Aus kleinen Missverständnissen gegenüber der Wirklichkeit zimmern wir uns Glaubensvorstellungen und Hoffnungen zurecht und leben von den Brotrinden, die wir Kuchen nennen, wie arme Kinder, die Glücklichsein spielen.
- Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe
Bleiern schwer lag die Stille zwischen den Geschwistern. Mehrfach versuchte Ginny zu begreifen, was Ron angedeutet hatte, was Madame Pomfrey nur vor wenigen Minuten gesagt hatte, doch so sehr sie es auch versuchte, sie konnte es nicht glauben. Es war unmöglich, es konnte schlicht nicht sein.
Entschlossen ging Ginny auf die Tür zum Krankenflügel zu, sie brauchte Gewissheit.
»Was machst du da, Madame Pomfrey hat uns doch gesagt wir dürfen da nicht rein?«, kam Rons Einwand.
»Siehst du sie hier vielleicht irgendwo?«, raunzte sie ihn an und öffnete die Tür entgegen seinem Protest ein kleines Stück.
»Nein, sie wird wohl unten in der großen Halle sein bei den anderen.«, erwiderte er nur schwach.
Der Angriff auf Hogwarts hatte zu unzähligen Verletzten geführt, dass man sie gleich in der großen Halle versorgte. Die Krankenstation war bis auf Harry verwaist, nachdem bekannt wurde, dass er Voldemort besiegt hatte, war es McGonagall gewesen, die auf eine eindringliche Untersuchung von Harry bestanden hatte. Fern von anderen, damit er zur Ruhe kommen konnte, sie wusste zu gut was ihn in den nächsten Tagen und Wochen erwarten würde.
Vor 17 Jahren wurde Harry, noch als Baby, zu einem Helden gemacht, kaum auszudenken was jetzt, da Voldemort für immer besiegt war, auf ihn einbrechen könnte.
»Kommst du oder was?« Ohne auf eine Antwort zu warten ging sie weiter.
Ron hatte die vergangenen Monate zahlreiche Regeln gebrochen und doch war es unbehaglich zu Mute, gegen eine klare Anweisung von Madame Pomfrey zu verstoßen.
Etliche Betten waren links und rechts von Ginny verwaist, aber dafür hatte sie im Moment kein Auge. Ihre Aufmerksamkeit hatte stattdessen das Paar, was wie selbstverständlich eng umschlungen am anderen Ende der Station stand. Schon von Weitem konnte Ginny Hermione ununterbrochen reden hören.
Immer wieder löste die braunhaarige junge Frau die Umarmung und schien Harry zu begutachten nur um ihn wieder fest an sich zu drücken.
»Hermione, mir geht es gut, wirklich.«, unterbrach Harry sie amüsiert.
»Ich bin nur so froh, dass du am Leben bist.«, hörte Ginny sie entschuldigend sagen.
»Harry.«, mehr kam Ginny nicht über die Lippen.
Sie war viel zu sehr aufgewühlt ihn endlich zu sehen. Hermione ließ von Harry ab, als sie Ginny und weiter hinten Ron stehen sah.
Willkürlich wanderte Ginnys Blick von Harrys Gesicht hinab zu seinen Händen, doch waren sie entweder zu dreckig oder von Hermiones rechten Hand verdeckt. Dafür konnte sie es an Hermiones linken Hand glitzern sehen.
Es war offensichtlich, dass ihr nicht entgangen war wie Ginny und Ron sie beide anstarrten. Es war längst zu spät, dennoch zog sie ihre linke Hand aus dem direkten Blickfeld weg. Hoffte vielleicht, dass sie nicht die richtigen Schlüsse zogen.
»Ginny.«, sagte Harry überrascht, machte aber keine Anstalten ihr näher zu kommen.
»Also stimmt es?« Es war eine rhetorische Frage, da sie es nicht nur am Ring sehen konnte, sondern es an den Gesichtern ablesen konnte.
Wortlos sahen sich Harry und Hermione an, dann drehte sie sich von ihm ab und Ginny den Rücken zu.
»Ich versteh es nicht, liebst du sie, Harry?« Erstaunlich gefasst blieb Ginny, nur ihre Augen verrieten, was wirklich in ihr vorging.
In tausend Scherben zerbrach ihr Herz bei dem Gedanken, dass ihr Harry sich in eine andere verliebt hatte, während sie hier in Hogwarts auf ein Wiedersehen gehofft, ja, darum gebetet hatte. Aber dann ausgerechnet in Hermione, jenen Frau, der sie ihr über Jahre all ihre Träume erzählt hatte. Eigentlich, im Nachhinein, hätte sie es befürchten müssen Hermione war mit Harry viel zu vertraut, es ging über normale freundschaftliche Beziehung weit hinaus.
»Moment, ihr seid wirklich miteinander verheiratet?« Meldete sich Ron zu Wort, dem entsetzen wich bald Wut.
Demonstrativ hob Harry seine linke Hand, obwohl sie dreckig war, konnte man einen goldenen Ring schimmern sehn.
»Ihr habt was miteinander am Laufen, heiratet und sagt mir von alle dem Nichts?« Rons Stimme wurde immer lauter.
»Ron!«, unterbrach Hermione ihn laut.
»Was? Du hast mit mir monatelang gespielt, kaum bin ich weg, heiratest du meinen besten Freund.«, schrie er sie an und kam immer näher.
»Sie ist nicht in mich verliebt, genauso wenig wie ich in sie.«, sagte Harry hitzig.
»Aber -« Ginny verstand nun gar nichts mehr.
»Wir waren verzweifelt - »
»Dachten nicht, dass wir überleben.« Nahezu gleichzeitig versuchten Harry und Hermione es zu erklären.
Schweigen setzte ein und alle sahen sich reih um an.
»Oh.«, huschte Ron über die Lippen, ihm dämmerte, dass er nicht ganz unschuldig war.
»Harry, aber gleich Heiraten, ich verstehe dich, euch nicht.« Abwechselnd sah Ginny von Harry zu Hermione herüber.
»Ich wollte nicht sterben, ohne jemals eine wirkliche Familie gehabt zu haben und Hermione, » begann Harry und nahm Hermione bei der Hand, »hat mir diesen Wunsch erfüllt.«
Ginny öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Harry ließ sie nicht zu Wort kommen.
»Und, nein, ich bereue es nicht, niemals.«
»Wir können uns sicherlich wieder scheiden lassen.«, sagte Hermione leise.
Ginny lachte, zu Harrys Verwunderung, fast hysterisch bei diesen Worten während Ron fragend zu Hermione sah, als hätte sie etwas in einer anderen Sprache gesagt.
»Scheiden?« Verstand Ron nicht.
»Unfassbar.«, rief Ginny aus, »Scheidung, wie es bei Mugglen üblich ist, gibt es bei uns nicht. Wenn wir Heiraten, dann für immer. Ich glaub es nicht, dass ihr das nicht wisst. Oder kennt ihr nur einen einzigen Zauberer oder Hexe, in Scheidung lebend?«
»Aber da gibt es -«
»Nein, du verstehst es nicht, Hermione. Es gibt kein Zurück -«
»Doch gibt es.«, unterbrach Ron mit einem hoffnungsvollen Gesichtsausdruck seine Schwester, »Wenn die Heirat nicht vollzogen wurde.«
Ein kleines Geheimnis, was weder Harry noch Hermione ihnen je erzählen wollten, war kurz davor gelüftet zu werden. Hilflos sah Harry zu Hermione, der die Schamesröte im Gesicht stand. Er konnte sich noch allzu gut daran erinnern, wie sie die Nacht vor Monaten verbracht hatten, wie sie sich berührt hatten.
DU LIEST GERADE
Verzweiflungstat
FanfictionÜberleben ist unwahrscheinlich. Sie sind alleine, bar jeder Hoffnung und wollen sich nur den einen Wunsch erfüllen, doch was ist wenn sie doch überleben, es doch ein Happy End gibt?