Kapitel VII

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VII. Tag

Die Sonne schickte zögerlich ihre ersten Strahlen durch das einzige Fenster des kleinen Raumes. Das Zimmer hatte einfache Wände aus Holz und in ihm standen lediglich ein Bett und eine niedrige Kommode. Natürlich war da noch eine Tür und das Fenster, durch das die Sonne soeben schien. 

Jiran regte sich. Er lag auf dem Bett, zugedeckt von einem dünnen weißen Laken. Er wachte schließlich ganz auf und öffnete die Augen. Die Luft roch nach Holz. Er fühlte sich immer noch ein wenig erschöpft, aber viel besser als gestern Abend. Er setzte sich auf. Die Sonne schien ihm warm ins Gesicht. Ihm ging es erstaunlich gut dafür, dass er ein Gefangener der Nachtelfen war. So ganz verstand er die ganze Sache aber nicht. Er hatte keine Ahnung warum sie ihn nicht einfach getötet hatten. Entweder hatte er riesiges Glück, oder es hatte andere Gründe, die er nicht kannte.  

Er hatte nicht seine eigene Kleidung an, wie er bemerkte, als er das Laken zurückschlug und auf-stand. Er trug ein einfaches kurzes Leinenhemd und eine ebenfalls kurze Hose dazu. Die Wut regte sich in seinem Innern. Sie war noch da. Aber von ihr würde er sich nicht ein weiteres Mal hinreißen lassen, etwas Dummes zu unternehmen, wie, den Nachtelf in der Nithilrüstung zu beleidigen. Deshalb wollte er von jetzt an seinen Verstand benutzen. Er wollte auf die richtige Gelegenheit zur Flucht warten und vielleicht etwas nachhelfen, wenn das ging. Nichts überstürzen. Zeit hatte er. Oder auch nicht. Er wusste ja nicht, was die Nachtelfen mit ihm vorhatten.  

Er lief zur Tür, er drückte die kupferne Klinke runter. Verschlossen. Enttäuschte setzt er sich zurück auf seine Bettkante. Er sah zum Fenster hinaus. Steile Hänge erhoben sich davor. Teilweise waren sie bewaldet und die höchsten hatte felsige Spitzen. Er war in den Bergen? Das einzige große Gebirge, das er kannte, war das Fremdgebirge. Wenn es stimmte und er wirklich im Fremdgebirge war, dann hatten sie gestern ein ganz schönes Stück Weg zurückgelegt. Wahrscheinlich war hier das Versteck der Nachtelfen. Es war eines, das sicher gut taugte, denn in das Fremdgebirge kamen nur selten Soldaten.  

Der Tag versprach genauso schön zu werden, wie der vorige. Jedenfalls bezüglich des Wetters. Wäre Jiran jetzt zuhause, so würde er sich auf eine Wiese legen. In der Sonne liegen und vielleicht ein bisschen was schreiben. Dort würde er jetzt gerne sein. Zuhause. Er würde sich sogar von Litan ärgern lassen, wenn er danach wieder seine Ruhe hatte. Das war alles besser, als hier ein Gefangener der Nachtelfen mit ungewisser Zukunft zu sein. Er seufzte.  

Wie er so durch das Fenster starrte, kam ihm eine Idee. Er lief zum Fenster. Er suchte den ganzen Rahmen nach einem Schalter oder Hebel ab, um das Fenster zu öffnen. Finden aber konnte er nichts. Wäre zu schön gewesen. Im Schloss der Tür klackte es, als würde sie aufgeschlossen. Er drehte sich um, blieb aber am Fenster stehen. Die Klinke wurde runter gedrückt. Die Tür öffnete sich langsam, knar-zend. 

Ein Nachtelf kam zum Vorschein und hinter ihm betrat ein zweiter ebenfalls das Zimmer. Dieser schloss die Tür wieder. Beide blieben vor der Tür, wie zwei Wächter stehen und blickten zu Jiran.  

Den, der die Tür geschlossen hatte, kannte Jiran. Er hatte ihn nicht gleich erkannt, da er seine Nit-hilrüstung nicht trug, aber es war der Anführer der Nachtelfen, die ihn gefangen genommen hatten. Der erste Nachtelf hatte scharfe Gesichtszüge und einfache Kleidung, die der von Jiran sehr ähnelte. Ganz im Gegensatz zur Kleidung des andere Nachtelfen. Er trug statt seiner Nithilrüstung teure Kleidung, die reich mit Perlen verziert war. Der erste Nachtelf musterte ihn eindringlich. 

„Dieses Fenster kann man nicht öffnen. Du brauchst es also gar nicht erst versuchen.", begann der Anführer-Nachtelf. 

„Ich bin Alantir.", stellte der andere Nachtelf sich mit schroffer Stimme vor. „Und das ..." Er zeigte auf den anderen Nachtelfen. „... ist Faranir. Sein Clan hat dich gefangen genommen." 

Der Blutschrein [1] - Die EntführungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt