MJ hatte nicht gelogen. Sie konnte definitiv nicht kochen. Obwohl Lily ihr unzählige Rezeptbücher vor die Nase gehalten hatte, schien MJ daraus absolut keinen Nutzen zu ziehen. Zumindest keinen, der für Lily nützlich gewesen wäre.
Zwar häuften sich jetzt diverse Kräutertöpfe auf dem Balkon, aber kein Blättchen schaffte es in einen Kochtopf. Es war zum verrückt werden. MJs Interesse galt den Pflanzen, aber nicht deren Zubereitung. Einzig, um Tees aufzugießen, erntete das Kind hin und wieder etwas von ihrem Grünzeug. Wobei Lily zugeben musste, dass sie auf genau diese Tees auch nicht unbedingt verzichten wollte. Der Geschmack war unnachahmlich und erinnerte nicht ansatzweise an die Plörre, die man sonst aus Teebeuteln gewinnen konnte. MJ mochte kein Händchen für Nahrungsmittel haben, aber von Heißgetränken hatte sie Ahnung.
Normalerweise wäre das natürlich kein Grund für Lily gewesen, MJs Versagen einfach so zu dulden, doch trotzdem drückte sie ein Auge zu. Immerhin bemühte sich das Kind wenigstens, anderweitig ihren Platz in der Wohnung zu rechtfertigen. Und dabei stellte sie sich gar nicht so dumm an. Seit Wochen lag bereits kein Staub mehr auf den Möbeln. Die Böden glänzten. Müll, der hauptsächlich aus Verpackungen diverser Fertiggerichte bestand, wanderte sofort in die Tonnen vor dem Haus. Betten waren gemacht und das Bad stets geputzt. Alles in Allem glich das Appartement einem gut geführten Haushalt. Einem, in dem Lily sich wohlfühlte. Und einer, der bei Weitem günstiger war als jener, den sie zuvor immer teuer bezahlt hatte. Ja, die Putzfrau war endlich überflüssig. Wobei es nicht bloß der Kostenfaktor war, der Lily zufrieden stimmte. Schließlich musste sie sich nun auch keine Gedanken mehr über eine Fremde machen, die vielleicht ihre Nase in Angelegenheiten steckte, die niemanden etwas angingen. Lilith, Lily Theodoras zweite Identität, schien sicherer als jemals zuvor, denn MJ würde sie bestimmt nicht ausplaudern. Warum auch? Wieso sollte MJ die Frau verraten, die ihr Unterschlupf gewährte? So dumm war sie nicht. Würde sie niemals sein, solang auch Lily kein Interesse daran zeigte, die kleine Ausreißerin irgendwo anzuschwärzen. Man konnte also durchaus davon sprechen, dass sie beide Vorteile aus der Situation zogen. Lily liebte Vorteile - egal welcher Art.
"MJ", rief sie durch die offene Badezimmertür und hustete im gleichen Atemzug. Wasserstoffperoxid reizte ihre Lungen annähernd so sehr wie ihre aktuelle Tätigkeit ihr Nervenkostüm. Lily hasste es, sich die Haare eigenständig blondieren zu müssen, seit sie ihren Friseur des Vertrauens nicht mehr aufsuchen konnte. Noch nicht zumindest. Obwohl ein halbes Jahr nach dem Vorfall in der Bank vergangen war, wagte sie es weiterhin nicht, sich in der näheren Öffentlichkeit blicken zu lassen. Zu groß war die Gefahr, vielleicht doch erkannt zu werden. Der Bankdirektor hatte nämlich bisher nicht aufgegeben, die sexy Blondine ausfindig machen zu wollen. So ungefähr hatte es Candace doch formuliert gehabt, oder?
Lily nickte ihrem Spiegelbild zu.
Bestimmt hatte er sie derart umschrieben. Als sexy Blondine mit der Statur einer griechischen Göttin. Oder einer römischen? Einer ägyptischen? Oder ...
"Was ist?", stoppte MJ die religiösen Gedanken. Sie tapste ins Bad, bremste knapp hinter der Tür und hielt sich demonstrativ die Nase zu.
"Hab dich nicht so", maulte Lily, ein erneutes Husten unterdrückend. "Komm lieber rein und sag mir, ob ich alles getroffen hab." Mit einem Pinsel in der Hand umwirbelte sie ihren Ansatz wie ein Zauberer seinen Trick mit dem Zauberstab. Lilys Haar verwandelte sich derweil von einem natürlichen Braun in ein unnatürliches Blond.
"Puh", stieß MJ aus, ehe sie sich überwand und endlich näher trat. Auf Zehenspitzen reckte sie sich in die Höhe, um Lilys Kopf begutachten zu können. "Sieht gut aus."
"Das ist ja wohl nichts Neues", grinste Lily. "Aber jetzt geht es um meine Haare. Habe ich die Blondierung überall verteilt?" Durch den Spiegel spähte sie auf das Mädchen hinter sich.
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Totgeglaubte leben länger!
FanfictionAls L ein einzelnes Wort in seinen Laptop eingibt, ahnt er nicht, dass er damit eine Botschaft sendet, die eine längst Totgeglaubte erreicht. Er selbst wird daraufhin erfahren wie es ist, für Jahre von der Bildfläche zu verschwinden. Bis zu dem Tag...