EXTRA 4: Liebe ohne Hoffnung

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Helena war nicht die hilflose Geisel geblieben, die ich mir gewünscht hatte. Um ehrlich zu sein, ging sie mir mit ihrem Vorhaben mich zu „retten", was sie sich in ihren Dickschädel gesetzt zu haben schien, mächtig auf die Nerven. Gleichzeitig beeindruckte mich ihr Wille aber auch und ich hatte angefangen, mich in ihrer Gegenwart wohl zu fühlen. Ich Idiot. Gefühle würden meinen Plänen nur im Weg stehen. Ich könnte Helena nicht glücklich machen. Ich konnte ihr nicht geben, was sie verdiente. Aber weil sie mir leidtat und ich ihrer hirnrissigen Idee einen Hund zu adoptieren folge geleistet hatte, und dieser nun mal Auslauf brauchte, war ich mit ihr an diesem schönen Tag ins Waldfreibad eingebrochen. Zu allem Überfluss hatte sie ein altes Video von meinen schrecklichen Taten gefunden. Jetzt wusste sie, wie ich wirklich war. Sie wusste, was ich Anna angetan hatte. Erschreckenderweise schien sie das jedoch nicht von mir fernzuhalten. Das Mädchen war vollkommen verrückt!

Hier standen wir nun im eiskalten Wasser des Waldschwimmbades. Helena saß auf meinen Hüften und ich hatte sie dicht an mich herangezogen. Sie war so warm und weich, ihre Haut so zart. Die Enden ihrer lockigen Haare waren Nass und klebten auf ihren Schultern. Sie hatte ihr Kleid angelassen, welches sich oben eng an ihren Körper schmiegte und unten im Wasser wie eine Wolke schwebte. Ihr Gesicht war meinem ganz nah und ihr Blick war intensiv. Sie musterte mein Gesicht vollkommen fasziniert, während ihre Wangen zunehmend rot wurden. Ihre vollen Lippen waren leicht geöffnet und zogen meinen Blick magisch an. Warum war sie auch so niedlich? Sie war Gift für einen bösen Jungen wie mich. Vielleicht konnte ich ja wenigstens einen kleinen Bissen von dem verbotenen Apfel nehmen, nur mal testen, wie ihre Lippen schmeckten. Waren sie so weich wie ich sie mir vorstellte? Mein Herz schlug ungewöhnlich heftig in meiner Brust. Was zum Teufel sollte das? Sie schloss die Augen. Oh mein Gott, sie wollte es! Sie wollte, dass ich sie küsse. Gut, das hatte sie vorher auch schon gewollt, aber das hier war anders. Jetzt war es kein Spiel, um sie zu verunsichern. Nun war ich selbst verunsichert. Scheiße, was sollte ich tun?

„Hey ihr da! Was macht ihr hier?", ließ uns die Stimme des Schwimmbadwärters zusammenfahren. Wir trennten uns ertappt voneinander. Super. Den hatten wir gerade noch gebraucht. Jetzt hieß es Beine in die Hand nehmen und rennen und ich hoffte inständig, dass Helena das auch tun würde. Nicht, dass sie auf die irrsinnige Idee kam, sich vor dem Wärter rechtfertigen zu wollen.

„Schnell weg", rief Helena jedoch all meinen Befürchtungen zum Trotz und wir hechteten aus dem Wasser. Eilige sammelte ich meine Sachen ein, und während Helena Fly rief, um sie davon abzuhalten, den Wärter anzufallen, liefen wir auf den Zaun zu. Ich sprang über das metallische Gitter, während die beiden Damen sich durch das Loch zwängten, das ich zuvor für sie geweitet hatte.

„Hier geblieben!", rief uns der Mann wütend nach, doch wir ließen uns von ihm nicht aufhalten und rannten in das Unterholz des Waldes hinein. Wir waren kaum ein paar Meter weit gekommen, als ich vor mir ein erschrecktes Aufquietschen und ein darauffolgendes Rascheln hörte. Als ich zu Helena sah, lag sie der Länge nach auf dem Boden und besah sich gerade erschrocken ihre Handinnenflächen. So ein Tollpatsch! Sie raubte mir noch den letzten Nerv. Kurzentschlossen griff ich um ihre Taille und warf sie mir über die Schulter. Dann rannte ich weiter

„Lass mich runter!", jammerte Helena nach einiger Zeit, doch ich dachte gar nicht erst daran.

„Du bist langsam, unsportlich, hast keine Schuhe an und fällst doch nur wieder auf die Nase", ärgerte ich sie und konnte ein böses Grinsen nicht unterdrücken. Die Antwort darauf kam prompt, und zwar in Form von einem Schlag auf meinen Hintern. Ich lachte kurz auf.

„Halt den Ball flach, dein Po ist schließlich direkt neben meinem Kopf und ich habe eine Hand frei", warnte ich sie und tätschelte unheilvoll ihren Hintern. Hm, fühlte sich gut an.

„Du hast meinen Allerwertesten heute schon genug betatscht!", beschwerte sie sich.

„Da bin ich anderer Meinung."

Wir waren nun einige hundert Meter von dem Schwimmbad und seinem übereifrigen Wächter entfern. Die Wahrscheinlichkeit, dass er uns bis hierher nachkam, war nicht sehr hoch. Also hielt ich langsam an und ließ Helena herunter, die sich schwer atmend an einen Baum lehnte. Plötzlich begann sie zu lachen. Es klang unglaublich herzlich und befreiend und ich konnte mich kaum gegen das Kribbeln wehren, das es in mir auslöste. Dieses ungewohnte Gefühl überrollte mich wie eine Lawine, fegte plötzlich alle Vernunft aus meinem Verstand. Unwillkürlich musste ich lächeln. Dann verstummte ihr Lachen plötzlich. Sie wurde ernst und sah mit großen Augen zu mir herauf. Ich hatte keine Ahnung, was mit mir geschah, als ich nach ihren Schultern griff, sie nach hinten gegen den Baum drückte und meine Lippen auf ihre drückte.

Es ging nicht anders, ich wollte sie so sehr. Alles in mir drängte zu ihr hin. Ich wollte sie küssen, ich wollte sie berühren, ich wollte sie festhalten und am liebsten nie wieder loslassen. Sie war ein Licht in meiner Dunkelheit. Sie war ein Hoffnungsschimmer, den ich von dem Grund des endlos tiefen, schwarzen Sees aus sehen konnte, in dem ich trieb und in dem ich langsam zu ertrinken drohte. Ich konnte ihre warme Haut durch den nassen, kalten Stoff ihres Kleides spüren. Ihre Beine knickten weg und sie hielt sich an meinem Nacken fest. Dann plötzlich erwiderte sie meinen Kuss mit feuriger Hingabe. Sie wollte mich genauso wie ich sie. Sehnsüchtig strichen ihre Finger durch mein Haar und überall, wo sie mich berührte, entstand eine Gänsehaut.

Es war so schön. Es war so perfekt. Es war so erhaltenswert. Doch ich war niemand, der Dinge erhielt, ich war jemand der Dinge zerstörte. Ich würde auch sie zerstören.

Liam, du Vollidiot! Was tust du eigentlich hier? Hast du den Verstand verloren? Du wirst nur ihr und dir selbst wehtun. Du kannst ihr nicht das geben, was sie sucht. Sieh es endlich ein!

Ich durfte meine Pläne nicht aus den Augen verlieren. So schön dieses Gefühl auch war, es war zum Scheitern verurteilt. Ich durfte nicht so egoistisch sein und für diese Sehnsucht, die uns beide verband, alles aufs Spiel setzen. Meine geplante Rache war nicht nur für mich, sondern auch für all die Mädchen, die wegen mir, Markus und meinem Vater durch die Hölle gegangen waren. Und sie war für Anna. Ich durfte mich nicht auf eine Liebe einlassen, die keine Zukunft hatte. Ich würde mich nach den Morden an unseren Vätern von der Polizei stellen und erschießen lassen. Ich würde nicht zurück ins Gefängnis gehen.

Nie.

Wieder.

Ich löste den Kuss und sah Helena an.

„Liam?", fragte sie verwirrt über meine plötzliche Distanz.

Ich atmete tief ein, schloss meine Lider und nahm noch für ein paar Sekunden ihre Nähe sehnsüchtig in mich auf. Noch nie in meinem ganzen Leben, hatte ich mich so gewollt gefühlt.

Dann drehte ich mich von ihr weg. Ich musste es beenden. Jetzt oder nie.

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Das war vorerst das letzte Extra-Kapitel. Es hat Spaß gemacht aus Liams Sicht zu schreiben. Man könnte sich dran gewöhnen!

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