Kapitel 6

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Die Vorlesung war so dermaßen langweilig, dass Sofia die Seite ihres Collegeblocks, die vor ihr lag, komplett bekritzelt hatte. In Gedanken war sie längst wieder bei Elias und der Nacht, die sie miteinander verbracht hatten. Immer mehr glaubte sie, es sei nur ein Traum gewesen, denn es fühlte sich wieder sehr weit entfernt an. Aber es war ein schöner Traum, mit dem Mann, den sie liebte.

Nun waren schon mehr als 24 Stunden vergangen, seitdem Elias abgereist war und sie hatten seither nichts mehr voneinander gehört. Sofias Gedanken kreisten darum, was er jetzt wohl tat, wie es ihm ging und ob er sich genauso fühlte wie sie.

Ein Zettel, der ihr von der Seite zugesteckt wurde, riss Sofia aus ihrem tranceartigen Zustand. Sie griff danach und blickte auf. Alex tat so als wäre nichts und ließ den Zettel los. Vorsichtig ohne einen Laut faltete Sofia den Zettel auseinander und las ihn in Gedanken. "You, me , Grace. Lunch?" Das war typisch Alex, wozu viel schreiben, wenn man es auch kurzhalten konnte. Schmunzelnd schrieb Sofia "yes" darunter und gab den Zettel nach links weiter an Grace, die gerade in ihrem Macbook tippte. Erneut begann Sofia auf ihrem Block zu malen, als ein weiterer Zettel von rechts kam. Diesmal schaute Alex sie an und lächelte verständnisvoll. Sofia faltete ihn wieder auseinander und diesmal stand nur "call him" drauf. Seufzend blickte sie die einzelnen Buchstaben aus blauer Kugelschreibertinte an. Alex riss ihr den Zettel aus der Hand und gab ihn ihr wieder, nachdem er noch etwas drauf geschrieben hatte. Das "call" war durchgestrichen und darüber stand ein "text". Sie sollte ihm eine Nachricht schreiben, aber was sollte sie schreiben? 'Hey Elias, der Sex war der Wahnsinn. Ach ja und by the way ich bin verliebt in dich?' Doch bevor Sofia sich noch mehr den Kopf darüber zerbrechen konnte, bemerkte sie, wie alle ihre Sachen zusammenpackten und so tat sie es ihnen gleich.

Etwa zwanzig Minuten später saß sie mit ihren beiden Freunden an der Themse und aß ein Sandwich.

"To who were you texting all the time?", fragte Alex Grace, die gerade von ihrem Brot abgebissen hatte. "A smart girl from Glasgow.", antwortete sie fröhlich schmatzend. "She is unbelievable. Smart, funny, sexy. I believe she is my new potential girlfriend." "Ouh Grace in love. But wait that's not fair. You have this new girl. Sophs gots Elias and what's about me? Forever alone?", sagte Alex gespielt empört. "That doesn't mean that I leave you alone." antwortete Grace. "I don't got Elias. I am still single. So, don't make such a drama.", meldete sich nun auch Sofia zu Wort. "Honey. You made out with him. Believe me, you got him.", winkte Alex ab. "Maybe Hailey, has a cute friend, that I can introduce to you.", sagte Grace mit ruhiger Stimme. "And you my dear, text him or you will never know if he loves you or not." Sofia seufzte und starrte auf die Themse. Plötzlich traf es sie wie einen Blitz. "I won't text him. I will fly to Erfurt and surprise him.", rief sie mit Bestimmtheit aus. "That's my girl.", rief Grace glücklich und machte ein bestärkende Handbewegung. "She gets crazy.", lachte Alex und packte Sofia fest, als ob sie vollkommen wahnsinnig geworden wäre.

Am Abend als Sofia in ihrem Bett saß und nach einem passenden Flug suchte, hörte sie wie die Haustür ins Schloss fiel und nur einen kurzen Moment später, klopfte es an ihrer Zimmertür. Eine junge Frau mit kurzen, dunklen Haaren lugte durch den Spalt der Tür, die sie geöffnet hatte. „I'm home. ", sagte sie. Sofia sprang auf und begrüßte ihre Mitbewohnerin, die für einen Monat auf Heimaturlaub in Berlin gewesen war. „Es ist so schön, dass du wieder da bist.", flüsterte Sofia ihr ins Ohr, als sie einander in den Armen lagen.„Komm, du musst mir erzählen, wies in Deutschland war.", rief sie und zog die junge Frau am Arm zu ihrem Bett. „Du weißt doch selbst, wie es dort ist. Meiner Familie geht's gut und der Urlaub ist viel zu schnell vergangen. Erzähl mir lieber von dem Monat hier, was habe ich verpasst?", lenkte die Mitbewohnerin vom Thema ab. Sofia schwieg und daraufhin bohrte Lucia weiter nach:„Wie wars denn mit unserem Gast? Sieht mein Zimmer noch aus wie vorher." Sofia wandte den Blick ab und merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. „So schlimm?", hakte Lucia nach und Sofia schüttelte vorsichtig den Kopf. Dann fiel es Lucia, wie Schuppen von den Augen und sie starrte ihre Mitbewohnerin mit offenem Mund an. „Jetzt spucks aus. Wer ist er und was genau ist zwischen euch passiert.", forderte Lucia. Sofia schwieg weiter und konnte ihrer Freundin nicht ins Gesicht schauen, da sie sich irgendwie dafür schämte. „Sofia, jetzt lass doch dir nicht alles aus der Nase ziehen.", versuchte Lucia, Sofia zu animieren. Schließlich gab Sofia ihrem Herzen einen Ruck und erzählte Lucia die ganze Geschichte. „Also während du in Berlin warst, hat in deinem Zimmer ein junger Arzt aus Deutschland gewohnt.", begann sie zu erzählen. Doch Lucia unterbrach sie kurz: „Bevor du weitersprichst, hat er die Miete bezahlt?" „Ja, keine Sorge.", lachte Sofia. „Ok, zum Glück. Erzähl weiter." „Sein Name ist Elias Bähr und er arbeitet in einem Klinikum in Erfurt. Er ist auch auf Kardiologie spezialisiert, so wie ich und hat dementsprechend auch das Seminar besucht, was Prof. Dr. Thompson gegeben hat. Da saßen wir halt immer zusammen und haben danach auch immer viel Zeit miteinander verbracht, auch außerhalb der Uni. Naja und irgendwann habe ich gemerkt, dass ich ihn mehr mag, als nur einen Freund und wollte immer mehr Zeit mit ihm allein verbringen. So waren wir dann ab und zu im Kino, im Park oder in einem Pub. Hier haben wir gelegentlich zusammen gekocht oder DVD-Abende gemacht, viel gequatscht oder einfach nur beieinandergesessen und gelesen haben. Er ist sehr sensibel und einfühlsam, gleichzeitig strahlt er eine unglaubliche Stärke aus. Er ist ehrlich, höflich, kann sehr gut kochen, hat Humor, ist sehr intelligent und obendrein ein richtiger Mann, der dazu noch gut aussieht. Wir haben so gut wie jede freie Minute miteinander verbracht und naja dann an seinem letzten Abend waren wir auf einer Party. Wir haben ein wenig getrunken und dann haben wir uns geküsst. Lucy, es war der beste Kuss, den ich jemals bekommen habe. Und was soll ich sagen... wir haben miteinander geschlafen. Dann ist er abgereist ohne dass ich ihm mein Herz ausschütten konnte."

Lucia hatte sich alles aufmerksam angehört und starrte ihre Mitbewohnerin erstaunt und gleichzeitig geschockt an. „Wow.", sagte sie trocken. „Klasse. Hätte ich dir bloß nichts erzählt. Jetzt hältst du mich sicher für eine...", doch mehr konnte Sofia nicht sagen, denn ihre Freundin umarmte sie. „Hat er sich danach gemeldet?", fragte sie, als sie sich von Sofia löste. Traurig verneinte Sofia die Frage. „Unglaublich. Wieso hast du mir nicht geschrieben. Sofia, du triffst den Mann deines Lebens, hast was mit ihm und ich bin die Letzte, die davon erfährt." „Es tut mir leid, aber ich war so dermaßen mit meinem Gefühlschaos beschäftigt, dass ich gar keinen Kopf mehr für was anderes hatte und immer noch habe." „Schon gut. Das ist verständlich. Was gedenkst du jetzt zu tun?" „Grace und Alex meinten ich sollte ihm schreiben oder ihn anrufen, aber ich habe mich entschieden, dass ich hinfliege um das alles persönlich mit ihm zu klären." „Vermutlich wird es das Beste sein. Wann fliegst du?" „Ich habe noch keinen Flug, aber am besten so schnell wie möglich."

Gemeinsam suchten die beiden Freundinnen nach einem passenden Flug für Sofia. Nachdem sie einen Günstigen für das kommende Wochenende gefunden hatten, wollte Sofia nun alles über Lucias Aufenthalt bei ihrer Familie erfahren.



Glücksbä(h)rchen  ~ In aller Freundschaft -Die jungen ÄrzteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt