Kapitel XII

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XII. Tag

Ein Geräusch war zu hören. Nur kurz und dann hatten sie mich schon aus meinem Loch geholt und standen schwarz und riesig vor mir. Zitternd vor Angst blickte ich in ihre verzerrten, schwarzen Gesichter. Eine grausam kalte Stimme drang aus dem schwarzen Gesicht eines der Nachtelfen.  

„Hi, hi!", kicherte sie irre, „Haben wir dich gefunden, mein kleines Elfchen. Das ist dein Ende! Hi, hi!" 

Die Nachtelfen schienen zu wachsen oder ich schrumpfte einfach nur. Mit weit aufgerissenen Augen und gelähmt vor Angst und Schrecken saß ich nun da. Plötzlich verzerrte sich die Landschaft.  

„Komm! Hi, hi!", rief die Stimme mit Hohn.  

Blitzschnell griff der Nachtelf mit seinen schwarzen Fingern nach mir. Sie griffen durch mich hin-durch nach meinem pochenden Herzen, das jetzt noch schneller schlug. Seine Finger schlossen sich darum und grausame Kälte durchfuhr mich. Mein Herz drohte stehen zu bleiben. Ich schnappte ver-zweifelt nach Luft, als ob das helfen würde. Der Schweiß brach mir aus allen Poren und mir wurde schlagartig heiß und kalt. Ich zuckte mit den Beinen und Armen. Ich versuchte mich zu befreien.  

Mein Herz pochte wieder, aber mit einer enormen Geschwindigkeit. Die Finger und die Kälte zogen sich zurück. Der Nachtelf lachte mit seiner kalten Stimme und seine Gefährten stimmten mit ein. Die Gestalten verzogen sich noch während des Lachens. Dann plötzlich waren sie wieder da und griffen zu viert nach seinem Herzen. Die Kälte dehnte sich noch schneller aus.  

„Nein!", schrie ich und wachte auf.

Schlagartig setzte er sich auf. Er atmete tief durch und fühlte sein Herz, das ihm förmlich aus seiner Brust springen wollte. Er rieb sich die Augen. Um ihn herum war alles ruhig, er brauchte sich vor nichts zu fürchten. Beruhigt legte er sich wieder hin. Aber dann hörte er doch etwas. Nochmals setzte er sich auf. Niemand konnte sich vorstellen, wie sehr er sich wünschte, einfach zuhause zu sein. Er blickte sich in der Höhle um. Aber auch jetzt bewegte sich nichts. Er konnte nochmal ein Schaben oder etwas Ähnliches hören. Diesmal aber lauter und vom Eingang. Der Bewohner kam zurück, war sein erster Gedanke, der sich auch bestätigte.  

Was ihn dort erwartete, war fast so wie in seinen Träumen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und zitternd wich er in den hinteren Teil des Lochs. Leise schlich sich eine große Katze in das Loch. Sie setzte bedächtig eine Tatze vor die andere, während sie drohend knurrte. Sie fletschte die Zähne und mit einem kräftigen Sprung stürzte sie sich auf Jiran. Die Höhle war plötzlich riesig, denn sonst hätte die Katze gar nicht springen können und Jiran wachte zum wiederholten Male auf.

Erschrocken schlug er die Augen auf. Vor ihm lag eine Raubkatze. Jiran sprang auf und stieß sich den Kopf an der Höhlendecke. Aber die Katze war längst tot. Er schüttelte die Erde aus seinen Haaren und bemerkte, noch bevor er die Katze genauer betrachten konnte, einen Elf, der gemütlich an einem kleinen Feuer saß, das Jiran bis jetzt nicht bemerkt hatte. Der Elf betrachtete Jiran aufmerksam und Jiran tat es ihm gleich. Jiran war sich nicht sicher, ob er weglaufen sollte oder nicht. Es war ein Elf, warum sollte er vor einem seines Volkes Angst haben? Andererseits war er sich nicht mehr so sicher, in allem. Er war vorsichtig geworden und schmiss nicht mit Vertrauen um sich. Der Elf aber hätte ihn schon töten können, als er noch geschlafen hatte. Jiran ließ sich an der Erdwand hinunter gleiten und schlang seine Arme um seine Knie. Er blickte verstohlen zu der Katze, aber sie war tot, was an dem vielen Blut deutlich zu erkennen war.  

Der Elf legte Holz in das Feuer nach, worauf es zu knistern begann. Er hatte lange, schwarze Haare, wie es unter Elfen üblich war. In sie eingeflochten waren Perlen und kleine Ringe. Arm war der Elf also nicht, was die Frage aufwarf, warum er soweit draußen in der Wildnis war. Seine Kleidung war dreckverkrustet und bestand lediglich aus einem Hemd, einer Hose und einem Gürtel, der alles zusammenhielt. An dem Gürtel hingen einige Messer und ein langes Schwert. Einen Bogen hatte er neben sich liegen und den dazugehörigen Köcher auf dem Rücken. Jiran bezweifelte, dass er abhauen könnte, wenn der Elf es nicht wollte. Außerdem hatte er noch eine Ledertasche auf den Boden gelegt. Es war eine Jägertasche, das erkannte Jiran sofort. Aber für einen Jäger war er eindeutig zu gut ausgestattet und sah zu reich aus. Für gewöhnlich reichte ein Messer und ein Bogen zum Jagen. Die Raubkatze brachte Jiran auf einen anderen Gedanken. Er hatte auch schon von Jägern gehört, die Wildkatzen jagten. Was er auf jeden Fall wusste war, dass solch ein Fell und das Fleisch teuer waren. Was die Bewaffnung anging, war er sich nicht so sicher, aber es konnte durchaus sein, dass man als Katzenjäger viele Waffen brauchte. 

Der Blutschrein [1] - Die EntführungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt