Tag 100 ohne dich

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Ich kann es nicht glauben. 100 Tage ohne dich. Ich würde dir gern sagen, dass so langsam der Alltag wieder einkehrt, aber so ist es nicht. Ganz im Gegenteil. Ich könnte deine Schulter und ein paar aufmunternde Worte aus deinem Mund gebrauchen, denn ich bin aufgeregt. Die letzten Wochen, die mittlerweile schon einstellig sind, brechen an. Mir wird das alles zu viel.

Ich möchte eine gute Mama werden. Ich weiß, wenn du jetzt hier wärst, könntest du mich beruhigen und meine Selbstzweifel zur Seite schieben, aber du bist nicht hier. Doch trotzdem wird mir nach langer Zeit wieder warm um das Herz. Und soll ich dir den Grund verraten? Das Baby ist der Grund. Es tritt munter und wenn du das sehen könntest, würdest du vor Freude weinen. Es ist ein schönes Gefühl, so langsam geht es in den Endspurt und bald werde ich einem kleinen Wesen ein Leben schenken.

Ist das nicht verrückt? Wenn man sich darüber wirklich mal Gedanken macht. Zwei Menschen erschaffen ein neues Leben! Das ist doch unglaublich, oder? Der Gedanke raubt mir den Atem. Ich habe wirklich kurz aufgehört mit dem Atmen. Ich bedauere es nur so sehr, dass das Baby dich nie kennenlernen wird. Aber glaube mir, wenn ich sage, dass ich viel über dich erzählen werde. Ich möchte nicht, dass die wunderschönen Erinnerungen an dich verschwinden und möchte sie gern weitergeben. An unser Kind.

Ich habe deine Sachen weiter ausgeräumt. Viele Dinge werde ich behalten, aber doch geht ein großer Teil weg. Es muss sein, auch wenn es mir das Herz bricht. Ich war vorgestern mal wieder mit meinen Freundinnen aus. Wir waren essen. Es war eigentlich ganz schön. Sie gehen normal mit mir um und das bedeutet mir viel.

Als ich im Restaurant auf dem Weg zur Toilette war, hörte ich plötzlich dein Lachen. Also ich dachte, dass es dein Lachen wäre. Aber als ich mich umdrehte, erkannte ich, dass es von einer anderen Frau kam, die dir überhaupt gar nicht ähnlich sah und plötzlich hörte sich ihr Lachen auch wieder anders an. Mein Herz raste in diesem Moment und auf der Toilette musste ich mich dann übergeben. Danach fuhr ich nach Hause, doch trotzdem war der Abend bis zu diesem Punkt ganz schön. Merkst du, wie sehr du immer noch mein Leben bestimmst?

Heute lag ich den ganzen Tag auf der Couch. Schwanger sein kann sehr anstrengend sein, aber warum erzähle ich dir das? Du hast bereits eine wunderbare Tochter zur Welt gebracht und warst eine tolle Mama für sie. Lina und Felix wollen gleich auch noch herkommen. Wir wollen zusammen Abendbrot essen. Lina hat doch tatsächlich einen Kochkurs besucht und liebt das Kochen nun. Das kann man sich gar nicht vorstellen, was? Wenn ich daran denke, wie sie damals gekocht hat, kann ich gar nicht glauben, dass es heute sogar schmeckt. Das eine Mal hat sie das Essen einfach vergessen. Kannst du dich noch daran erinnern, als du mit Paul nach Hause gekommen bist und ihr euch gewundert habt, warum es so angebrannt riecht? Wir haben es euch nie erzählt. Wir saßen im Wohnzimmer, als plötzlich der Rauchmelder losging und als wir in die Küche kamen, war diese bereits voller Rauch. Sie wollte mich damit überraschen und statt eines Essens haben wir dann stundenlang gelüftet, aber es hat nicht wirklich etwas gebracht. Und dann haben wir einfach eine Pizza bestellt.

In den nächsten Tagen wollen Lina, Felix und ich das Kinderzimmer fertig machen. Wir beide hatten im Vorfeld ja schon alles ausgesucht, aber Felix wird es aufbauen. Mittlerweile platze ich vor Neugier, welches Geschlecht das Baby haben wird. Wir haben bisher nur neutrale Sachen und nach der Geburt wollen Lina und ich losziehen, um noch einige Sachen zu besorgen. Ich bin aufgeregt und auch etwas traurig, dass du nicht dabei sein kannst.

Ich bin noch immer hoffnungslos in dich verliebt. Meine Gefühle für dich werden nicht verschwinden, auch wenn du es bist. Gerade wird mein Herz wieder schwer, deshalb versuche ich jetzt, mich abzulenken und an positive Dinge zu denken. Das ist eine gute Methode momentan für mich. Sobald es mir schlechter geht, denke ich an das Baby. Oh, gerade hat es wieder getreten! Ich habe dann dein Lieblingslied gesummt und beruhigend meine Hände auf den Bauch gelegt und nun ist das Baby wieder ruhig.

Meine Eltern haben sich übrigens Urlaub genommen und wollen die erste Zeit bei mir sein, wenn das Baby kommt. Für sie ist es natürlich auch eine große Sache, denn sie werden zum ersten Mal Oma und Opa. Auch sie vermissen dich noch immer. Wir telefonieren fast täglich. Meine Mama besteht darauf und ich kann es ihr nicht verübeln. Ich schicke ihnen auch regelmäßig Bilder und Videos und sie sind beide so stolz und können die Geburt kaum erwarten.

Wenn ich an die Geburt denke, wird mir schlecht. Ich weiß, dass es völlig normal ist, aber trotzdem habe ich Angst davor. Aber so geht es sicherlich allen Frauen, denke ich. Ich möchte so gern eine normale Geburt und keinen Kaiserschnitt, aber im Endeffekt ist es auch egal, oder? Hauptsache dem Baby geht es gut und es läuft alles reibungslos ab.

Es klingelt an der Tür. Lina und Felix sind da. Ich schreibe dir bald wieder, wundervolle Greta.

In Liebe,
Amelie

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