines Studierzimmer war gleich links neben der Eingangstür. Die Tür dazu stand offen, also warf er einen Blick hinein. Aber Jatar hielt sich nicht dort auf. Er war vermutlich irgendwo in der Bibliothek. Jiran hatte leider gar keine Lust, jetzt in der großen Bibliothek nach Jatar zu suchen, so wie er heute auf so gut wie nichts Lust hatte. Nur wegen der paar Fragen, die er ihm stellen wollte. Er setzte sich auf den Stuhl vor den Schreibtisch und begann zu warten. Nach einer ganzen Weile, aber wurde es ihm langweilig und er besah sich die Dinge, die auf Jatars Tisch lagen, etwas genauer.  

Da lag noch immer das Buch, an dem Jatar auch schon bei Jirans letztem Besuch gearbeitet hatte und daneben das neue Buch, in das Jatar das Alte übertrug. Da stand etwas von verschiedenen Pflanzen geschrieben. Vermutlich ein Naturbuch oder etwas in der Art. Er legte den Daumen in die Stelle, die aufgeschlagen war und klappte das Buch zu. Er sah sich in seinem Verdacht bestätigt.  

Der Blutschrein [1] - Die EntführungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt