Kapitel VIII

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VIII. Tag

Der nächste Tag begann mit einem lauten Rumpeln. Noch halb im Schlaf, versuchte Jiran sich aufzusetzen. Ein schwacher Lichtschein drang in sein Bewusstsein, obwohl seine Augen noch immer fast geschlossen waren. Sein Name wurde gerufen. Die Sprossen knarzten. Jemand stieg sie hinunter. Schritte die immer näher kamen und dann seine Schulter, die gerüttelt wurde. Langsam hob er seine schweren Augenlieder höher und er konnte den Schmied erkennen, der ungeduldig noch einmal an seiner Schulter rüttelte. Jiran rappelte sich auf. Er rieb sich verschlafen die Augen. Er hatte doch noch gut geschlafen, aber zu kurz. Es lohnte sich jedenfalls, zeitig schlafen zu gehen, denn er war hundemüde. Jeder Tag, der schon mit Müdigkeit begann, den konnte man gleich abschreiben. Seine Stimmung war nicht gerade die beste, als er dem Schmied aus dem Keller folgte, hinein in die Schmiede. Die beiden Gesellen waren auch schon da und warteten auf die Anweisungen ihres Meisters. Jiran wurde wieder das Schleifen zugeteilt. Er sollte alle restlichen Schleifarbeiten heute erledigen. Wenig war das nicht und seiner momentanen Laune nach hatte er so gar keine Lust auf so einen langweiligen Mist. Andererseits er durfte sich nicht hinreißen lassen. Das letzte, was er jetzt noch gebrauchen konnte, war noch mehr Ärger mit den Nachtelfen. Also widmete er sich den stumpfen Klingen und achtete darauf, nicht bei dem monotonen hin und her einzunicken.

Der Vormittag verging. Spannend war er nicht. Nur zermürbend. Das Mittagessen brachte das Mädchen mit den blonden Haaren. Vermutlich eine Tochter des Schmiedes. Er musste wieder an Ilena denken. Vielleicht war sie wirklich in Gefahr. Aber selbst wenn, dann wagte er zu bezweifeln, dass er ihr helfen könnte. Sein Verstand lahmte und so machte er sich keine Gedanken mehr darüber. Er konnte nichts daran ändern. Vorerst musste er an sich selbst denken, denn sein ganzes Leben so zu verbringen... Nein, das wollte er nicht! Aber wie er sich aus den Fängen der Nachtelfen herauswinden konnte, wusste er auch nicht. Aber auch das hatte Zeit. Am liebsten würde er jetzt einfach wieder einschlafen, die Augen schließen und dann in seinem gemütlichen, warmen Bett aufwachen und feststellen, dass das Ganze nur ein böser Traum gewesen war. Magie wäre jetzt nützlich. 

Er seufzte tief und nahm sich seinen Becher und die Schüssel. Genau die gleiche Brühe wie gestern und dazu denselben Saft. Wenigstens war der Saft eine Bereicherung. Und diesmal wagte er es sogar zu fragen.  

„Was ist das für ein Saft?", fragte er den Schmied und tippte gegen seinen Becher.  

Der Schmied bemerkte erst nicht, dass er eine Frage gestellt hatte, antwortete dann aber doch.  

„Géélasaft. Aus Géélae versteht sich."  

Géélasaft? Dann war Gééla also eine Frucht. Ein Géélaholzbogen und ein Saft aus Géélae. Nicht weit von hier musste sich eine ganze Menge Géélabäume finden. Der Saft war sicher auch teuer, denn einen solchen hatte er noch nie getrunken. Bei der Seltenheit, des Géélabaumes, war das aber auch kein Wunder. Scheinbar aber brauchten die Nachtelfen nicht viel Geld für eine solche gute Waffe oder einen solch süßen Saft. Sie hatten wohl einen ganzen Hain Géélabäume vor ihrer Nase. Fragte sich bloß, wo der zu finden war. Aber voraussichtlich entkam er den Nachtelfen erst einmal nicht, weshalb er auch nicht danach suchen konnte. Das blonde Mädchen holte das Tablett mit den leeren Bechern und Schüsseln wieder ab.  

Danach nahm die Arbeit wieder ihren Lauf. Es dauerte nicht lange und die ersten Kunden suchten die Schmiede auf. Das war das schlimmste an dem ganzen miesen Tag. Das harmloseste war ein böser Blick oder ein schlimmes Wort, das die Kunden Jiran zuwarfen. Er beherrschte sich und hielt seinen Blick gesenkt und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Und die schlimmeren Dinge ... die ließen ihn sich wünschen, er könnte ihnen so richtig eine verpassen. Das wäre dann aber nicht gut ausgegangen, zumal er Schwerter neben sich liegen hatte. Und dass diese stumpf waren, war nicht von Belang, wenn man wütend war. Er riss sich zusammen und dachte sich jedes Mal, es sei das letzte Mal, der letzte Kunde, aber jedes Mal wurde er von neuem enttäuscht.  

Der Blutschrein [1] - Die EntführungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt